- Geodätisches Erdmodell
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Geodätische Erdmodelle sind geometrisch-physikalische Idealkörper, die als Bezugssysteme zur Beschreibung des Erdkörpers und der Erdoberfläche dienen. Sie stellen
- einerseits eine geometrische Referenzfläche für die erforderlichen Koordinatensysteme bereit – im Regelfall in Form eines Referenz- bzw. Erdellipsoids
- andererseits ein konsistentes System geometrischer und physikalischer Konstanten, zur Beschreibung der Bewegungen des Erdkörpers, der Erdrotation und des Erdschwerefeldes;
- ferner implizieren sie die erforderlichen mathematisch-physikalischen Theorien.
Inhaltsverzeichnis
Geschichtliche und prinzipielle Aspekte
Historisch war das erste geowissenschaftliche Erdmodell die Erdkugel, die als Idealform der Erde etwa um 400 v. Chr. nachweisbar wurde. Vom 17. zum 18. Jahrhundert wurde das Modell des Rotationsellipsoids postuliert, doch war den führenden Wissenschaftlern schon bald klar, dass die Abweichungen der mittleren Erdfigur (des Meeresspiegels) von einem Ellipsoid größer als die damalige Messgenauigkeit sein müssten.
Als diese Abweichungen – in Form der Lotabweichungen und später der Schwereanomalien – unerträglich große Diskrepanzen in den Landesvermessungen hervorriefen, musste zwischen den Bezugsflächen für die Höhenmessung (Meeresniveau, Geoid und für die Lagevermessung (Referenzellipsoid) unterschieden werden. In diesem Problemkreis befindet sich die Geodäsie bis heute, was auch mit ihrer Mittelstellung zwischen Geophysik (Erdschwerefeld) und Geometrie (Erdmessung) zu tun hat.
Wie die Potentialtheorie im 19.Jahrhundert zeigen konnte, stellt die geometrisch ideale Erdfigur des Rotationsellipsoids im physikalischen Sinn eine Fiktion dar. Denn eine terrestrische Niveaufläche – als die sich der mittlere Meeresspiegel für eine allgemein verfügbare Höhenbezugsfläche anbietet – könnte nur dann von ellipsoidischer Form sein, wenn die Massenverteilung im Erdinnern völlig homogen wäre, also beispielsweise in der Dichte, in der Geologie und auch im Erdmantel keinerlei Unterschiede vorhanden wären. Daher kann ein geodätisches Erdmodell, das für die Koordinaten-Berechnung auf eine mathematisch einfache Erdoberfläche angewiesen ist, nicht die Erfordernisse der Geophysik oder der Geodynamik erfüllen.
Mathematische Einfachheit vs. Genauigkeit
Stichworte: Erdfigur, Korbbogen, Ellipsoid, dreiachsiges Ellipsoid, Koordinatentransformation
Physikalische Plausibilität
Stichworte: Erde als „Festkörper“ versus Geodynamik, Erdgezeiten, Eiszeiten, Erosion, Gebirgsbildung, langsame Abnahme von Erdrotation und Erdabplattung, Gravimetrie und Schwereanomalien, Schwimmgleichgewicht (Isostasie) in der Erdkruste, Meeresströmungen …
Erdmodelle des 20. Jahrhunderts
- 1900 bis 1975: Bessel-Ellipsoid, Hayford-Ellipsoid, ZEN, ED50, GRS67, Mercury-Datum, ED77
- seit 1975: ED79, Satellitengeodäsie, Weltnetz, WGS72 und WGS84, GRS80, ETRF, ITRF, internationale Systemdienste IGS (GPS), IERS (Erdrotation), IVS, Nuvel, IGGOS
Siehe auch
Literatur und Weblinks
- Wolfgang Torge: Geodesy. 3. Auflage, De Gruyter, Berlin 2001.
- Spatial Reference Systems For Europe, European Commission 2000 (EUR 19575en). (PDF; 15MB) – Europäische Koordinatenreferenzsysteme
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