- Israel Jacobson
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Israel Jacobson (* 17. Oktober 1768 in Halberstadt; † 14. September 1828 in Berlin) war ein Reformer des jüdischen Gottesdienstes, Mitgründer der pädagogischen Reformbewegung im deutschsprachigen liberalen Judentum und einer der bedeutendsten Wegbereiter jüdischer Emanzipation in Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Beruflicher Erfolg
Jacobson war Sohn von Israel Jacob (1729−1803) eines Kaufmanns, der Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde in Halberstadt und der Orthodoxie verbunden war. Da die Ausbildung an der öffentlichen Schule in Halberstadt ungenügend war, besuchte er hauptsächlich jüdische religiöse Schulen. Hier wurde er zunächst orthodox erzogen. Nach dem Wunsch seines Vaters sollte er Rabbiner werden. Unter dem Einfluss von Moses Mendelssohn entwickelte er sich zu einem der bedeutendsten Vertreter eines aufgeklärten, assimilationsbereiten Reformjudentums. Die traditionelle Ausbildung zum Rabbiner brach er zugunsten autodidaktischer, aufgeklärter Studien ab. In Braunschweig gründete er ein Handelshaus, in Seesen eine Tabakwarenfabrik.
Im Alter von 19 Jahren verlobte er sich mit Minna Samson (* 22. Dezember 1767; † 4. Februar 1819), Tochter des braunschweigischen Hofbankiers („Kammeragent“) Herz Samson (* 1738; † 1794)[1] und übernahm nach dem Tod seines Schwiegervaters sowohl dessen Geschäft als auch dessen Aufgabe als Landrabiner des braunschweigischen Weserdistrikts.
Als Bankier war er sehr erfolgreich und agierte bald über die Grenzen des Herzogtums Braunschweig hinaus als badischer Hofagent, hessen-darmstädtischer Kommerzienrat und mecklenburg-schweriner Finanzrat. Er befreundete sich mit Karl II. Wilhelm Ferdinand, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Fürst von Wolfenbüttel. Nach der Gründung des Königreichs Westphalen unter Jérôme Bonaparte, dem jüngsten Bruder des Kaisers Napoleon I., leistete er auch diesem Staat hohe Vorschüsse. Da dieser die Kredite nicht zurückzahlen konnte, wurde Jacobson mit Gütern aufgelöster Klöster und Niederlassungen des Deutschen Ordens entschädigt.
Mäzenatentum
Hartem Geschäftsgebaren stand großzügiges Mäzenatentum gegenüber: 1801 errichtete er in Seesen eine Schule, in der 40 jüdische und ab 1805 auch 20 christliche Kinder bei freier Kost und Unterkunft gemeinsam unterrichtet wurden – die erste Simultanschule Deutschlands. Jacobsons Schule wurde weithin berühmt, und Hunderte von Schülern aus der Region erhielten dort eine Ausbildung. Während der 100 Jahre ihres Bestehens stand die Ausbildungsstätte in jedem Bereich der pädagogischen Arbeit an vorderster Stelle. Jacobson bemühte sich stets um die Förderung des Verständnisses zwischen Juden und Christen und unterstützte Bedürftige beider Konfessionen. 1810 erbaute er auf dem Schulgelände eine Synagoge, die er mit einer Orgel ausstattete, was innerhalb des Judentums eine Neuigkeit darstellte. Neben hebräischen Gebeten führte er auch deutschsprachige Gebete und Predigten ein.
Politische Wirkung
In den Territorien, in denen er durch Finanzgeschäfte zu Einfluss gelangt war, setzte er sich mit Nachdruck für die Beseitigung der die jüdische Glaubensgemeinschaft diskriminierenden Bestimmungen ein. Seinem Einfluss ist es zu verdanken, dass der Leibzoll, eine jahrhundertealte Judensteuer, 1803 im herzoglich braunschweig-lüneburgischen Fürstentum Wolfenbüttel abgeschafft wurde. 1804 erhielt er dort die vollen Untertanenrechte, 1805 das städtische Bürgerrecht und im Jahr 1807 die Ehrendoktorwürde der Universität Helmstedt. Sein Einsatz galt zunächst Braunschweig und Baden, ganz besonders aber dann dem Königreich Westphalen. 1806 richtete er eine Denkschrift zur Verbesserung des jüdischen Erziehungswesens an Kaiser Napoleon.
Als im Königreich Westphalen 1808 die jüdische Glaubensgemeinschaft (ca. 19.000 Personen) rechtlich den christlichen Kirchen gleichgestellt wurde, erhielt auch sie – analog zu den Kirchen der Reformation – ein israelitisches Konsistorium wie in den französischen Ländern als zentrale Aufsichts- und Verwaltungsbehörde. Israel Jacobson wurde ihr Präsident.[2] Hier konnte er seine Vorstellungen zu einem aufgeklärten, assimilierten Judentum in die politische Praxis umsetzen. Er war inzwischen in die Residenz Kassel umgezogen. Als Präsident des jüdischen Konsistoriums eröffnete er ein Gebetshaus in Kassel, dessen Ritus demjenigen in Seesen ähnlich war, und förderte die Errichtung eines Seminars zur Ausbildung jüdischer Lehrer.
