Grande Traversata delle Alpi

Grande Traversata delle Alpi
Wegmarkierung mit dem Schriftzug "gta"

Die Grande Traversata delle Alpi (GTA) ist ein Weitwanderweg, der in rund 1000 km und 55 Tagesetappen den gesamten piemontesischen Westalpenbogen durchzieht, von den Walliser Alpen, Grajischen Alpen über die Cottischen Alpen bis zu den Seealpen und Ligurischen Alpen. Da dieser Teil der Alpen in zahlreiche Quertäler gegliedert ist, verlaufen die Tagesetappen oft über Pässe, die hochgelegene Talorte miteinander verbinden; andere Etappen sind Höhenwege innerhalb eines Tals.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf

Verlauf der GTA.
Rimella, Etappenort am nördlichen Endpunkt der GTA.
Rocciamelone 3538 m, höchster Berg, der am Rande der GTA als Abstecher bequem bestiegen werden kann.
Val Susa, Grenze zwischen Nord- und Südteil der GTA.
Talschluss des Valle Po.
Blick aus dem Valle Maira auf den Monviso.
Traditionelle Häuser im Weiler Chiappera, Gemeinde Acceglio, Valle Maira.
Ormea Viozene, südlicher Endpunkt der GTA.

Es ist zweckmäßig, zwischen einem Nordteil und einem Südteil zu unterscheiden, als deren Grenze das tief eingeschnittene Susa-Tal angenommen wird. Die GTA kann in beide Richtungen begangen werden; im Einklang mit den deutschsprachigen Führern wird sie im folgenden von Nord nach Süd beschrieben:[1]

Der Einstieg in den Nordteil ist problematisch. Der ursprüngliche Plan, die GTA am Lago Maggiore beginnen zu lassen, ist mangels geeigneter Unterkünfte nie realisiert worden. Eine für aus der Schweiz anreisende Wanderer attraktive Variante beginnt am Griespass; ein anderer Einstieg beginnt in Saas Almagell und trifft die GTA-Etappen erst in Alagna Valsesia. Der offizielle Einstieg ist bei Molini di Calasca im Valle Anzasca; geeigneter ist Forno im Valstrona. Der Weg führt auf der Nordseite des Valsesia nach Alagna am Monte Rosa. Das westlich anschließende Aostatal wurde ausgespart; der Weg biegt nach Süden ab, berührt den Wallfahrtsort Oropa und erreicht in Quincinetto am Durchbruch der Dora Baltea mit 295 m den tiefsten Punkt der gesamten GTA. Der Weg führt sodann in sechs Etappen nach Westen, am Gran Paradiso vorbei bis in die Nähe der französischen Grenze, der er von dort an Richtung Süden folgt. Nach Querung von drei Tälern, die alle bei Lanzo Torinese in die Tiefebene münden, erreicht man nach insgesamt 26 Etappen Susa.

Im Südteil teilt sich die GTA mehrmals in verschiedene Varianten auf. Eine voralpine, schon ab Anfang Juni begehbare Variante ("Ostroute") ist im Bereich zwischen Susa- und Varaitatal aufgegeben worden: es gibt nicht überall Unterkünfte, Markierungen sind nur noch sporadisch zu finden, und Wege wachsen zu. Hingegen ist die westlichere Hauptvariante durchgehend begehbar; die Infrastruktur ist tendenziell besser als im Nordteil. Vom Susatal aus verläuft die GTA in Richtung Süden. Sie quert die Täler Chisone, Germanasca und Pellice. Anschließend muss man den Monviso umgehen, entweder westlich durch das französische Queyras, oder östlich über zwei Hütten des italienischen Alpenvereins. Beide Varianten vereinen sich im Valle Varaita. Die GTA quert sodann die Täler Maira, Grana, Stura di Demonte, Gesso, Vermenagna, bevor er in die Ligurischen Alpen führt und dort in Viozene (Gemeinde Ormea) nahe der Grenze zu Ligurien endet (Übergänge nach Frankreich in den Nationalpark Mercantour sind vom Stura-, Gesso-, und Vermenagna-Tal möglich).

