Aliskiren

Aliskiren
Strukturformel
Strukturformel von Aliskiren
Allgemeines
Freiname Aliskiren
Andere Namen
  • IUPAC: (2S,4S,5S,7S)-5-Amino-N-(2-carbamoyl-2- methylpropyl)-4-hydroxy-2-isopropyl-7- [4-methoxy-3-(3-methoxypropoxy)benzyl]- 8-methylnonanamid
  • Latein: Aliskirenum
Summenformel C30H53N3O6
CAS-Nummer 173334-57-1
PubChem 5493444
ATC-Code
DrugBank DB01258
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antihypertensiva

Wirkmechanismus

Renininhibitor

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 551,76 g·mol−1
Aggregatzustand

Feststoff

pKs-Wert

9,49 [1]

Löslichkeit

Wasser: > 350 g·l−1 (pH 7,4) [1]

Sicherheitshinweise
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
Keine Einstufung verfügbar
R- und S-Sätze R: siehe oben
S: siehe oben
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Aliskiren (Hersteller Novartis) wurde im März 2007 von der amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde (FDA) als erster Arzneistoff aus der Gruppe der oralen, direkten Reninhemmer zur Behandlung der Hypertonie zugelassen.[3] Der Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittelagentur wurde von Novartis im Herbst 2006 eingereicht. Basierend auf Daten von über 7.800 Patienten in 44 klinischen Studien hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) im Juni 2007 den Antrag auf Zulassung des Reninhemmers zur Behandlung der essentiellen Hypertonie positiv bewertet. Daraufhin hat die EU-Kommission am 22. August 2007 die Zulassung für die gesamte EU erteilt.[4] In der Schweiz wurde Aliskiren im Juni 2007 von Swissmedic zur Behandlung der essentiellen Hypertonie in der Abgabekategorie B zugelassen.[5]

Inhaltsverzeichnis

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Aliskiren wird oral appliziert und zur Behandlung der essentiellen Hypertonie entweder als Monopräparat oder in Kombination mit Diuretika oder ACE-Hemmern eingesetzt. Die Anwendung in der Pädiatrie und bei Jugendlichen unter 18 Jahren wurde nicht untersucht, und es liegen keine wissenschaftlichen Daten vor.

Art und Dauer der Anwendung

Die ungefähre Eliminationshalbwertszeit von Aliskiren beträgt 40 Stunden. Eine einmalige Einnahme pro Tag ist daher ausreichend. Der gewünschte antihypertensive Effekt wird sich bei den meisten Patienten (85–90 %) nach 2 Wochen Behandlung einstellen. Die Resorption des Arzneistoffs wird durch die Einnahme fettreicher Nahrung stark vermindert.

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Aliskiren ist kontraindiziert bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff sowie während der Schwangerschaft oder Stillzeit (siehe unten).

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Bei einer Komedikation mit dem harntreibenden Arzneistoff Hydrochlorothiazid kann eine zusätzliche Reduktion des Blutdruckes erreicht werden. Diese Kombination wird als Fertigpräparat Tekturna HCT® 150 mg/12,5 mg (mit 150 mg Aliskiren und 12,5 mg Hydrochlorothiazid) therapeutisch genutzt.[3]

Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit

  • Schwangerschaft: Aliskiren kann – wie alle Arzneistoffe, welche direkt am Renin-Angiotensin-Aldosteron-System agieren – schwerwiegende Wirkungen auf die Frucht im Mutterleib während der Fetogenese haben. Die Anwendung während der Schwangerschaft ist deshalb absolut kontraindiziert.
  • Stillzeit: Es ist nicht bekannt, ob Aliskiren oder seine Stoffwechselprodukte in die Muttermilch übergehen. Aliskiren wurde allerdings während der Laktation in der Milch von Ratten gefunden. Weil die Folgen und Nebenwirkungen beim Säugling unbekannt sind, muss sich die stillende Mutter überlegen, entweder das Arzneimittel zu nehmen oder sonst abzustillen.

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Aliskiren hat bei therapeutischer Dosierung ein geringes Nebenwirkungsprofil. Die häufigste unerwünschte Wirkung war Diarrhoe (Durchfall) und andere gastrointestinale Beschwerden. Gelegentlich wurden Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit, Infektionen der oberen Atmungsorgane, Rückenschmerzen, Husten und Hautausschläge beobachtet.

Pharmakologische Eigenschaften

Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)

Aliskiren ist ein neues Antihypertensivum, das im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ganz zu Beginn der Angiotensin-II-Biosynthese angreift. Es bindet direkt an die Protease Renin und verhindert dadurch die Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin I. Die bei ACE-Hemmern inkomplette Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems wird damit umgangen. Zugleich sinken auch die Angiotensin-II-Spiegel, die unter der Therapie mit AT1-Antagonisten (Sartane) steigen.[6]

Aufnahme und Verteilung im Körper (Pharmakokinetik)

Aliskiren wird nach oraler Einnahme schlecht resorbiert. Die orale Bioverfügbarkeit ist gering und beträgt etwa 2,6 %. Aliskiren hat eine Plasmahalbwertszeit von 40 Stunden. Die maximale Konzentration im Blutplasma Cmax wird in ein bis vier Stunden nach oraler Einnahme erreicht. Das Verteilungsvolumen beträgt 4,2 l/kg. Der steady-state wird bei kontinuierlicher Anwendung nach ca. 7–8 Tagen erreicht. Diese Eigenschaften von Aliskiren sind auch bei älteren Patienten, Diabetikern, Patienten mit renalen und hepatischen Funktionsstörung nicht verändert.

