- Irakkonflikt
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Der Begriff Irak-Konflikt oder Irak-Krise (engl. Iraq crisis) bezeichnet eine diplomatische Krise, die im Nachgang der Terroranschläge am 11. September 2001 aufkam. Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten sprach sich als Reaktion auf die für sie überwältigenden Attentate für einen Feldzug gegen den Terrorismus aus. Vor diesem Hintergrund identifizierte die Regierung unter George W. Bush den von Saddam Hussein diktatorisch regierten Irak aus mehreren Gründen als Risiko für die internationale Sicherheit. Während die USA eine Invasion des Irak militärisch und logistisch vorzubereiten begannen, versuchten sie, eine völkerrechtliche Legitimation eines gewaltsamen Vorgehens gegen den Irak zu erwirken, was jedoch scheiterte. Die Legitimation zogen sie daher aus einem unilateralen Vorgehen, und schmiedeten im Laufe der Irak-Krise ein politisch-militärisches Bündnis aus etwa 30 Ländern, das in Anlehnung an den moralischen Impetus des Unternehmens „Irakische Freiheit“ und „Koalition der Willigen“ genannt wurde. Die militärische Invasion war gleichzeitig Höhepunkt und Ende der Irak-Krise.
Weiter gefasst wird der Begriff auch für das gespannte Verhältnis zwischen den USA und dem Irak in der Zeit zwischen dem Zweiten Golfkrieg und dem Irakkrieg verwendet.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Verhältnis zwischen dem Irak und den Vereinten Nationen
Diplomatische Grundlage für den Irak-Konflikt waren die angespannten Beziehungen zwischen dem Irak und den Vereinten Nationen, die aus der Besetzung Kuwaits durch den Irak 1990 resultierten. Hatte der Westen den Irak aufgrund der islamischen Revolution im benachbarten Iran aus Furcht vor der Ausbreitung des islamischen Fundamentalismus in der Region unterstützt, so stellte er seine politische und militärische Unterstützung nach dem Patt im Ersten Golfkrieg ein, zumal Husseins Menschenrechtsverletzungen zunehmend bekannt wurden.
1990 überfiel der Irak seinen Nachbarstaat Kuwait, den das Zweistromland als abtrünnige Provinz betrachtete, was aus der Grenzziehung der Völkerbundsmandate zu Beginn des 20.Jahrhunderts resultierte. Als Reaktion darauf schlugen überlegene militärische Kräfte der Vereinten Nationen unter der Führung der US-Streitkräfte unter massivem Vorbombardement die irakischen Invasoren zurück, verzichteten jedoch auf einen Sturz des Hussein-Regimes. Aufgrund der westlichen Waffenlieferungen war die irakische Verfügungsgewalt über Massenvernichtungswaffen bekannt. Daher wurde der geschwächte Irak einem strengen Rüstungsinspektionsregime der Vereinten Nationen unterworfen.
1998 befanden die USA und das Vereinigte Königreich, dass die Kooperation Saddam Husseins mit den Waffeninspekteuren unzureichend war. Als finale Konsequenz bombardierten sie mutmaßliche biologische und chemische Rüstungsfabriken in einer mehrtägigen Kampagne namens Operation Desert Fox. Nach dem mehrtägigen Bombardement dauerte der diplomatische Argwohn dem Irak gegenüber an, verlor jedoch bald seine Brisanz und Aktualität.
Beginn der Irak-Krise
Krieg gegen den Terrorismus
Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 riefen die USA zu einem weltweiten Krieg gegen den Terrorismus auf. Dabei richtete sich das Augenmerk zunächst auf Afghanistan, wo die Terrororganisation Al-Qaida ihr Hauptquartier hatte. Nach dem Sieg der USA und ihrer Verbündeten im Afghanistan-Krieg richtete sich das Interesse der USA auch gegen andere „Schurkenstaaten“ und hier im Laufe des Jahres 2002 immer mehr auf den Irak als einen Teil der „Achse des Bösen“. Ihm wurde einerseits vorgeworfen, den Terrorismus zu unterstützen, andererseits aber auch, die seit dem Zweiten Golfkrieg geltenden Auflagen immer wieder zu verletzten, insbesondere, seine Massenvernichtungswaffen nie vollständig vernichtet zu haben und weiter an der Entwicklung dieser zu arbeiten.