Die GTA ist in der Regel ab Ende Juni schneefrei. Unter dieser Voraussetzung ist sie ein Bergwanderweg ohne technische Schwierigkeiten. Anspruchsvoll ist zum Teil die Orientierung in einsamem Gelände bei unregelmäßiger Markierung und nicht immer eindeutig erkennbarem Wegverlauf. Die physische Schwierigkeit ergibt sich aus der Anlage als Passwanderung von Quertal zu Quertal; typische Höhenunterschiede sind 600 bis 1200 m Aufstieg und Abstieg pro Tag. Besonders im Nordteil sind einige Etappen sehr lang.

Infrastruktur

Der Weg kann von Forno bis Viozene ohne Zelt begangen werden. An allen Etappen sind Übernachtungsgelegenheiten eingerichtet ("posto tappa", mit rot-weiß-roter GTA-Markierung gekennzeichnet). Mit wenigen Ausnahmen wird dort Halbpension angeboten. Die Mehrheit der Posti Tappa befindet sich in hochgelegenen Talorten, wo es zumeist auch eine Einkaufsgelegenheit gibt. Ein Teil der Unterkünfte ist eher spartanisch (Schlafsaal mit Doppelstockbetten, zum Beispiel in einem alten Schulhaus oder in einem Almgebäude), ein Teil aber auch mit alten Möbeln in Privathäusern.

Einige wenige Etappen enden in Alpenvereinshütten. In den Wallfahrtsorten (Oropa, ..?) werden Pilgerunterkünfte genutzt.

Die GTA verläuft teilweise gemeinsam mit dem Sentiero Italia sowie der Via Alpina (roter/ blauer Weg). Der Weg ist einheitlich in rot-weiß-rot markiert, zum Teil mit schwarzem Schriftzug "gta", zuweilen auch "S.I.". Im Rahmen der neueren, EU-geförderten Initiative Via Alpina wurden Übersichtstafeln in den Etappenorten geschaffen. Dennoch gilt der Einstieg in den Weg in größeren Orten oft als schwer zu finden, und die wenigsten Einheimischen kennen die GTA. Unterwegs ist die Markierung von sehr unterschiedlicher Qualität; oft ändert sie sich auf einer Passhöhe.

Die 50.000er Karten des Turiner Istituto Geografico Centrale (IGC) sind notorisch unzuverlässig. Es wird dringend davor gewarnt, sich auf Wegeintragungen abseits der GTA zu verlassen: diese Eintragungen sind zum Teil seit Jahrzehnten nicht mehr nachgeführt worden; viele Wege sind zugewachsen, manche von Erdrutschen weggeschwemmt. In den 1990er Jahren sind mit EU-Unterstützung in einem französisch-italienischen Gemeinschaftsprojekt einige grenzüberschreitende 50.000er Karten in der gewohnt hohen Qualität des französischen Institut National Géographique hergestellt worden; sie sind jedoch vergriffen. Vor Ort kann man gelegentlich Karten lokaler Verlage in Maßstäben zwischen 40.000 und 25.000 und in sehr unterschiedlichen Qualitäten erwerben.

In deutscher Sprache liegt ein regelmäßig neu aufgelegter Wanderführer von Bätzing vor; ergänzende Informationen und Korrekturen werden auf zwei Webseiten bereitgestellt (s.u.). Ein italienischer Führer in Buchform ist nur für den Südteil erschienen, aber seit den 1990er Jahren vergriffen.

Landschaft und Kultur

Die GTA ist im Sinne der ökologischen Höhenstufen kein alpiner, sondern ein überwiegend montaner und subalpiner Weg. Sie verläuft ganz überwiegend durch früher intensiv genutzte, dicht besiedelte Kulturlandschaft.

Die traditionelle Berglandwirtschaft ist im Verlauf des 20. Jahrhunderts weitgehend zusammengebrochen. Die von der GTA berührten Täler haben von 1870 bis 2000 einen Bevölkerungsrückgang von oft 80 % erlitten; obere Talorte sogar von 90 bis 95%.[2] Manche Weiler, in denen früher hundert Menschen lebten, sind ganz aufgegeben, in anderen wohnen noch ein oder zwei alte Leute. Zum Teil kehren Nachkommen in den Sommermonaten zurück und richten sich das geerbte Anwesen als Zweitwohnung her, zum größeren Teil verfallen die Häuser ungenutzt.

