Hanns Elard Ludin

Hanns Elard Ludin

Hanns Elard Ludin (* 10. Juni 1905 in Freiburg im Breisgau; † 9. Dezember 1947 in Bratislava), SA-Obergruppenführer, war in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1941 als Repräsentant des Deutschen Reichs bei der Tiso-Regierung der (ersten) Slowakischen Republik neben vielen anderen Maßnahmen auch an der Deportation der slowakischen Juden beteiligt. Er wurde als verurteilter Kriegsverbrecher hingerichtet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ludin wurde als einziger Sohn des Gymnasialprofessors Friedrich Ludin und dessen Frau Johanna, einer Malerin, geboren. Im Elternhaus kaisertreu, religiös und deutsch-national erzogen, trat er 1924 nach seinem Abitur in die Reichswehr ein. Am 1. Dezember 1927 wurde er zum Leutnant befördert. Am 10. März 1930 wurde er zusammen mit Leutnant Scheringer und Oberleutnant Wendt, alle aus dem Artillerieregiment 5 in Ulm, wegen „des Versuchs einer nationalsozialistischen Zellenbildung innerhalb der Reichswehr“ verhaftet. Im Ulmer Reichswehrprozess wurden alle drei am 7. Oktober 1930 zu je 18 Monaten Festungshaft verurteilt. Ludin wurde in die Festungshaftanstalt Rastatt eingeliefert. Im Juni 1931 wurde er begnadigt. Danach trat er in die NSDAP ein, während sich der Freund Scheringer nach seiner Entlassung aus der Festungshaft zum Kommunismus bekannte, der kommunistischen Partei jedoch erst im Herbst 1945 beitrat.

Von Juli 1932 bis Kriegsende nahm Ludin ein Mandat als Reichstagsabgeordneter wahr. Ab 1. April 1933 war er Führer in der SA-Gruppe Südwest (Führer des SA-Gau-Sturms Baden). Während des sogenannten Röhm-Putsches 1934, bei dem Adolf Hitler fast die gesamte SA-Führung eliminieren ließ, wurde Ludin verhaftet. Nur wenige höhere SA-Führer überlebten, so auch Ludin, der von Hitler persönlich begnadigt wurde. 1937 wurde er zum SA-Obergruppenführer befördert. Von 1939 bis 1940 diente er in der Wehrmacht und nahm in Frankreich am Zweiten Weltkrieg teil. Von Januar 1941 bis April 1945 wirkte er als Repräsentant Deutschlands mit dem Titel „Gesandter I. Klasse und Bevollmächtigter Minister des Großdeutschen Reiches“ in der nur formell unabhängigen Slowakei. Mit seiner Familie residierte er in der arisierten Pressburger Villa des slowakischen jüdischen Fabrikanten Stein.

Als Spitzenvertreter des Deutschen Reichs war Ludin maßgeblich an der Deportation slowakischer Juden im Rahmen des Holocausts beteiligt. Er war damit für den Tod von über 60.000 Slowaken mit verantwortlich. Vor den anrückenden sowjetischen Truppen floh Ludin im April 1945 mit seiner Familie aus Pressburg in Richtung Westen. Bei Kriegsende wurde er von US-amerikanischen Truppen im Österreichischen Stift Kremsmünster festgenommen und kam ins amerikanische Kriegsgefangenenlager Natternberg in Bayern. Hier lernte ihn Ernst von Salomon kennen, der später die Begegnungen mit Ludin in seinem Buch Der Fragebogen beschrieb.

1946 wurde Ludin von den USA als Kriegsverbrecher an die Tschechoslowakei ausgeliefert und vom Gerichtshof in Bratislava 1947 zum Tode verurteilt. Der fünfte von 27 Anklagepunkten bezog sich auf seine Mitwirkung an den Judendeportationen. Am 9. Dezember 1947 wurde er in Bratislava durch Strangulation hingerichtet. Seine letzten Worte bezogen sich auf seine Familie und „Es lebe Deutschland“.

Familie

Hanns Ludin war mit Erla von Jordan (1905 – 1997) verheiratet, gemeinsam hatten sie vier Töchter und zwei Söhne: Erika (1933 – 1997), Barbara (* 1935), Ellen (* 1937), Tilman (1939 – 1999), Malte (* 1942) und Andrea (* 1943). Sohn Malte Ludin ist Regisseur in Berlin. 2005 brachte er einen Dokumentarfilm über seine Familie heraus; der „2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“ betitelte Film enthält Interviews mit seiner Mutter und drei Schwestern über die Taten von Hanns Ludin.

