IGGOS

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IGGOS ist ein 1999 begonnenes internationales Projekt der Geodäsie und anderer Geowissenschaften, das auf ein konsistentes interdisziplinäres Erdmodell und eine Vernetzung verschiedener satellitengestützter Methoden der Erdbeobachtung hinzielt. Das Akronym, das 1999 vom deutschen Geodäten Reinhard Rummel geprägt wurde, steht für Integrated Global Geodetic Observing System bzw. für Global Geodetic Observation System (GGOS).

Inhaltsverzeichnis

Zielsetzung

Die internationale und interdisziplinäre Vernetzung erdbezogener Daten stellt eine zunehmend drängende Aufgabe dar, die seit einigen Jahren durch die immer detaillierteren Mess- und Analysemethoden der Geowissenschaften erforderlich wird. Aus erdwissenschaftlicher Sicht stellt die Erde ein äußerst komplexes physikalisches System dar, zu dessen Definition die klassischen geometrischen Daten (Erdellipsoid, Erdrotation, Festpunkte, geografische Koordinaten, terrestrische Basisgrößen) und Definitionen nicht mehr ausreichen. Die Ausweitung zu einem komplexen Modell des Erdkörpers erfordert neben den Potentialfeldern (Magnet-, Erdschwerefeld) auch die zeitliche Dimension (Geodynamik, Kontinental- und Erdkrustenbewegungen, Geoseismik) und die Integration von Modellen der Hydro- und Ozeanografie sowie der Erdatmosphäre (Druck- und Auflastmodelle, Strömungen, genauere Reduktion der Messdaten) und der Fernerkundung der Erdoberfläche.

Die in letzter Zeit vermehrte Aufmerksamkeit für globale Erscheinungen und große Naturkatastrophen (Klima und Umwelt, frühere Meteoreinschläge, heutige Erdbeben, Vulkane, Tsunamis, Überschwemmungen etc.) macht die Wissensdefizite über das "System Erde" bewusst. Ein globales Beobachtungssystem zielt daher auf tieferes Verständnis der Prozesse und Wechselwirkungen, die die Erde als Ganzes und die Vorgänge auf der Erdoberfläche betreffen.

Beiträge der Geodäsie

Da die Initiatoren des Projektes aus der Höheren Geodäsie und verwandten Teilgebieten der Internationalen Assoziation für Geodäsie kommen, sei zunächst deren Intention dargestellt.

Mit den geodätischen Forschungsarbeiten - siehe 1. Literaturangabe - soll ein Beitrag geleistet werden zur Bereitstellung eines konsistenten und genauen Systems von Bezugsrahmen, einerseits als Grundlage für alle Geoinformationssysteme und andererseits als metrologische Grundlage der Prozesse des globalen Wandels. Der geodätische Beitrag zur Erfassung und Erforschung des "Systems Erde" und zum Aufbau des "Global Geodetic Observing Systems" der IAG ist ein Angelpunkt des [deutschen Anteile am] Forschungsprogramm. Die erste (inzwischen weitgehend erfüllte) Teilaufgabe dazu ist ein hochpräzises Weltnetz und seine Korrelation mit geophysikalische Modellen u.a. der Plattentektonik und großräumigen Geodynamik.

Als geometrische Basis eines IGGOS dienen die modernen Weltraum-Beobachtungstechniken wie GNSS (Global Navigation Satellite Systems, insbesondere die online-Meßsysteme Global Positioning System (GPS), Galileo und Glonass, die weltweiten Netze des DORIS-Systems und der VLBI-Radioteleskope (Very Long Baseline Interferometry). Sie werden unterstützt durch Lasertechniken SLR und LLR (Satellite und Lunar Laser Ranging), die Satellitenaltimetrie und die satellitengestützte Geoidbestimmung (Messkampagnen von CHAMP und GRACE, laufende Gradiometrie mit GOCE). Diese Methoden und deren fachübergreifende Analysen erlauben inzwischen, das System Erde aus dem Weltraum mit einer bisher unerreichten Genauigkeit (mmdm) zu beobachten.

Geophysik und Geodynamik

Seit Ende des 20. Jahrhunderts kann z.B. die plattentektonische Kontinentalverschiebung weltweit mit einer Auflösung von etwa mm/Jahr bestimmt werden. In diesem Genauigkeitsbereich sind äußerst genaue terrestrische Referenzsysteme für alle Erdbeobachtungen erforderlich, die bereits in den periodisch verbesserten Referenzrahmen des ITRF) bzw. europaweit des ETRF) zur Verfügung stehen. Sie lassen Schlüsse über die sich dauernd verändernde Geometrie des Erdkörpers zu (Erdgezeiten, Schwerefeld und Geoid), über Variationen der Erdrotation und erlauben zunehmend Einblicke in die Massenverlagerungen und Strömungen im Erdinnern.

Ein weiterer Zweck von IGGOS ist die vertiefte geowissenschaftliche Kooperation mit Physik, Mathematik und Technik, um die theoretischen Modelle der terrestrischen und astronomischen Wechselwirkungen zu verfeinern sowie die Messmethoden und adäquaten Datenbanken weiterzuentwickeln.

Literatur

  • Forschungsgruppe Satellitengeodäsie (2010), Forschungs- und Entwicklungsprogramm 2011-2015, München-Frankfurt-Bonn Juni 2010. Auch als PDF-File verfürbar
  • R.Rummel, H.Drewes, W.Bosch, H.Hornik: Towards an Integrated Global Geodetic Observing System (IGGOS). IAG Symposia, Vol.120, Springer, ISBN 3-540-67079-3, Springer-Verlag, Berlin 2000
  • M.Rothacher, H.Drewes, A.Nothnagel, B.Richter: Integration of space geodetic techniques as the basis for a Global Geodetic-geophysical Observing System (GGOS-D), Springer 2010

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