Hufeisenplan

Hufeisenplan

Der Hufeisenplan war ein angeblicher militärstrategischer Plan der serbischen Regierung zur systematischen Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo, dessen tatsächliche Existenz jedoch nie bewiesen wurde. Er wurde im Frühjahr 1999, unter anderem von den damaligen deutschen Ministern Joschka Fischer[1] und Rudolf Scharping, zur Begründung des Kosovokriegs gegen das damalige Restjugoslawien angeführt, mit dem die angebliche Vertreibungspolitik des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević gestoppt werden sollte. Da der Krieg ohne UN-Mandat geführt wurde, wurde der Hufeisenplan von vielen Kriegsbefürwortern zur Legitimation herangezogen.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der genaue Inhalt des Plans, dessen Zusammenfassung vermeintlich im Besitz deutscher und anderer Militär- und Sicherheitsbehörden gewesen sein soll, kam nie an die Öffentlichkeit. Die einzige öffentlich zugängliche Information lautete in etwa, dass die jugoslawische Armee ihre Hauptstellungen in Form eines Hufeisens formiert habe, dessen offenes Ende ungefähr an der Grenze zwischen Kosovo und dem angrenzenden Albanien läge. Daraus wurde – unter anderem vom deutschen Verteidigungsminister Rudolf Scharping – die Folgerung gezogen, dass die Serben die albanische Bevölkerung durch „Zusammenziehen“ des Hufeisens Richtung Albanien vertreiben wollte, was durch Geheimdienstinformationen belegt sei. Entsprechende Beweise für diese Absicht wurden nie präsentiert.

Zweifel

Die Existenz des Planes wurde schon früh angezweifelt. Mittlerweile ist es eine verbreitete Meinung, dass der Hufeisenplan eine Desinformation eines Geheimdienstes war. Ob die Bundesregierung, die sich öffentlich auf ihn berief, von seinem fraglichen Wert wusste, ist bis heute umstritten. Nach internen Berichten des Verteidigungsministeriums gelangten die Informationen über den Führungsstab der Streitkräfte, Abteilung II 3, in einer direkten Unterrichtung an Minister Scharping.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Hans-Peter von Kirchbach, behauptete am 8. April 1999, dass dieser Plan Potkova, serbisch für „Hufeisen“, heiße.[2][3][4]

Am 10. Januar 2000 berichtete Der Spiegel, der Hufeisenplan sei dem Bundesverteidigungsministerium vom bulgarischen Außenministerium zugespielt worden und stamme vom bulgarischen Geheimdienst. Ein Beweis für die Echtheit des Plans steht jedoch bis heute aus.[3] Die bulgarische Seite hat später dementiert, eine solche Information besessen oder weitergegeben zu haben.

Es gab und gibt keine weiteren Beweise für die behauptete Absicht der Serben, die Albaner systematisch aus dem Kosovo zu vertreiben. Serbische Offizielle haben dies wiederholt dementiert. Dass Milosevic keine Truppen im Grenzgebiet zu Albanien stationieren konnte, war vor allem darin begründet, dass die gegnerische UÇK dieses Gebiet unter Kontrolle hielt. Die hufeisenförmige Dislozierung der jugoslawischen Streitkräfte hatte demnach ihren Ursprung in der militärischen Lage und war nicht notwendigerweise die planmäßig eingenommene Ausgangsposition für eine Vertreibung der Kosovoalbaner.

Auch ohne den Nachweis für das tatsächliche Vorliegen des Hufeisenplans hat es Vertreibungen durch serbische Truppen und Paramilitärs gegeben, allerdings auch Vertreibungen von Serben durch die albanische UÇK.

Trotz der Behauptungen Scharpings und des deutschen Verteidigungsministeriums sowie Fischers und des deutschen Außenministeriums, wonach schon 1998 und im Januar 1999 mit der Realisierung des Planes begonnen worden sei, hat das Auswärtige Amt mehrmals[5] den Gerichten in asyl- und ausländerrechtlichen Fragen Auskünfte bzw. Lageberichte übermittelt, wonach eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner aus dem Kosovo als nicht gegeben festgestellt wurde.[6]

„Für ein geheimes Programm oder einen auf serbischer Seite vorhandenen stillschweigenden Konsens, das albanische Volk zu vernichten, zu vertreiben oder sonst in der vorstehend beschriebenen extremen Weise zu verfolgen, liegen keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte vor“

Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 24.Februar 1999 (Az: 14 A 3840/94.A)

Am 37. Tag der Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO, zog das Auswärtige Amt seinen Kosovo-Lagebericht vom 18. November 1998 zurück.

