Humanistisches Gymnasium

Humanistisches Gymnasium
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Die humanistischen Gymnasien bilden einen Gymnasialzweig, bei dem der Bezug des Unterrichtsstoffes zur europäischen Antike als Wurzel der modernen Gesellschaft im Mittelpunkt steht oder diesem eine besondere Bedeutung eingeräumt wird.

Kennzeichnend ist die Bevorzugung von Latein und Altgriechisch im Fächerangebot, teilweise mit früherem Beginn nach dem Biberacher Modell.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Das humanistische Gymnasium leitet seine Bezeichnung von der Bildungsidee der neuhumanistischen Bildungsreformer um Wilhelm von Humboldt im Zuge der Preußischen Reformen ab. In Bayern entwickelte Friedrich Immanuel Niethammer ähnliche Reformkonzepte, in Österreich initiierten der Universitätsprofessor für alte Sprachen Hermann Bonitz und der Philosoph Franz Serafin Exner 1848/1849 eine entsprechende Bildungsreform. Die alten Sprachen Latein und Griechisch beherrschten als „humaniora“ die Stundentafel, daneben standen vor allem Mathematik und „historische“ Fächer, Deutsch nur mit zwei bis drei Wochenstunden. Dazu kamen noch ein wenig Französisch und Physik/Naturkunde. Auffassungen, die unter einer humanistischen Bildung eine Grundbildung in alle Richtungen verstehen, gehen also insofern fehl. Die Vertreter der humanistischen Bildung sahen gerade in der relativen Einseitigkeit einen Vorteil. In der öffentlichen Meinung zählten die Absolventen des humanistischen Gymnasiums lange zur Bildungselite.

Entwicklung in Deutschland

Vor dem Zweiten Weltkrieg

In Preußen führte bis 1900 allein das humanistische Gymnasium zu einem Abitur, das die Absolventen für alle Studienrichtungen berechtigte, während das Abitur an Realgymnasien (neusprachlich, teilweise mit Latein) und Oberrealschulen (mathematisch-naturwissenschaftlich) nur eingeschränkten Zugang gewährte. Die Kritik daran kam aus zwei Richtungen, den Vertretern der Technik und Naturwissenschaften sowie den Befürwortern einer stärker patriotischen Erziehung. Lange umstritten bis zur Dezember-Konferenz 1890 war das Festhalten am lateinischen Aufsatz, für den das Übersetzen in das Lateinische und Stilübungen nötig waren.

In den humanistischen Gymnasien des 20. Jahrhunderts wurde der Umfang der alten Sprachen zwar spürbar zurückgeführt (bereits 1890/1892 um ein Viertel, vor allem zugunsten von Deutsch), doch blieb das hohe Ansehen dieser als elitär geltenden Ausrichtung bestehen, wenn auch ihr Anteil zurückging. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg waren nur noch etwa zwölf Prozent aller Oberschulen humanistisch ausgerichtet.

Bundesrepublik Deutschland bis 1990

Nach Kriegsende 1945 erlebten die humanistischen Gymnasien einen neuen Aufschwung in Westdeutschland, unter anderem um der nationalsozialistischen Bildungsideologie entgegenzutreten. So wurden an den Gymnasien altsprachliche Zweige eingerichtet, die zwar Englisch als erste Fremdsprache, aber Latein und Altgriechisch als zweite und dritte Fremdsprache anboten. Dennoch musste das Fach Altgriechisch bald starke Rückgänge verzeichnen. Seit der Oberstufenreform ab 1972 konnten die Schüler ihre Fächer nach der 10. Klasse weitgehend selbst wählen, worunter die alten Sprachen stark litten.

Deutsche Demokratische Republik (DDR)

Entgegen der Situation in Westdeutschland hatte das humanistische Gymnasium im sozialistischen Bildungssystem der DDR keinen Platz. Der Begriff „humanistisch“ wurde für eine allseitige Bildung aller Menschen verwendet, das heißt, auch literarisch orientiert, aber ohne Bezug auf alte Sprachen. Freilich gab es auch Lateinklassen. Alternativ gab es das Kirchliche Proseminar Naumburg (Saale) und das Norbertinum Magdeburg, an denen ein altsprachlich-humanistisches Abitur abgelegt werden konnte.

Seit 1990

Obwohl seit der Oberstufenreform (ab 1972) die herkömmlichen Gymnasialtypen hinfällig sind, hält sich die Bezeichnung „humanistisch“ für Gymnasien, die eine 5. Klasse mit Lateinunterricht und Altgriechisch als dritte Fremdsprache zur Wahl anboten. In diesem Zusammenhang ist auch vom „altsprachlichen Gymnasium“ die Rede.

Siehe auch

Literatur


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