Koalitionen für und wider den Krieg
Als wichtigste Verbündete gelten der US-Regierung seit den Anschlägen auf das Pentagon und die Zwillingstürme der Brite Tony Blair, der Spanier José María Aznar und der Australier John Howard. Spätestens Bushs Rede in West Point am 1. Juni lässt kaum Zweifel an der Kriegsentschlossenheit der Amerikaner. Bush ermächtigt die USA in dieser Rede, präventiv und unilateral zu handeln. Anfang Juli verkündet der amerikanische Präsident öffentlich, er wolle „mit allen Mitteln“ einen Regimewechsel im Irak erzwingen.
Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder bezieht erst nach einem internen Gespräch mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac Ende Juli Position. Die beiden Politiker lehnen einen US-Alleingang ohne Mandat ab.
Verhandlungen im Sicherheitsrat
Im Vorfeld des Irak-Konflikts wurden mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrats verabschiedet, die dem Irak Sanktionen wegen der Nichtbeachtung von Verboten zur Entwicklung und zum Einsatz chemischer und bakteriologischer Waffen und des Versuchs der Umgehung der Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags auferlegten.
Resolution 1441
Die Resolution 1441 des Sicherheitsrates (8. November 2002) war das Ergebnis intensiver diplomatischer Bemühungen von Kriegsbefürwortern und -gegnern im Vorfeld des Krieges. Jedoch legitimiert diese Resolution nicht explizit den Einsatz militärischer Gewalt, sondern erinnert nur an die bereits mehrmals erfolgte Androhung „ernster Konsequenzen“. Zudem behielt sich der Sicherheitsrat vor, sich bei weiterer Nichterfüllung der Forderungen durch den Irak erneut mit dieser Angelegenheit zu befassen.
So berufen sich die USA darauf, dass die Resolution im Falle einer Nichtabrüstung des Iraks „ernsthafte Konsequenzen“ androht. Andere dagegen sehen in dem Begriff „ernsthafte Konsequenzen“ nicht die Anwendung von Gewalt inbegriffen. Dagegen hatte die Resolution 678 (1990), durch die der Zweite Golfkrieg legitimiert wurde, den Einsatz von „allen erforderlichen Mitteln“ erlaubt. Allerdings beschränkte sie sich ausschließlich auf die Befreiung Kuwaits und billigte die Anwendung von Gewalt nur unter Zustimmung des UN-Sicherheitsrats.
Verschiedene Staaten, Völkerrechtler und zahlreiche Einzelpersonen, unter anderem Boutros Boutros-Ghali und Kofi Annan, der zum Zeitpunkt des Beschlusses der Resolution 1441 Generalsekretär der Vereinten Nationen war, gehen davon aus, dass die beiden Resolutionen keine geeignete Rechtsgrundlage und die Kriegshandlungen somit völkerrechtswidrig gewesen seien. Gegenteilige Auffassungen werden vor allem im angelsächsischen Raum von einigen Völkerrechtlern vertreten.
Gerhard Piper, Konfliktforscher am Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit, drückte die von ihm gesehene Beliebigkeit der Resolution 1441 und ihre Konsequenzen folgendermaßen aus: „Zur Zeit geht diese Diskussion weiter in einem zusätzlichem Metier, ob es eine zweite Resolution im UN-Sicherheitsrat geben wird oder nicht. Es sieht so aus, dass die Amerikaner keine zweite bekommen werden und dann sagen werden: 'Okay, wir haben die erste Resolution und auf der Basis greifen wir den Irak an, egal was die anderen sagen werden'“ [1].
Die Verhandlungen im Sicherheitsrat beginnen in der zweiten Septemberwoche. Die Vetomächte Russland, China und Frankreich haben sich bisher nicht grundsätzlich gegen einen Militärschlag ausgesprochen. Sie glauben jedoch nicht an irakische Massenvernichtungswaffen, auch nicht an eine erhebliche vom Irak ausgehende Gefahr und sind skeptisch gegenüber dem Verdacht, Saddam Hussein unterstütze Terroristen.
Während der Verhandlungen im Sicherheitsrat legt Tony Blair als "Beweis" für die „überwältigenden Gründe für eine Entwaffnung des Irak“ dem britischen Unterhaus am 24. September ein neues Dossier vor. Kritik an dem Blair-Papier kam aus vielen Richtungen, dem Bericht wurde vorgeworfen er zeige im Wesentlichen schon lange bekanntes, es würde systematisch überbewertet und aufgebauscht, oder es sei nicht hinreichend Belegtes in dem Bericht. Eine oppositionellen Gruppe in der Labour Party widerlegt die Behauptungen des Dossiers Punkt für Punkt. [2]
Nach wochenlangen Verhandlungen beschließt der UN-Sicherheitsrat daraufhin am 8. November 2002 in der Resolution 1441, die Waffeninspektionen unter der Leitung von Hans Blix zu verstärken, den Irak noch einmal ultimativ aufzufordern, diese und alle früheren Resolutionen einzuhalten, und erneut zusammenzutreten, um über Maßnahmen zu beraten, sollte der Irak die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verletzen.
