Halifax-Explosion

Halifax-Explosion
Rauchwolke der Explosion vom Bedfordbecken aus gesehen

Die Halifax-Explosion war eine Katastrophe, die sich am Donnerstag, dem 6. Dezember 1917 in Halifax an der kanadischen Ostküste ereignete. Dabei kollidierte der französische Munitionsfrachter Mont Blanc mit dem norwegischen Schiff Imo. Bei der Kollision geriet die Mont Blanc in Brand und explodierte.

Bei dem Unglück wurden mindestens 1635 Personen getötet und viele Tausend weitere verletzt. Andere Quellen sprechen von ca. 2000 Todesopfern. Die Explosion war so gewaltig, dass sie eine Flutwelle und heftige Erderschütterungen auslöste, während die enorme Druckwelle Bäume entwurzelte, Eisenbahnschienen verbog und zahlreiche Gebäude zerstörte, deren Trümmer über hunderte von Metern weggeschleudert wurden.

Es handelte sich um eine der heftigsten nicht-nuklearen Explosionen der Geschichte und sie gilt als die weltweit größte unfallbedingte von Menschen verursachte Explosion[1]. An keinem anderen Tag zwischen dem Amerikanischen Sezessionskrieg und dem Terrorangriff auf das World Trade Center kamen auf dem nordamerikanischen Kontinent bei einem einzelnen von Menschen verursachten Ereignis so viele Menschen ums Leben.

Inhaltsverzeichnis

Die Sprengstoffe

Die Fracht der Mont Blanc bestand aus:

Die stärkste konventionelle Bombe, eine thermobarische Bombe der russischen Streitkräfte mit dem Backronym Vater aller Bomben, hat zum Vergleich eine Sprengkraft von ca. 44 t TNT-Äquivalent. Der über Hiroshima gezündete Sprengsatz „Little Boy“ eine von ca. 13.000 t.

Ablauf der Katastrophe

Halifax vor der Explosion von 1917
Das gestrandete Wrack der Imo, 6. Dezember 1917

Halifax war im vierten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs und nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg im April 1917 ein bedeutender Nachschubhafen im Nordatlantik mit entsprechend viel Schiffsverkehr. Die Imo war ein Versorgungsschiff der Alliierten und war aus Rotterdam eingetroffen; sie war ein Viermast-Dampfschiff der White Star Line für den Passagierverkehr, 146 m lang, und stand unter dem Kommando von Kapitän Haakon, während die Steuerung in der Hafenenge vom Lotsen William Hayes übernommen wurde. Der Frachter Mont Blanc, Baujahr 1899, gehörte der Compagnie Générale Transatlantique, war mit 111 m Länge kleiner als die Imo, und unterstand Kapitän Aimé Le Medec; Lotse war Francis Mackey.

Am Vormittag des Nikolaustags, gegen 7:30 Uhr Ortszeit, lief der französische Frachter aus, um sich einem Konvoi nach Europa anzuschließen, ohne die eigentlich vorgeschriebene Kennzeichnung gefährlicher Ladung mit roten Flaggen einzuhalten. Bei der Ausfahrt in der Enge des Hafens von Halifax kam die Mont Blanc der Imo entgegen; beide befanden sich in der rechten Fahrrinne, so dass Ausweichmanöver erforderlich wurden. Die Mont Blanc signalisierte, dass sie steuerbords ausweichen würde, allerdings behielt die Imo ihren Kurs. Als klar wurde, dass die Schiffe auf Kollisionskurs waren, schalteten beide Schiffe auf volle Kraft zurück, ein Zusammenstoß ließ sich aber nicht mehr vermeiden. Dieser war zwar im Prinzip nicht gravierend, die Funkenbildung durch den kollidierenden Stahl reichte aber aus, ein Benzol-Feuer an Bord der Mont Blanc zu entzünden. Die Mannschaft versuchte, sich zu retten, indem sie in das eiskalte Wasser des Hafenbeckens sprang. Auch die Imo drehte angesichts des sich rasant ausbreitenden Feuers schnellstmöglich ab. Einige der Matrosen der Mont Blanc, die sich an Land retten konnten, warnten die Stadtbevölkerung vor der sich anbahnenden Katastrophe, wobei es allerdings zu Verständigungsproblemen zwischen den französischen Seemännern und den englisch-sprechenden Kanadiern kam. Unterdessen brannte auf der führerlos zum Kai Nummer 6 im Norden von Halifax hintreibenden Mont Blanc der entzündete Treibstoff rund zwanzig Minuten vor sich hin, von manchen Schaulustigen am Kai bestaunt, die von der gefährlichen Fracht nichts ahnten.