Toxikologie

Es stehen nur begrenzte Daten zur Überdosierung mit Aliskiren beim Menschen zur Verfügung. Der wahrscheinlichste Effekt ist eine Hypotonie (niedriger Blutdruck). Es steht kein Antidot zur Verfügung. Die Therapie besteht in der engmaschigen Überwachung der Vitalfunktionen.

Sonstige Informationen

Chemische und pharmazeutische Informationen

Es wird bei allen galenischen Formen das Salz der Fumarsäure, Aliskirenhemifumarat verwendet.

Beschreibung von Aliskirenhemifumarat[7]
Freiname Aliskirenhemifumarat
IUPAC-Nomenklatur (2S,4S,5S,7S)-N-(2-Carbamoyl-2-methylpropyl)-5-amino-4-hydroxy-2,7-diisopropyl-8-
[4-methoxy-3-(3-methoxypropoxy)phenyl]-octanamid-hemifumarat
Summenformel C32H55N3O8
ChemIDplus Aliskiren bei ChemIDplus
Molare Masse 609,80 g·mol−1
Löslichkeit Sehr leicht löslich in Wasser,
Gut löslich in Octanol und Phosphatpuffer
Aggregatzustand Festes, weißes bis hellgelbes kristallines Pulver, welches sehr hygroskopisch ist.

Geschichtliches

Die Forschung am RAAS, an Renin und den Reninhemmern ist eine mehr als dreißigjährige Geschichte. Die ersten Arzneimittel waren Peptide, welche – oral appliziert – schon im Verdauungstrakt vor ihrer Resorption zerstört wurden und eine maximale Bioverfügbarkeit von 0,5 % hatten. Das erste marktreife Präparat Pepstatin wurde bereits 1971 vorgestellt. Es hätte parenteral appliziert werden müssen, was kein Patient mit einer Hypertonie angesichts oraler Alternativen akzeptiert hätte. Außerdem waren die ersten Peptid-Reninhemmer nur sehr kurz wirksam, was wegen der mehrmals täglichen Applikation ebenfalls kein konkurrenzfähiges Medikament verheißt. Andere Präparate scheiterten an einer zu geringen Wirkung oder Problemen mit der Verträglichkeit.[8]

Diese Probleme scheinen nun mit Aliskiren weitgehend gelöst zu sein. Es handelt sich um einem nicht-peptidischen, oral wirksamen, direkten Reninhemmer zur Behandlung der arteriellen Hypertonie (hoher Blutdruck). Ciba-Geigy, heute Novartis, entdeckte Aliskiren und patentierte es 1996 unter der US Patent Nr. 5.559.111.[9] Die Firma Speedel, ein in Basel und Bridgewater (USA) angesiedeltes, Biopharmazie-Unternehmen, erwarb die Lizenz an SPP100 (Code-Name für Aliskiren während der Entwicklung) im Jahr 1999 von Novartis und führte in den Phasen I und II mit Erfolg 18 klinische Studien an ca. 500 Patienten sowie gesunden Probanden durch. Basierend auf den während dieses Programms generierten Ergebnissen, übte Novartis im Jahr 2002 eine ihr gewährte Rücklizenz aus und startete danach die klinischen Untersuchungen mit SPP100 in Phase III als Monotherapie gegen Bluthochdruck und in Phase IIb als Kombinationstherapie.

Nutzenbewertung/Stellenwert

Eine über eine Senkung des Blutdruckes hinausgehende positive Wirkung von Aliskiren auf Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse konnte bisher nicht gezeigt werden. Daten zur Sicherheit einer Langzeitbehandlung gibt es nicht. Der therapeutische Stellenwert ist daher fraglich.[10][11]

Handelsnamen

Monopräparate:

  • Enviage (A, GB)
  • Rasilez (D, A, CH)
  • Riprazo (A)
  • Sprimeo (A)
  • Tekturna (A, USA)

Kombinationspräparate:

Literatur

Allgemein

  • Hermann J. Roth: Medizinische Chemie : Targets und Arzneistoffe, Dt. Apotheker-Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7692-3483-9
  • Heinz Lüllmann, Klaus Mohr, Lutz Hein: Pharmakologie und Toxikologie. 16. Auflage. Thieme, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-368516-3.
  • W. Forth et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Urban & Fischer, München 2005, ISBN 3-437-42521-8.
  • Gerhard Thews: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. Wiss. Verlag-Ges., Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8047-2342-9
  • Patent US5559111.

Studien

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; ISBN 978-0-911910-00-1.
  2. In Bezug auf ihre Gefährlichkeit wurde die Substanz von der EU noch nicht eingestuft, eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. a b FDA Approves New Drug Treatment for High Blood Pressure
  4. Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht zu Rasilez®
  5. Zulassung von Aliskiren bei Swissmedic
  6. American Heart Association, Inc. Aliskiren, a Novel Orally Effective Renin Inhibitor, Provides Dose-Dependent Antihypertensive Efficacy and Placebo-Like Tolerability in Hypertensive Patients.
  7. Novartis – Tekturna® Prescribing Information
  8. W. Forth, D. Henschler, W. Rummel Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 9. Auflage, URBAN & FISCHER, München, 2005, Seite 458, ISBN 3-437-42521-8.
  9. Patent US5559111.
  10. Zieschang. Neue Entwicklungen in der Therapie des Bluthochdrucks: Renininhibitoren. AVP 2007(34)1:27.
  11. KBV. Wirkstoff aktuell 01/2008.
  12. Rote Liste, Stand: August 2009.
  13. AM-Komp. d. Schweiz, Stand: August 2009.
  14. AGES-PharmMed, Stand: August 2009.
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