Gutachtenstil

Gutachtenstil

Als Gutachtenstil bezeichnet man insbesondere im universitären Lehrbetrieb die vor allem für Studienanfänger der Rechtswissenschaften ungewohnte Darstellung der Lösung rechtlicher Fragestellungen.

Zu Beginn wird die zu beantwortende Rechtsfrage aufgeworfen und im Folgenden unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsnormen im Wege der Subsumtion beantwortet. Dabei wird der Obersatz jedoch nicht als Frage-, sondern als Aussagesatz formuliert. Am weitesten verbreitet ist hierfür die Verwendung des Irrealis, teilweise wird in der Literatur jedoch auch der Indikativ mit Konditionalgefüge propagiert.

Beispiel: Es wird ein Obersatz gebildet „Indem A dem B eine Schnittwunde beibrachte, könnte er eine Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB begangen haben.“

Dann werden die Voraussetzungen aufgestellt „Dann müsste A den B körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben.“

Sodann wird definiert „Eine körperliche Misshandlung ist eine üble unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Integrität mehr als nur unerheblich beeinträchtigt.“

Dann wird Subsumiert, also der Fall unter die Definition gebracht „Hier hat A dem B eine Schnittwunde beigebracht. Dadurch hat er die körperliche Integrität beeinträchtigt.“

Dann folgt das Ergebnis „Daher hat A eine Körperverletzung begangen.“

Die Ausführlichkeit der Erörterungen hängt davon ab, ob und inwieweit die Subsumtion der einzelnen Sachverhaltsmerkmale problematisch ist oder nicht. Ein gelungenes Gutachten zeichnet sich auch durch eine angemessene Gewichtung der Erörterungen aus. Damit können auch Gutachten sprachlich ansprechend dargestellt werden. Das heißt: Problematisches lang im Gutachtenstil, unproblematisches kurz im Urteilsstil.

Vergleich mit Urteilsstil

Im scharfen Gegensatz zum Gutachtenstil steht in der Praxis von Rechtsprechung und Verwaltung der für Entscheide und Bescheide verwendete Urteilsstil. Hier wird ein Ergebnis voran gestellt und sodann erst systematisch begründet. Im Beispiel: „A hat eine Körperverletzung begangen, denn er hat dem B eine Schnittwunde beigebracht und ihn daher an der körperlichen Integrität geschädigt.“ Der Urteilsstil ist zu erkennen an Wörten wie denn oder weil. Studentische Ausarbeitungen sind in aller Regel im Gutachtenstil abzufassen.

Literatur

  • Brian Valerius: Einführung in den Gutachtenstil, aus der Schriftenreihe Tutorium Jura, ISBN 978-3-540-23645-0

Weblinks

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