Homomahnmal

Homomahnmal
Frontansicht des Denkmals

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen ist eine Gedenkstätte am Berliner Tiergarten, die am 27. Mai 2008 eingeweiht wurde.

Inhaltsverzeichnis

Gestaltung

Das von dem dänisch-norwegischen Künstlerduo Michael Elmgreen und Ingar Dragset entworfene Denkmal ist ein 3,60 Meter hoher und 1,90 Meter breiter Betonquader, in dem ein Fenster eingelassen ist, durch das ein kurzer Film mit zwei einander küssenden Männern zu sehen ist. Bei dem Werk handelt es sich um das dritte vollplastische Mahnmal dieser Art in Deutschland nach dem Frankfurter Engel (1994) und dem Kölner Rosa Winkel (1995). Die Errichtung des Denkmals wurde im Zuge der Diskussion über die Gestaltung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas im Jahr 2003 vom Deutschen Bundestag beschlossen.

Am Denkmal befindet sich eine Gedenktafel in deutscher und englischer Sprache, die auch an das Fortdauern der Verfolgungen in der Bundesrepublik und der DDR erinnert.

Geschichte

Eröffnung des Denkmals am 27. Mai 2008

Die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus blieben aus dem öffentlichen Gedenken in Deutschland lange Zeit ausgespart. Ein Umdenken in der Erinnerungspolitik setzte erst 1985 mit der Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Kriegsendes ein, in der erstmals auch die bislang verschwiegenen Verfolgtengruppen in das Gedenken einbezogen wurden. Die 1993 gegründete Initiative Der homosexuellen NS-Opfer gedenken und der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) setzen sich gemeinsam für ein Denkmal des Bundes für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen ein.

Proteste nach dem ersten Anschlag auf das Mahnmal

Erst 2002[1] erfolgte die gesetzliche Rehabilitierung der Opfer des Homosexuellen-Paragraphen 175 aus der NS-Zeit durch die Regelungen des NS-Unrechtsaufhebungsgesetzes. Der Deutsche Bundestag beschloss am 12. Dezember 2003, ein Denkmal in Berlin-Mitte zu errichten. Die Einweihung des Denkmals am 27. Mai 2008, der unter anderem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der Kulturstaatsminister Bernd Neumann beiwohnten, stieß auf ein großes Medieninteresse.

Wettbewerb

Gedenktafel
Videosequenz des Denkmals

Zur Umsetzung des Bundestagsbeschlusses fand ein Kunstwettbewerb statt. Dieser wurde vom Land Berlin im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland organisiert. Ein Preisgericht kürte im Jahr 2006 aus 17 Einsendungen einen Entwurf des in Berlin lebenden dänisch-norwegischen Künstlerduos Michael Elmgreen und Ingar Dragset zum Wettbewerbssieger.

In einem öffentlichen Kolloquium, das der inhaltlichen Vorbereitung des Kunstwettbewerbs diente, hatte der LSVD als Position formuliert:

„Die Praxis der Nazis gegenüber homosexuellen Frauen und homosexuellen Männern war sehr unterschiedlich. Für das Gelingen des Denkmals müssen diese Unterschiede gewusst werden. Gleichzeitig ist aber zu vermeiden, dass das Denkmal ausschließenden Charakter bekommt, lesbische Frauen sich vielleicht nicht angesprochen fühlen.“

Das Denkmal soll gemäß Bundestagsbeschluss die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wach halten und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen.

Diskussion

An dem Entwurf kam Kritik von Seiten des LSVD auf, weil er bei der Mahnung an die Zukunft die Lesben nicht angemessen berücksichtigte. Der LSVD-Vertreter im Preisgericht hatte aus diesem Grund auch für einen anderen Wettbewerbsbeitrag gestimmt. Er formulierte:

„Lesbische Beziehungen wurden nicht strafrechtlich verfolgt. War den Nazis die Homosexualität inhaftierter Frauen bekannt, bedeutete das dennoch verschärfte Bedrohung. Insgesamt ist aber die Situation lesbischer Frauen im Nationalsozialismus „kaum mit eindeutigen Verfolgungskriterien zu belegen“ (Dr. Claudia Schoppmann, Vortrag im vorbereitenden Kolloquium für den Kunstwettbewerb zum Denkmal, 2005). Schwule und Lesben erlebten aber gemeinsam die Zerschlagung ihrer Infrastruktur durch die Nazis. Lesben lebten eingeschüchtert und waren in ihren Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. (…) Durch die derzeit geplante Darstellung entsteht der Eindruck, das Mahnmal beziehe sich ausschließlich auf schwule Männer. Das Denkmal soll auch ein Lernen aus der Geschichte im Sinne eines „Nie wieder“ symbolisieren. Gerade für die Aufgabe, gegenwartsbezogen ein Zeichen gegen Ausgrenzung zu setzen, dürfen Lesben nicht unsichtbar bleiben – genau dies ist nach dem geplanten Entwurf jedoch der Fall. Es ist keinesfalls ausreichend, Lesben im Rahmen einer zusätzlichen Information zu berücksichtigen; sie müssen vielmehr integrativer Teil der künstlerischen Darstellung sein.[2]