Da der Zusammenbruch der traditionellen Strukturen deutlich später als im benachbarten Frankreich erfolgt ist, hat man auf der GTA noch reichhaltige Gelegenheit, Relikte der alten Wirtschaftsweise zu beobachten. Oft verläuft die GTA auf alten Wegen, die früher die einzelnen Weiler einer Gemeinde miteinander verbanden.[3] Besonders beeindruckend (und angenehm zu nutzen) sind die befestigten "Mulattieras" (Maultierpfade) in den Kastanienwäldern der kollinen Höhenstufe. Diese Stufe war dicht besiedelt, bis Anfang des 20. Jahrhunderts eine Kastanienkrankheit die bisherige Ernährungsgrundlage schlagartig vernichtete. In höheren Lagen kann man immer wieder Begrenzungsmauern alter Ackerterassen entdecken, da in jeder Gemeinde zur Selbstversorgung auch Getreide angebaut wurde. Lebendig ist in einigen Gegenden, insbesondere im Nordteil, noch die Almwirtschaft.

Die Alpentäler waren kulturell eigenständig und hatten über zahlreiche fußläufige Passverbindungen hinweg engeren Kontakt mit benachbarten Gegenden in Frankreich und in der Schweiz als in die Po-Ebene. Bis ins 20. Jahrhundert hinein bildete der Alpenhauptkamm auch keine Sprachgrenze. Das Valsesia ist altes Siedlungsgebiet der Walser. In den Lanzo-Tälern wurde wie im Aosta-Tal Frankoprovenzalisch ("Arpitan") gesprochen. Im unteren Susa-Tal wurde wie in der Tiefebene Piemontesisch gesprochen. Südlich des Susatals war geschlossenes okzitanisches Sprachgebiet. Erst in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs lernte ein nennenswerter Teil der Bevölkerung Italienisch. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Rückgang der Regionalsprachen nicht mehr aufzuhalten; in einigen abgelegenen Tälern leben aber auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch Familien, die zu Hause Okzitanisch sprechen.

Eine weitere kulturelle Besonderheit war die Gemeinschaft der vorreformatorisch-evangelischen Waldenser, die in den Waldensertälern Chisone, Germanasca und Pellice, von grausamen Verfolgungen unterbrochen, ein toleriertes Rückzugsgebiet hatten.

Geschichte der GTA

Die Idee für die GTA stammt aus Frankreich, wo um 1970, zeitgleich mit der Erfindung der Europäischen Fernwanderwege, eine Grande Traversée des Alpes eingerichtet wurde. Ab Mitte der 1970er Jahre begann eine Gruppe Turiner Bergbegeisterter um die Rivista della Montagna und die libreria della montagna das Konzept eines Fernweges entlang des piemontesischen Alpenbogens auszuarbeiten. Das ehrenamtliche Comitato Promotore konstituierte sich später als ein Verein, die Associazione GTA. Man legte eine Trasse fest, organisierte Übernachtungsgelegenheiten, engagierte nebenamtliche Gastgeber, trieb öffentliche Mittel auf, um die Unterkünfte zu möblieren, markierte die Wege, und beschrieb immer neue Etappen in Zeitschriftenartikeln; 1981-89 erschienen Wanderführer in Buchform. 1982 wurde erstmals ein organisiertes Trekking angeboten, und bis Mitte der 1980er Jahre wurde intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betrieben.[4]

Infolge dieser Bemühungen erlebte die GTA ab 1979 einen Boom mit bis zu 300 Übernachtungen pro Saison und Etappenort. Nach wenigen Jahren erlahmte das Interesse der italienischen Wanderer jedoch und einige 'posti tappa' auf der Ostroute im Südteil wurden geschlossen. Auch das Engagement der Initiatoren ließ stark nach; nach einer großartigen ehrenamtlichen Aufbauleistung schaffte man es nicht, der GTA eine dauerhaft tragfähige Organisationsstruktur zu geben und Mittel aus der Tourismus- und Berggebietsförderung zur Finanzierung eines Sekretariats einzuwerben. Im Verlauf der 1990er Jahre schliefen die Aktivitäten der Associazione weitgehend ein.[5]