Darüber hinaus wurde er mit 135 von 165 abgegebenen Stimmen als Abgeordneter der Kaufleute und Fabrikanten des Oker-Departements in die Reichsstände, das Parlament des Königreichs Westphalen gewählt. Auch wurde er 1812 zum Ritter des Ordens der Westphälischen Krone ernannt.
Lebensabend
Nach dem Sturz Jérôme Bonapartes lebte Jacobson seit 1813[3] in Berlin und wurde Mitglied der Gesellschaft der Freunde. Hier wurde er seitens der Orthodoxie stark angefeindet. Im Frühjahr 1815 richtete er in seinen Wohnräumen eine Privatsynagoge nach reformiertem Ritus ein. Gegen Ende des Jahres wurde die Synagoge in das Haus des Zuckerproduzenten und Bankiers Jacob Herz Beer, Vater des Komponisten Giacomo Meyerbeer, verlegt. Prediger waren u. a. Eduard Kley, Leopold Zunz und Isaak Levin Auerbach. Doch die preußische Regierung, die sich an Jacobsons französische Sympathien erinnerte und bei der sich auch orthodoxen Juden beschwerten, untersagte 1823 die Gottesdienste.
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Israel Jacobson Jeanette Leffmann (1801−1874) aus einer Hannoveraner Bankiersfamilie. Er starb im Jahre 1828 in Berlin und wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee begraben.
Ferdinand Jacobson war sein Sohn.
Israel-Jacobson-Preis
Seit 2001 vergibt die Union progressiver Juden in Deutschland den Israel-Jacobson-Preis. Der undotierte Preis wird alle zwei Jahre verliehen, um herausragende Persönlichkeiten des liberalen Judentums zu würdigen, die sich im Geist Israel Jacobsons um ein lebendiges Judentum der Moderne verdient gemacht haben.
Preisträger:
- 2001 Walter Homolka, Rabbiner
- 2003 Uri Regev, Rabbiner
- 2005 Walter Jacob, Rabbiner
- 2007 Henry G. Brandt, Rabbiner; Ernst Ludwig Ehrlich, Judaist und Historiker; William Wolff, Landesrabbiner
- 2010 Ruth Cohen, Ehrenpräsidentin der European Union for Progressive Judaism
Literatur
- Rolf Ballof, Joachim Frassl (Hrg.): Die Jacobson-Schule - Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der Jacobson-Schule in Seesen. Selbstverlag Jacobson-Gymnasium. Seesen 2001.
- Hartmut Bomhoff: Israel Jacobson - Wegbereiter jüdischer Emanzipation. Berlin: Hentrich & Hentrich Verlag, 2010, ISBN 9783942271035
- Hans-Heinrich Ebeling: Die Juden in Braunschweig. Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte von den Anfängen der Jüdischen Gemeinde bis zur Emanzipation (1282–1848).In: Braunschweiger Werkstücke. Band 65. Braunschweig 1987.
- Jochen Lengemann: Biographisches Handbuch der Reichsstände des Königreichs Westphalen und der Ständeversammlung des Großherzogtums Frankfurt. Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-458-16185-6, S. 150-151
- Jochen Lengemann: Israel Jacobson. In: König Lustik!? - Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen. [Ausstellungskatalog] München 2008, Katalog Nr. 297.
- Bernd-Wilhelm Linnemeier: Israel Jacobson. In: König Lustik!? - Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen. [Ausstellungskatalog] München 2008, Katalog Nr. 414.
- Jacob R. Marcus: Israel Jacobson - The Founder of the Reform Movement in Judaism. Hebrew Union College Press. Cincinnati 1972. ISBN 0-87820-000-2
- Hans-Joachim Schoeps: Jacobson, Israel. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, S. 248 f.
- Berthold Stern: Jacobson, Israel. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 619.
- Jeannette Strauss Almstad / Matthias Wolfes: Israel Jacobson. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 18, Herzberg 2001, ISBN 3-88309-086-7, Sp. 711–717.
Einzelnachweise
- ↑ Horst-Rüdiger Jarck (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon 8. bis 18. Jahrhundert, Braunschweig 2006, S. 345
- ↑ Der neu-israelitische Tempel in Hamburg. in: Illustrirte Zeitung Leipzig 1845 Nr. 82, IV.Band, Seite 55,56.
- ↑ Nach anderen Angaben seit 1814.
Weblinks
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