Am 28. August 2006 führte der LSVD zu diesem Thema in Berlin eine Diskussionsveranstaltung mit den Künstlern durch. Kurz vor der Veranstaltung protestierte EMMA mit einem Aufruf dagegen, „dass das geplante Homo-Denkmal in Berlin ausschließlich männliche Homosexuelle zeigt“ und fordert, „dass auch die weiblichen Homosexuellen angemessen berücksichtigt werden.“

Die Künstler entgegneten auf den scharfen Protest mit einer Erklärung unter dem Titel Ein Porträt ist keine Repräsentation. Sie wiesen die Intention des Ausschlusses weit von sich und gaben zu bedenken: „Ein Denkmal ist eine Form künstlerischen Ausdrucks und das Resultat persönlicher Interpretation – dies macht es zum Kunstwerk.“ Sie erklärten ihren „Entschluss, das Bild zweier küssender Jungs zu nehmen[,] … [damit], dass wir Machismus und Homophobie als eng verbunden betrachten. Das Selbstbild einer männlichen Sexualität, das alles fürchtet, was es potentiell bedrohen könnte.“

Die Strafrechtsprofessorin Monika Frommel sagte zum Streit um das Mahnmal für die homosexuellen Opfer der NS-Zeit gegenüber der taz: „Ignoriert zu werden, wie die lesbischen Frauen durch die Nationalsozialisten, mag kränkend sein, ist aber keine Tragödie – und erst recht keine Verfolgung. Das Mahnmal sollte nur den schwulen Männern gewidmet sein.“

Die Mitgliederversammlung des LSVD Berlin-Brandenburg sprach sich in einer Resolution vom 28. Oktober 2006 dafür aus, das Denkmal „im Sinne des Bundestagsbeschlusses vom 12. Dezember 2003, den historischen Tatsachen gerecht werdend, in Form des im künstlerischen Wettbewerb am 25. Januar 2006 preisgekrönten Entwurfs von Michael Elmgreen und Ingar Dragset“ zu verwirklichen. Der LSVD-Landesverband wandte sich damit gegen eine Veränderung des preisgekrönten Entwurfs zugunsten einer wie auch immer gearteten Einbeziehung lesbischer Frauen.[3]

Gegen die „Verzerrung der Vergangenheit für gegenwärtige Zwecke – und mag sie noch so gut gemeint sein –“ wandten sich auch die Leiter der KZ-Gedenkstätten in einer Erklärung vom 19. Mai 2007.[4]

Nach einem längeren Diskussionsprozess entschied die Bundesregierung unter Einbeziehung von Kulturstaatminister Neumann über die Form des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.[5] Demnach wird alle zwei Jahre der im Denkmal gezeigte Film ausgetauscht, so dass auch Bilder von Frauen gezeigt werden können. Die Entscheidung über den neu zu installierenden Film soll jeweils eine Expertenjury treffen.

Rezeption

Als Gedenkstätte

Zum Christopher Street Day (CSD) am 28. Juni 2008 fand eine Gedenkfeier statt, an der auch Rudolf Brazda teilnahm, der wegen Homosexualität im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert war. Bei der Veranstaltung sprachen unter anderem Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, Petra Rosenberg, die Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, LSVD-Bundesvorstand Günter Dworek und Alexander Zinn, Geschäftsführer des LSVD Berlin-Brandenburg.[6]

Vandalismus

Knapp drei Monate nach der Einweihungszeremonie wurde das Denkmal erstmals mutwillig beschädigt. Unbekannte zerschlugen am frühen Morgen des 17. August das Sichtfenster, durch das die Kuss-Szene zu erkennen war. Politiker verschiedener Parteien sehen darin einen Beleg für die steigende Gewaltbereitschaft gegen Homosexuelle. Am darauffolgenden Tag fand vor dem Denkmal eine Protestkundgebung mit 250 Teilnehmern und einer Ansprache des Regierenden Bürgermeisters statt.[7] Ein weiterer Anschlag wurde in der Nacht zum 16. Dezember 2008 verübt. Erneut wurde das Sichtfenster eingeschlagen, durch das die Videosequenz zu sehen ist.[8] Im Frühjahr 2009, am 5. April, wurde das Mahnmal zum dritten mal innerhalb von neun Monaten beschädigt. Die Sichtscheibe ist dieses Mal zerkratzt worden.[9]

Einzelnachweise

  1. Das ursprüngliche Aufhebungsgesetz von 1998 verwies die wegen § 175 RStGB ergangenen Nazi-Urteile einer individuellen Überprüfung. Erst 2002 wurden die Urteile nach § 175 RStGB explizit als Nazi-Unrecht im Gesetzeswortlaut festgehalten.
  2. http://typo3.lsvd.de/690.0.html
  3. LSVD
  4. Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland
  5. Bundesregierung: Kulturstaatsminister Bernd Neumann erzielt Einigung beim Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen
  6. http://www.rosa-winkel.de
  7. Politiker fordern Konsequenzen, Der Spiegel, 18. August 2008
  8. Frankfurter Rundschau v. 18. Dezember 2008, S. 7.
  9. http://www.queer.de/detail.php?article_id=10223

Weblinks

52.51325213.3763177Koordinaten: 52° 30′ 48″ N, 13° 22′ 35″ O


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