Gummistiefel-Tanz

Gummistiefel-Tanz
Gummistiefel-Tänzer

Der Gummistiefel-Tanz (engl.: gumboot dance; US-amerikanisch.: welly boot dance, Ableitung von „Wellington boots“) ist ein moderner, afrikanischer Tanz, der häufiger von Tanzgruppen (z. B. in den Touristenzentren) Südafrikas aber auch weltweit bei Tourneen von Tanzgruppen getanzt wird. Der Gummistiefel-Tanz gilt als einer der Vorläufer des Stepptanzes.

Herkunft

Die Bezeichnung für den Tanz („isicathulo“) stammt von den Schuhen, die beim Tanz getragen werden, den Gummistiefeln. Er entwickelte sich ab etwa 1880 unter den schwarzen Minenarbeitern in den Goldminen um Johannesburg in Südafrika. Deren Lebens- und Arbeitsbedingungen waren katastrophal und der Tanz war eine Reaktion auf die rassistische Unterdrückung der Apartheid und der hemmungslosen Ausbeutung der schwarzen Arbeitskraft. Weitere – eher eurozentristische – Theorien besagen, dass der Tanz durch die Tänze russischer Seeleute im Hafen von Durban oder durch deutsche Missionare, die den Schwarzen statt der unerwünschten Stammestänze das bayrische Schuhplattln beigebracht hätten, entstanden sei.

Der Tanz

So entwickelte sich aus dem afrikanischen Erbe mit den einzigen „Instrumenten“, die den Minenarbeitern geblieben waren, nämlich ihren Körpern und ihren Stiefeln, eine eigene Sprache aus Rhythmus und Musik. Auch die Weißen entwickelten mit den Farbigen in den Minen eine aus sieben Sprachen bestehende lingua franca, das Fanakalo. Den Minenarbeitern war es verboten miteinander zu sprechen. Um sich unter Tage miteinander verständigen zu können, entwickelten die Schwarzen – ähnlich wie die „sprechenden Trommeln“ oder das Morsen – durch rhythmisches Schlagen mit den Händen auf ihre Gummistiefel, Aufstampfen und Kettenrasseln eine eigene Klangsprache. Der Tanz erinnert durch das Schlagen auf die Stiefel an einen Schuhplattler. Diese unter Tage entstandene Form der Kommunikation setze sich langsam auch über Tage durch und entwickelte sich zu einer sozialen und kulturellen Ausdrucksform.

Einerseits sollte der Tanz den jungen Männern Mut und Kraft geben. Gleichzeitig machten sie sich aber über eine Art Geheimsprache in den scheinbar harmlosen Texten, Bewegungen und Tanzfiguren über die Polizisten lustig, die sie bewachten. Sie parodierten dabei gern die Bewegungen der Offiziere und Wachen, ohne dass diese es bemerken konnten.

Einige Unternehmer gestatteten es den besten Tänzern, die die Männer friedlich unterhielten, eigene Tanzgruppen zu bilden. Diese Gruppen sangen in ihrer Heimatsprache (meist Zulu, Sothu oder Xhosa) oder in Metaphern verschlüsselt vom elenden Leben, schlechtem Lohn, schlechten Vorgesetzten, aber auch von Familie, Heimweh und Liebe. Die Weißen hörten amüsiert zu, verstanden jedoch nichts. Diese Gruppen wurden nicht nur zur Unterhaltung der eigenen Leute eingesetzt, sondern wurden auch als PR-Maßnahme z.B. bei Besuchern der Minen benutzt. Der Tanz wurde treffend auch "literature in motion" (Literatur in Bewegung) genannt. Langsam formten alle Minengesellschaften eigene Tanztruppen, die in den firmeneigenen Amphitheatern gegeneinander antraten.An den Wochenende übten diese Gruppen ihre Tanzvorführungen, dabei wurde oft auch sehr viel Alkohol konsumiert, wovon manche Lieder, die zum Tanz gesungen wurden, erzählen. Die Liedthemen sind immer aus dem bedrückenden Leben gegriffen und oft lautmalerisch angereichert.

Früh wurde der Gummistiefel-Tanz, ebenso wie traditionelle Tänze, dann auf den Volksfesten der Weißen oder zur Touristenattraktion eingesetzt. Die Fußfessel sind heute meist durch einen Stapel rasselnder Kronkorkendeckel an den Außenseiten der Stiefel symbolisiert. Erstmals tauchte der Gumboot dance im Film 1956 in "Zonk" auf.

Der Tanz heute

Der Gummistiefel-Tanz wird heute in Südafrika, aber auch weltweit, als lebendiger und eigenständiger Teil der südafrikanischen Kultur vorgeführt. Jugendgruppen führen ihn auf den Straßen der Städte vor, um sich etwas Geld zu sammeln. Heute erinnern die um Gummistiefel gebundene Glöckchen an die Fußfesseln der schwarzen Arbeitssklaven. Die Gummistiefel – gern mit Schaumstoff unterlegt können auch farbig bemalt sein (z. B. Zebrastreifen), die Gruppen können bestimmte Kleidung tragen (z. B. Schulmädchenuniformen oder die Schutzhelme). So wird die Geschichtstradition bewahrt, aber in den Themen und musikalischen Ausdrucksformen passt sich der Tanz wie andere folkloristische Formen auch den modernen Lebensumständen der Jugend Südafrikas an. Comedy- und Slapstick-Elemente treten hinzu. Dies ist für Nicht-Afrikaner nicht immer leicht zu verstehen, da das Verständnis einer jeden Parodie das Verstehen des Parodierten voraussetzt.

Paul Simon hat in sein Album "Graceland" einen gleichnamigen Titel („Gumboots“) aufgenommen, der im Stil des südafrikanischen Mbaqanga ("Township Jive") gehalten ist.

Eine Tanzgruppe unter dem Regisseur Zenzi Mbuli sind die Rishile Gumboot Dancers of Soweto, die in ganz Südafrika bekannt sind, aber mit ihrer 1999 entwickelten Show Gumboot – Rhythm is a language auch auf Festivals in Edinburgh (1999), Österreich (2004), USA, Montreal in Kanada oder Frankreich (2005) aufgetreten sind. Sie haben eine CD und eine DVD herausgegeben (Gumboots). Die Rishile-Gruppe ist in der Nach-Soweto-Aufstand-Zeit durch den Einsatz von Maggie Makhudu entstanden, die die Jungs von der Straße holte und ihnen mit Tanz und Theater im Thabisong Youth Club von Soweto ein Ziel und Heimat bot.

Eine exzellente Jugendgruppe aus dem Township Ratanda, einem Vorort von Heidelberg (Gauteng) in der Provinz Gauteng (Südafrika), ist die Tanzgruppe der Corroboration Cultural Group, die Corroboration Gumboot Dance Company. Diese Gruppe kam unter dem jungen Choreographen Mandoza Radebe auf ihrer ersten Europatournee im Herbst 2006 nach Deutschland. Sie traten auf in Münster, im Theaterhaus Stuttgart, in der Südafrikanischen Botschaft in Berlin und auch in ihrer Schwesterstadt Heidelberg am Neckar. Die Truppe der Township-Kids verbindet Stilelemente traditioneller Tänze mit HipHop, Spielwitz mit der Magie afrikanischer Riten und über allem und durch alles strahlt die unbändige afrikanische Lebenslust.

Aus Simbabwe ist mit Black Umfolosi eine der besten afrikanischen Volkstanz-Gruppen zu nennen.


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