- Algorithmische Komposition
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Als Algorithmische Komposition (AK) bezeichnet man jene Kompositionsverfahren, bei denen die Partitur durch einen automatischen, mathematisch beschreibbaren Prozess oder Algorithmus erzeugt wird.
Im Prinzip lässt sich jedes Musikstück als eine Folge von Zahlen darstellen: Ist es bei einem Instrument möglich, die Tonhöhe sowie die Anschlagsstärke und -dauer einer Note zu variieren, dann ist jede Note mit drei Zahlen darstellbar.
AK ist etwas vereinfacht die Entwicklung von Regeln, die solche musikalisch interpretierbaren Zahlenfolgen erzeugen. In der heutigen Praxis ist das meist die Entwicklung eines Computerprogramms.
Viele AK-Systeme arbeiten nach dem Prinzip der iterativen Rückkopplung, das Programm erzeugt abhängig von einer Eingabe eine Ausgabe, die im nächsten Schritt als neue Eingabe verwendet wird.
Die Grenzen zwischen „traditioneller Komposition“ und AK sind fließend. Jede Verwendung einer Regel bei der Komposition - sei es das Bluesschema oder der Kontrapunkt - könnte man streng genommen bereits als algorithmisch bezeichnen.
Inhaltsverzeichnis
Konzepte und Modelle
Neben Musiktheoretischen Erkenntnissen werden zahlreiche andere Wissensgebiete genutzt:
Neuronale Netze analysieren akustische und musikalische Daten.
Symbolische KI, ursprünglich eher für die Analyse und -synthese sprachlicher und mathematischer Ausdrücke entwickelt wird auf musikalische Strukturen angewendet.
Einfache Algorithmen erzeugen komplexe Strukturen.
Manuelle oder automatische Auswahlprozesse steuern eine künstliche Evolution.
- Statistik und Stochastik, (Markow-Ketten)
Kompositionen von z.B. J. S. Bach werden statistisch analysiert, um mittels Markow-Ketten „Bach-artige“ Musik zu erzeugen.
Die in der Folge der natürlichen Zahlen vorhandenen Strukturen werden „hörbar“ gemacht.
- Informationstheorie und Theorie der Komplexen Systeme
- Chaostheorie und Fraktale
- Kognitionswissenschaft
- Psychoakustik
Kriterien für eine Klassifizierung von Konzepten:
- Top-down oder Bottom-up (Mischformen üblich)
- Determiniert oder gesteuert durch Zufallszahlen (Mischformen üblich)
- Diskret oder Kontinuierlich
- Echtzeit oder Modellzeit
- Bei Echtzeit: Eingriff in den Kompositionsprozess möglich oder nicht?
Schritte
Die AK lässt sich sinnvoll in drei bis vier Schritte untergliedern, auch wenn sie in der Regel innerhalb eines Computers und sogar innerhalb eines Programms oder einer Programmierumgebung stattfinden:
- 1. Die Entwicklung des Programms
- 2 a) Die Wahl der Parameter dieses Programms
- 2 b) Die Wahl der Starteingabe
- 3. Die Umsetzung der von dem Programm erzeugten Daten in akustische Ereignisse.
Historisches
- 1660 entwickelte Athanasius Kircher seine Arca Musarithmetica, eine Komponiermaschine.
- 1757 erschien Johann Philipp Kirnbergers Allzeit fertiger Polonaisen- und Menuettenkomponist, eine Anleitung mittels zweier Würfel zu komponieren.
- um 1790 veröffentlicht auch Joseph Haydn solche Komponieranleitungen
- 1793 erschien postum W. A. Mozarts Anleitung zum Componieren von Walzern, die ein Bestseller wurde (→Musikalisches Würfelspiel).
- um 1960 schreibt der griechische Komponist Iannis Xenakis in der Sprache FORTRAN Programme, die Partituren erzeugen, welche mit traditionellen Instrumenten gespielt werden.
Programmiersprachen und Programmierumgebungen
- SoundHelix - freies Java-Framework für zufallsbasierte algorithmische Komposition, MIDI-basiert
- ChucK
- Common Music - Lisp-basiert
- OpenMusic - Lisp-basiert
- PWGL - Lisp-basiert - eine visuelle Programmiersprache für Algorithmische Komposition und Klangsynthese
- Symbolic Composer - Lisp-basiert
- Csound
- Max/MSP - graphische Echtzeit-Programmierumgebung für MIDI und Sound
- Pure Data - Open Source - Derivat von Max/MSP
- Mathematica - ein Computeralgebra - System, dessen Resultate auch sonifizierbar sind
- SuperCollider - an Smalltalk angelehnte, objektorientierte Sprache
- FractMus - Fractal Music Composition Software
Zeitgenössische Komponisten
- Autechre
- Clarence Barlow
- John Cage
- Charles Dodge
- Karlheinz Essl
- Lejaren Hiller
- Hanspeter Kyburz
- Gottfried Michael Koenig
- Paul Lansky
- Otto Laske
- Iannis Xenakis
Literatur
- Fred K. Prieberg: Musica Ex Machina Berlin 1960
- Hubert Kupper: Computer und musikalische Komposition. Braunschweig 1970
- Curtis Roads: The Computer Music Tutorial. MIT Press 1996
- Martin Supper: Computermusik. in: MGG — Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Kassel 1995, Sp. 967-982
- David Cope: Computer Models of Musical Creativity. MIT Press 2005, ISBN 978-0-262-03338-1
- Karlheinz Essl jun.: Algorithmic Composition. in: Cambridge Companion to Electronic Music, ed. by N. Collins and J. d'Escrivan, Cambridge University Press 2007, ISBN 978-0-521-68865-9
- Gerhard Nierhaus: Algorithmic Composition - Paradigms of Automated Music Generation. Springer 2008. - ISBN 978-3211755396
Weblinks
- Konzepte algorithmischer Komposition: Ein vergleichender Überblick: Bachelorarbeit von Stefan Lattner, 2009 (PDF-Datei; 1,8 MB)
- Algorithmische Komposition: Vorlesungsreihe von Gottfried Michael Koenig (TU Berlin, WS 2002/2003)
- Lexikon Sonate: algorithmischer Musikgenerator von Karlheinz Essl jun. (MacOS Download und Online-Version)
- Ad Lib Ido: algorithmische Komposition von Wilfried Satke auf der Grundlage einer Partie des Brettspiels Ido
- A Few Remarks on Algorithmic Composition von Martin Supper. Computer Music Journal 25.1 (2001) 48-53
- Wolfram Tones: Wolfram Mathematica Tones (Algorithmische Komposition als Web-Service)
Kategorien:- Musikalische Satzweise
- Neue Musik
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