Die Explosion des Schiffes erfolgte um 9:04:35 Uhr. Es entstand ein riesiger Feuerball. Zugleich wurde eine Flutwelle ausgelöst, die gemeinsam mit der Druckwelle dafür sorgte, dass weite Teile der Stadt in Sekundenschnelle praktisch völlig verwüstet wurden. Im Umkreis von 70 Kilometern gingen Scheiben zu Bruch, ein Kanonenrohr wurde fast einen Kilometer weit fortgeschleudert. Noch weiter flog ein Anker, der eine halbe Tonne wog. Die Explosion konnte sogar noch am Kap Breton gehört werden, das über 300 Kilometer nordöstlich von Halifax liegt. Rund zehn Minuten lang stand über dem Hafen eine pilzförmige Wolke aus Staub und Trümmern, aus der heraus es einen ölig-rußartigen Niederschlag gab.

Folgen

Zerstörtes Gebäude in Halifax

Das gesamte Stadtviertel Richmond war nahezu dem Erdboden gleichgemacht. 250 Leichen waren so stark verstümmelt, dass eine Identifizierung unmöglich war, viele blieben vermisst. 25 Personen mussten Glieder amputiert werden, 37 Menschen erblindeten als Folge der Katastrophe. Das Militär richtete Nothospitäler und provisorische Unterkünfte ein und übernahm anstelle der Zivilverwaltung die Kontrolle über die Stadt.

Unter den zahlreichen persönlichen Dramen des Unglückstages ist besonders die Geschichte von Vince Coleman zu erwähnen, der ungeachtet der Lebensgefahr zu seinem Telegrafenbüro zurückeilte und gerade noch rechtzeitig zwei sich nähernde Züge vor der drohenden Katastrophe warnte. Coleman kam bei der Explosion ums Leben, die Züge wurden am Stadtrand gestoppt und entgingen so dem Unglück.

Am Tag nach der Katastrophe traf ein Blizzard die Stadt, so dass Rettungs- und Aufräummaßnahmen stark behindert wurden. Hilfsmannschaften trafen aus den benachbarten Provinzen Neufundland, Prince Edward Island und New Brunswick ein. In den nächsten Tagen wurde für die Opfer und die Hinterbliebenen weltweit gespendet. Insbesondere das Rote Kreuz von Boston und das „Massachusetts Public Safety Committee“ leisteten wertvolle Hilfe, worauf die bis heute andauernde enge Städtefreundschaft zwischen Halifax und Boston beruht – alljährlich schenkt Halifax der Stadt Boston als Dank einen Weihnachtsbaum.

Zunächst war der überlebende Kapitän der Mont Blanc für das Unglück verantwortlich gemacht und vor Gericht gestellt worden, er wurde aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Die Explosion und ihre Folgen bildeten die Grundlage für mehrere Romane; am bekanntesten sind Barometer Rising von Hugh MacLennan und Burden of Desire von Robert MacNeil. Bei John Irving ist sie der Hintergrund eines Exkurses in Bis ich dich finde.

Zerstörungen in Halifax

Literatur

  • Bernd Grashoff: „Es können nur die Deutschen gewesen sein!“ Die Explosionskatastrophe von Halifax 1917. Sendung aus der Reihe radioZeitreisen im Bayerischen Rundfunk BR2 (7. Juli 2007, 13 Uhr 30).
  • Andreas Molitor: Der Tag, als Halifax verlosch. 1917 explodiert in dem kanadischen Hafen ein Munitionsschiff. Es wird zum Inferno für Tausende Menschen. Mare Nr. 68, Juni / Juli 2008

Film

  • Der Film "Shattered City: The Halifax-Explosion" von 2003 des Regisseurs Bruce Pittman stellt die Ereignisse außergewöhnlich gut und authentisch dar.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jay White, "Exploding Myths: The Halifax Explosion in Historical Context", Ground Zero: A Reassessment of the 1917 explosion in Halifax Alan Ruffman and Colin D. Howell editors, Nimbus Publishing (1994), S. 266

Weblinks

 Commons: Halifax Explosion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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