- Hostienwunder
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Unter Hostienwunder versteht man unerklärte Erscheinungen an einer konsekrierten Hostie.
Da nach katholischer Lehre bei der Eucharistie Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden, gibt es viele Erzählungen darüber, dass diese normalerweise nicht sinnlich wahrnehmbare Verwandlung nach außen sichtbar geworden sei. Diese Wunderberichte haben auch beim Fronleichnamsfest Pate gestanden. Sie sind aus älteren Kreuzigungsberichten und den schon bald einsetzenden Legenden über den Verbleib des Blutes, das bei der Kreuzigung Jesu dessen Leib verlassen hatte, entstanden. Sie entzündeten sich zunächst an den Blutreliquien, Ampullen mit dem Blut Jesu, die an bestimmten Tagen durch Flüssigwerden ihre Wunderkraft zeigten. Zur Zeit der Kreuzzüge verband sich die Legende von Josef von Arimathäa, der das Blut Jesu aufgefangen haben soll, mit dem Ritterepos von der Artusrunde zur Gralssage. Andere Legenden berichteten, dass Maria Magdalena oder Longinus das Blut aufgefangen haben sollten.
Reliquien mit angeblich von Jesus stammenden Blutstropfen werden u.a. in Brügge und Mantua verehrt. Eine in Neapel verwahrte Reliquie, deren eingetrockneter Inhalt sich wiederholt an bestimmten Tagen verflüssigt hat, wird als das Blut des Heiligen Januarius (ital.: San Gennaro) angesehen.
Die häufigsten Erzählungen über Hostienwunder seit dem 12. Jahrhundert sind die Berichte über „Bluthostien“. Es handelt sich um Hostien, an denen sich auf wunderbare Weise Blut gezeigt haben soll. Es gibt auch solche Berichte, nach denen sich während der Messe die Hostie in sichtbares Fleisch und der Wein in sichtbares Blut verwandelt haben sollen.
Zu diesem Vorstellungskreis gehören auch wunderbare Erscheinungen, die dem Priester während der Messe zuteil geworden sein sollen. Bekanntestes Beispiel ist die Gregorsmesse, ein seit dem 13. Jahrhundert verbreiteter Bildtyp, der auf einen Bericht des Paulus Diaconus über eine Messe Gregors des Großen zurückgeht. Abgebildet ist die Erscheinung Jesu als Schmerzensmann, der ihm während der Messe erschienen sein soll. Bei Paulus Diaconus ist allerdings nur von einem blutigen Finger die Rede.
Die blutstropfenähnlichen Erscheinungen werden im Zusammenhang mit ritueller Nachlässigkeit, mit Glaubenszweifeln und mit Hostienschändungen beschrieben. Im letzteren Fall waren es oft Juden, denen Hostienfrevel zur Last gelegt wurde, so bei den Hostienwundererzählungen in Röttingen, Deggendorf und Flassau. In diesem Fall wurden die Geschichten oft zum Anlass für antijüdische Pogrome. Aber Bluthostien wurden im 11. Jahrhundert auch zu einer Art Gottesurteil über die wahre Lehre, als Berengar von Tours die Lehre von der Transsubstantiation bestritt.
Hostienwunder riefen teils kurzlebige, teils bis heute andauernde Wallfahrtsbräuche hervor. Das märkische Wilsnack wurde wegen eines solchen Hostienwunders zu einem zentralen Wallfahrtsort in Nordeuropa und Ziel des Pilgerwegs von Berlin nach Wilsnack.
Der Kardinal und päpstliche Legat Nikolaus von Kues wandte sich entschieden gegen den Bluthostienkult, ebenfalls Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil und die Erfurter Theologen, die auf Thomas von Aquin verwiesen, nach dem der auferstandene Christus das auf Erden vergossene Blut wieder an sich genommen habe. Alle konnten sich nicht gegen die päpstliche Kurie durchsetzen, die die Wallfahrt nach Wilsnack 1453 sanktionierte. Albertus Magnus hielt die Wunder für Visionen.
Die theologische Diskussion des Mittelalters beschränkte sich auf den Zweck solcher Erscheinungen und die liturgische Praxis der Aufbewahrung.
Heute hält man überwiegend an der Historizität dieser Erscheinungen nicht mehr fest. Vielmehr geht auch die katholische Kirche davon aus, dass es sich entweder um fromme Legenden, um Betrug, um Selbsttäuschungen oder auch um anderweitig erklärbare Erscheinungen handelt. Insbesondere das Bakterium Serratia marcescens soll für das „Wunder von Bolsena“ verantwortlich sein. Der Priester Peter von Prag soll nach Zweifeln am Dogma der Transsubstantiation 1263 in Bolsena das Brot für die Kommunion gebrochen und dabei Blutstropfen darauf entdeckt haben. Das Bakterium entfaltet sich rasch auf mit Wein getränkten Oblaten, die damals übliche Aufbewahrungsweise von Hostien im Tabernakel.
Literatur
- Carl Andersen und Georg Denzler: Wörterbuch der Kirchengeschichte. München 1982.
- Peter Browe: Die eucharistischen Wunder des Mittelalters In: Breslauer Studien zur historischen Theologie NF 4, Breslau 1938.
- Alois Döring: Bluthostien. In: Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 2 Sp. 539. Freiburg 2006.
- J. Heuser: „Heilig Blut“ und Brauchtum des deutschen Kulturraumes. Diss. Bonn 1948.
- Walter Michel: Blut und Blutglaube im Mittelalter. In: Theologische Realenzyklopädie Bd. VI. Berlin 1980.
Weblinks
Wikisource: Pigmentfäule und blutende Hostien – Quellen und VolltexteSiehe auch
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