Seit 1985 wird die GTA im deutschen Sprachraum von Werner Bätzing als Beispiel für ökologisch verträglichen Tourismus propagiert; 1989 brachte er einen Wanderführer heraus, der seitdem regelmäßig aktualisiert wird. Durch Zeitschriftenartikel und Bildbände machten neben Bätzing auch einige weitere Reisejournalisten und Wanderleiter wirksame Öffentlichkeitsarbeit für die GTA. Tatsächlich nahm die Zahl der Trekkingtouristen aus dem deutschen Sprachraum ab Mitte der 1980er Jahre stark zu und glich den Rückgang der italienischen Wanderer ungefähr aus.[6]

Heute (2000er Jahre) wird die GTA ganz überwiegend von Wanderern aus dem deutschen Sprachraum begangen. Die Wanderer sind im Mittel eine gute Woche auf der GTA unterwegs; es gibt viele Wiederholer. Die Übernachtungszahlen in den einzelnen Etappen sind nicht ermittelbar, dürften aber typischerweise in der Größenordnung von 100 bis 200 pro Saison liegen (woraus man erschließen kann, dass pro Saison um die 1000 Fernwanderer auf der GTA unterwegs sind).[7] Es ist klar, dass jedes Absinken der Übernachtungszahlen den Fortbestand einzelner Etappenunterkünfte und damit die Attraktivität der GTA als ganzer gefährden würde.

Fußnoten und Nachweise

  1. Eine vollständige Auflistung der 55 Etappen von Süd nach Nord findet sich in der italienischen Wikipedia.
  2. Diagramme zur Bevölkerungsstatistik in den Artikeln zu den einzelnen Gemeinden in der italienischen Wikipedia.
  3. Die Gemeinden waren dezentral organisiert: in einem Weiler war die Kirche, in einem anderen das Rathaus, in wieder einem anderen die Schule; daher war jeder Weiler mit jedem durch direkte Wege verbunden, wobei die Wegeführung - um einen Tobel herum oder in den Talboden hinunter und wieder hinauf ? - fürs Fußgehen optimiert war.
  4. Vogt 2008, S. 115ff.
  5. Vogt 2008, S. 129ff. Im Jahr 2008 war die Associazione GTA auf sieben Mitglieder geschrumpft; bis auf ein in der Provinz Cuneo engagiertes Mitglied ist sie weitgehend inaktiv. Ihr Fortbestehen wird damit begründet, dass nur die als Lizenzvergabe ausgestaltete Anbindung an diesen Verein den Unterkünften ermöglicht, ihren speziellen Status als "rifugio escursionistico" aufrecht zu erhalten und damit strengeren Auflagen des Hotel- und Gaststättenrechts zu entgehen.
  6. Vogt 2008, S. 130
  7. Vogt 2008, S. 285ff. u. 315ff. Bei der Frage nach Zahlen, die auf den Umsatz schließen lassen, hat die Auskunftsbereitschaft der Gastgeber eine eindeutige Lücke.

Literatur

  • Werner Bätzing: Grande Traversata delle Alpi Teil1: Der Norden; Rotpunktverlag Zürich; ISBN 3-85869-256-5
  • Werner Bätzing: Grande Traversata delle Alpi Teil2: Der Süden; Rotpunktverlag Zürich; ISBN 3-85869-257-3
  • Iris Kürschner & Dieter Haas: GTA - Grande Traversata delle Alpi; Bergverlag Rother München 2011; ISBN 978-3-7633-4402-4
  • Eberhard Neubronner: Der Weg. Vom Monte Rosa zum Mittelmeer. Grande Traversata delle Alpi. Verlag Berg und Tal München 2006, ISBN 3-939499-00-5
  • Gillian Price: Through the Italian Alps: Grande Traversata Delle Alpi (GTA); Cicerone Press Limited, 2005; ISBN 1852844175, 9781852844172
  • Luisa Vogt, Regionalentwicklung peripherer Räume mit Tourismus? Eine akteursorientierte Untersuchung am Beispiel des Trekkingprojektes Grande Traversata delle Alpi, Fränkische Geographische Gesellschaft, Erlangen 2008, ISBN 978-3-920405-99-5

Weblinks


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