Filme

  • Christian Geissler: Die Frau eines Führers, NDR 1978
  • Karl Gass: Der Leutnant von Ulm, DEFA-Studio für Dokumentarfilme 1978
  • Malte Ludin: 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß, Dokumentation, 85 Min., Produktion: SvarcFilm 2004

Literatur

  • Peter Bucher: Der Reichwehrprozess. Der Hochverratsprozess der Ulmer Reichswehroffiziere. Boppard am Rhein 1967
  • Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Berlin 1982, ISBN 3-88395-431-4
  • Peter Longerich u.a. (Hrsg.): Die Ermordung der europäischen Juden. Eine umfassende Dokumentation des Holocaust. München 1989, ISBN 3-492-11060-6
  • Christopher Browning, in: Enzyklopädie des Holocaust, Bd. 2, München/Zürich 1998, ISBN 3-492-22700-7
  • Peter Longerich: Geschichte der SA. München 2003, ISBN 3-406-49482-X
  • Susanne Römer; Hans Coppi (Hrsg.); Vorwort von Prof. Dr. Peter Steinbach: AUFBRUCH (Reprint). Fölbach Verlag, Koblenz 2001, ISBN 3-923532-70-9
  • Ernst von Salomon: Der Fragebogen. Hamburg 1951, ISBN 3-499-10419-9
  • Richard Scheringer: Das große Los. Hamburg 1959, ISBN 3-87682-840-6
  • Alexandra Senfft: Schweigen tut weh. Eine deutsche Familiengeschichte. Claassen Verlag 2007, ISBN 978-3-546-00400-8 (Seine Enkelin Alexandra Senfft schrieb das Leben ihrer Mutter, Erika Senfft geb. Ludin auf. Schweigen tut weh erschien 2007 und wirft einen Blick auf das Leben so genannter „Täterkinder“ und unterschiedliche innerfamiliäre Verarbeitungsformen.)
  • Tatjana Tönsmeyer: Das Dritte Reich und die Slowakei 1939-1945, Paderborn u.a. 2003, ISBN 3-506-77532-4
  • Otto-Ernst Schüddekopf: Nationalbolschewismus in Deutschland, Frankfurt/M.-Berlin-Wien 1972 (=Ullstein 2996), ISBN 3-548-02996-5

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hanns Ludin — Hanns Elard Ludin Hanns Elard Ludin (* 10. Juni 1905 in Freiburg im Breisgau; † 9. Dezember 1947 in Bratislava), SA Obergruppenführer, war in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1941 als Repräsentant des Deutschen Reichs bei der Tiso Regierun …   Deutsch Wikipedia

  • Elard — ist der Vorname folgender Personen: Hanns Ludin (Hanns Elard Ludin) Elard Hugo Meyer (1837–1908), deutscher Lehrer und Indogermanist Elard von Oldenburg Januschau (1855–1937), deutscher Großagrarier, Lobbyist und Reichstagsabgeordneter Elard… …   Deutsch Wikipedia

  • Hanns Ludin — Hanns Elard Ludin (June 10, 1905 December 9, 1947) was a German diplomat.Born in Freiburg to Friedrich and Johanna Ludin, Ludin began his Nazi affiliation in 1930 by joining the party, and was arrested for his political activities the same year.… …   Wikipedia

  • Vojtech Tuka — als Stellvertretender Ministerpräsident der Slowakei im März 1939 Vojtech Tuka (deutsch: Adalbert Tuka, ungarisch: Béla Tuka[1]; * 4. Juli 1880 in Štiavnické Bane, Österreich Ungarn; † 20. Au …   Deutsch Wikipedia

  • Judenkodex — Der Judenkodex (slowakisch Židovský kódex) war ein am 9. September 1941 erlassener Regierungsbeschluss der Regierung Tuka in der Ersten Slowakischen Republik. Dabei handelte es sich um ein slowakisches Pendant der Nürnberger Gesetze. Im… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Lu — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler — Mit Machtergreifung oder Machtübernahme wird seit der Zeit des Nationalsozialismus insbesondere im deutschen Sprachgebrauch die Übertragung der Regierungsgewalt in Deutschland auf die Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers und die… …   Deutsch Wikipedia

  • Ernennung Hitlers zum Reichskanzler — Mit Machtergreifung oder Machtübernahme wird seit der Zeit des Nationalsozialismus insbesondere im deutschen Sprachgebrauch die Übertragung der Regierungsgewalt in Deutschland auf die Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers und die… …   Deutsch Wikipedia

  • Machterschleichung — Mit Machtergreifung oder Machtübernahme wird seit der Zeit des Nationalsozialismus insbesondere im deutschen Sprachgebrauch die Übertragung der Regierungsgewalt in Deutschland auf die Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers und die… …   Deutsch Wikipedia

  • Machtübergabe — Mit Machtergreifung oder Machtübernahme wird seit der Zeit des Nationalsozialismus insbesondere im deutschen Sprachgebrauch die Übertragung der Regierungsgewalt in Deutschland auf die Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers und die… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”