Hessische Normalform

Hessische Normalform
Darstellung von Normale und Abstand der hesseschen Normalform

Die hessesche Normalform (Hesse-Normalenform), benannt nach Ludwig Otto Hesse, ist in der analytischen Geometrie eine Gleichung, die eine Ebene (E) im euklidischen Raum \mathbb{R}^3 oder eine Gerade (g) im \mathbb{R}^2 beschreibt und hauptsächlich für Abstandsberechnungen verwendet wird. In vektorieller Schreibweise lautet sie

{\vec r \cdot \vec n_0 - d = 0}.

Ein Punkt P, der in einem gegebenen Koordinatensystem den Ortsvektor \vec r hat, liegt genau dann in der Ebene E (auf der Geraden g), wenn diese Gleichung erfüllt ist.

Dabei steht \vec n_0 für den normierten Normalenvektor (Normaleneinheitsvektor) von E bzw. g, der vom Koordinatenursprung zur Ebene bzw. Geraden zeigt. d \ge 0 ist der Abstand der Ebene (der Geraden) vom Ursprung des Koordinatensystems. Das Multiplikationszeichen \cdot drückt ein Skalarprodukt aus.

Inhaltsverzeichnis

Herleitung/Berechnung aus der Normalgleichung

Vorbemerkung: Aus Gründen der Einfachheit ist im Folgenden jeweils von einer Ebene die Rede. Die Überlegungen lassen sich aber auf den Fall einer Geraden übertragen.

In der Normalgleichung

({\vec r -\vec a)\cdot \vec n = 0},

ist die Ebene durch einen Normalenvektor \vec n sowie einen beliebigen Ortsvektor \vec a eines Punktes A \in E gegeben. Die Richtung von \vec n sei so gewählt, dass

\vec a\cdot \vec n \geq 0 ist.

Indem man \vec n durch seinen Betrag | \vec n | dividiert, erhält man den normierten Normalenvektor

\vec n_0 = {{\vec n} \over {| \vec n |}}

und es gilt

(\vec r -\vec a)\cdot \vec n_0 = 0.

Indem man

d = \vec a\cdot \vec n_0 > 0

berechnet, erhält man die hessesche Normalform

{\vec r \cdot \vec n_0 - d = 0}.
bild:Ebene Hessesche Normalform.PNG

d ist hierin der Abstand vom Ursprung. Da \vec r \cdot \vec n_0 = d für jeden Punkt der Ebene gilt, gilt es insbesondere auch für den Punkt Q (Fußpunkt des Lotes vom Ursprung auf die Ebene E) mit \vec r = \vec r_s. Dann ist nach Definition des Skalarproduktes

d = \vec r_s \cdot \vec n_0 = |\vec r_s| \cdot |\vec n_0| \cdot \cos(0^\circ) = |\vec r_s| \cdot 1 = |\vec r_s|.

Der Betrag |\vec r_s| von {\vec r_s} ist aber der Abstand der Ebene vom Ursprung.

Berechnung aus drei Ortsvektoren über ein Gleichungssystem

Sind die Ortsvektoren \vec a, \vec b und \vec c von drei Punkten A, B und C der Ebene gegeben, die nicht auf einer Geraden liegen, und will man daraus die hessesche Normalform berechnen, wertet man die folgenden Gleichungen aus:

(\vec b - \vec a) \cdot \vec n = 0 ,
(\vec c - \vec a) \cdot \vec n = 0 .

Dieses Gleichungssystem wird erst dadurch eindeutig lösbar, dass man als zusätzliche Bedingung die Normierung

|\vec n| = 1 ,

also

\sqrt{n_1^2 + n_2^2 + n_3^2} = 1\ \Rightarrow \ n_1^2 + n_2^2 + n_3^2 = 1

verlangt. Einfacher ist es, den übrig behaltenen Freiheitsgrad, nämlich den Betrag (die l2-Norm) |\vec n| des Vektors \vec n zunächst beliebig zu wählen und dann zu normieren, indem man \vec n durch |\vec n| dividiert.

Beispiel

\vec a = \begin{pmatrix}-1 \\ 1 \\ 1 \end{pmatrix}; \quad
\vec b = \begin{pmatrix}-2 \\ 0 \\ 2 \end{pmatrix}; \quad
\vec c = \begin{pmatrix}-3 \\ 2 \\ 1 \end{pmatrix}.
\vec b - \vec a = \begin{pmatrix}-2 \\ 0 \\ 2\end{pmatrix} - \begin{pmatrix}-1 \\ 1 \\ 1 \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} -1 \\ -1 \\ 1 \end{pmatrix}
\vec c - \vec a =  \begin{pmatrix}-3 \\ 2 \\ 1 \end{pmatrix} - \begin{pmatrix}-1 \\ 1 \\ 1 \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} -2 \\ 1 \\ 0 \end{pmatrix}

Zu lösen ist folgendes Gleichungssystem:

n1n2 + n3 = 0
− 2n1 + n2 = 0
\sqrt{n_1^2 + n_2^2 + n_3^2} = 1

Lösung:

\vec n = \frac{1}{\sqrt{14}} \begin{pmatrix}1 \\ 2 \\ 3 \end{pmatrix}
d = \vec a \cdot \vec n = \begin{pmatrix}-1 \\ 1 \\ 1 \end{pmatrix} \cdot \frac{1}{\sqrt{14}} \begin{pmatrix}1 \\ 2 \\ 3 \end{pmatrix} = \frac{(-1) \cdot 1 + 1 \cdot 2 + 1 \cdot 3}{\sqrt{14}} = \frac{4}{\sqrt{14}}

Hessesche Normalform:

\frac {\left(\vec r \cdot \begin{pmatrix}1 \\ 2 \\ 3 \end{pmatrix}\right) - 4}{\sqrt{14}} = 0

Berechnung über das Kreuzprodukt

Ein anderer Weg zur Berechnung des Normalenvektors führt über das Kreuzprodukt der beiden Richtungsvektoren. Man erhält in diesem Falle ein eindeutiges Ergebnis

\vec n = (\vec b - \vec a) \times (\vec c - \vec a),

wobei man aber auch hier im Allgemeinen \vec n noch normieren muss:

\vec n_0 = {{\vec n} \over {| \vec n |}} .

Nun gilt:

  • d = |\vec a| \cdot \cos \phi
  • \vec a \cdot \vec n = |\vec a| \cdot |\vec n| \cdot \cos \phi (Definition des Skalarprodukts)
  • Da \vec n_0 auf die Länge 1 normiert ist, kann man schreiben: \vec a \cdot \vec n_0 = |\vec a| \cdot 1 \cdot \cos \phi = |\vec a| \cdot \cos \phi = d.

Also ergibt sich aus d = \vec a  \cdot \vec n_0 schließlich wieder der Abstand der Ebene zum Nullpunkt. Diese Abstandsberechnung ist ein wichtiges Anwendungsgebiet der hesseschen Normalform.

Anwendung zur Abstandsberechnung

Allgemein erhält man den Abstand s eines beliebigen Punktes P von der Ebene E, indem man den Ortsvektor \vec p von P für \vec r in die linke Seite der hesseschen Normalform einsetzt:

{s = \vec p\cdot \vec n_0 - d}

Ist s < 0, so liegt P in demselben Halbraum von E wie der Ursprung, bei positivem Vorzeichen von s hingegen im anderen Halbraum.

Verallgemeinerung

Die hessesche Normalform (nicht aber die Berechnung über das Kreuzprodukt) kann man ganz allgemein zur Beschreibung (n-1)-dimensionaler Hyperebenen im n-dimensionalen Raum verwenden.

Siehe auch


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