Die WDR-Dokumentation „Es begann mit einer Lüge“[7] geht davon aus, dass die gesamte Geschichte frei erfunden wurde und nur der Rechtfertigung der militärischen Einsätze diente. Die Dokumentation wurde erstmals 2001 gesendet und ist auf Video-Portalen (beispielsweise YouTube und Google) zugänglich.

Zitate

„Ich habe dann um ein Gespräch im Verteidigungsministerium nachgesucht, das habe ich bekommen, das war im November, und dort hat man mir gesagt, es habe kein ‚Operationsplan Hufeisen' vorgelegen, sondern was man hatte, war eine Darstellung der Ereignisse, die im Kosovo abgelaufen sind, und diese Darstellung der Ereignisse konnte man aufgrund der OSZE-Berichte und anderer Berichte nachvollziehen. Aber es gab keinen ‚Operationsplan Hufeisen', so jedenfalls die Fachleute im Verteidigungsministerium.“

Heinz Loquai, General a. D.[8]

Literatur

  • Jürgen Elsässer: Kriegslügen. Vom Kosovokonflikt zum Milosevic-Prozess. Kai Homilius Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-89706-884-2.
  • Heinz Loquai: Der Kosovo-Konflikt. Wege in einen vermeidbaren Krieg. Die Zeit von Ende November 1997 bis März 1999. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000, ISBN 3789066818.
  • Tom Walker & Aidan Laverty: CIA aided Kosovo Guerilla Army. In: The Sunday Times.
  • Alan Little: Moral Combat: NATO at war. (Dokumentarfilm).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tino Moritz: Einsame Zweifler. In: taz.de. 6. April 2001, abgerufen am 23. Juli 2008.
  2. Dem muss allerdings entgegen gehalten werden, dass "potkova" das kroatische Wort für Hufeisen ist, welches wohl kaum von der serbischen Administration verwendet worden wäre, das serbische Wort für Hufeisen ist "potkovica". Entgegen den Argumenten des PDS-Abgeordnete Gregor Gysi, der im Bundestag behauptete, diese Überschrift sei in Kroatisch und nicht in Serbisch verfasst. Er meinte damit die Übersetzung des Wortes potkova, was das kroatische Wort für „Hufeisen“ sei, das serbische Wort für Hufeisen laute aber potkovica. Dies ist jedoch falsch, da Potkova auch im Serbischen „Hufeisen“ heißt und potkovica lediglich die Diminutivform darstellt.
  3. a b Robert Loborec: Brandherd Kosovo. Taunusstein 2002, ISBN 3936-3280-3X, S. 123f..
  4. B. Jakic, A. Hurm: Hrvatsko ili Srpsko – Njemacki Rjecnik. Zagreb 1974, S. 451.
  5. Lagebericht Serbien des Auswärtigen Amtes: 6. Mai 1998.; 8. Juni 1998.; 13. Juli 1998.; 18. November 1998.; 12. Januar 1999. sowie 12. Januar 1999. an VG Trier; vom 28. Dezember 1998. an OVG Lüneburg und vom 23. Dezember 1998. an VGH Kassel
  6. Gerichtsurteile: Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. Februar 1999. (Az: A 14 S 22276/98); vom 6. Januar 1999 an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, vom 12. Januar 1999. an das Verwaltungsgericht Trier (Az: 514-516.80/32 426), vom 15. März 1999. an das Verwaltungsgericht Mainz (Az.: 514-516,80/33841), usw.
  7. WDR-Dokumentation „Es begann mit einer Lüge“, 2001
  8. Jo Angerer, Mathias Werth: Es begann mit einer Lüge. In: Monitor (Fernsehmagazin). 2001 Februar 2001.

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