Während die USA und Großbritannien bereits in der Resolution 1441 einen Freibrief für eine Militäraktion sehen, verlangen Frankreich, Russland und China eine zweite Resolution auf Basis der Inspektionsergebnisse. Aus Berlin signalisiert der mittlerweile wieder gewählte Kanzler Schröder seine Unterstützung und relativiert somit seine Position der scharfen Ablehnung militärischer Aktionen.
Noch während der Verhandlungen im Sicherheitsrat verabschieden die USA im September die ‚Neue Nationale Sicherheitsstrategie’, auch Bush-Doktrin genannt. Zum Krieg gegen den Irak ermächtigen US-Senat und Repräsentantenhaus den Präsidenten dann am 10. und 11. Oktober.
Die USA warfen im Folgenden dem Irak vor, die Resolutionen weiterhin zu verletzen und drängten immer stärker darauf, das Irak-Problem militärisch zu lösen (s. Irak-Invasionsplan der USA). Die USA wurden dabei von einer Reihe von Staaten unterstützt, besonders zu nennen sind hier Großbritannien, Italien und Spanien. Andere Staaten, vor allem Syrien, Belgien, Deutschland, Frankreich sowie Russland und die Volksrepublik China wollten das Irak-Problem weiterhin friedlich lösen. Dazu arbeiteten Deutschland und Frankreich Anfang Februar 2003 an einem Plan, der eine Erhöhung der Zahl der Waffeninspektoren und evtl. auch den Einsatz von Blauhelm-Soldaten vorsah. Unterstützung erhielten sie dabei unter anderem von Russland und China.
Am 5. Februar 2003 plädierte der damalige US-Außenminister Colin Powell vor dem Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen für den Sturz Saddam Husseins, da dieser im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei. Als Beweis zeigte er u.a. 3D-Computergrafiken von LKWs, die als mobile C-Waffen-Fabriken im Irak dienen sollten. Später zeigte sich, dass dem lediglich Vermutungen von Informanten zugrunde lagen, wobei auch der BND genannt wurde.
Im September 2005, ein Jahr nach seinem Rücktritt nach den US-Präsidentschaftswahlen 2004, bedauerte Powell in einem ABC-Fernsehinterview den UN-Auftritt, da er dort den Weltsicherheitsrat mit später als falsch erkannten Tatsachenbehauptungen von der Notwendigkeit des Irak-Kriegs zu überzeugen versucht habe und bezeichnete ihn als einen Schandfleck in seiner Karriere.
Friedensdemonstrationen
Am 15./16. Februar 2003 fanden in vielen Ländern Massenkundgebungen gegen eine militärische und für eine Verhandlungslösung des Konfliktes statt. Die größten Kundgebungen sind in Großbritannien (London: 2 Millionen), Spanien (landesweit vier Millionen) und Italien (Rom: zwei Millionen). Die heterogene Friedensbewegung organisieren antikapitalistische Netzwerke wie Attac, aber auch Gewerkschaften, friedenspolitische Gruppen, arabische und palästinensische Zirkel, Kirchengemeinschaften und Parteien wie die Grünen, Kommunisten und Sozialdemokraten. Getragen werden sie letztlich von großen Teilen der Bevölkerung, die sonst nicht politisch, weltanschaulich oder religiös organisiert sind. Es waren dies die einzigen Friedensdemonstrationen, die schon vor einem möglichen Krieg stattfanden.
Streit in der NATO
Zuvor war der Streit innerhalb der NATO zwischen den Befürwortern eines Militärschlages gegen den Irak und den Befürwortern einer friedlichen Lösung weiter eskaliert, als die NATO-Führung im Schweigeverfahren Militärhilfen für die Türkei einleitete. Belgien und Frankreich stoppten das Verfahren am 10. Februar 2003, indem sie von ihrem Veto-Recht Gebrauch machten, Deutschland unterstützte sie dabei, ohne selbst ein Veto einzulegen.
Am 17. Februar einigten sich die NATO-Staaten schließlich über Hilfeleistungen für die Türkei im Falle eines Irak-Krieges. Im Kompromiss versicherten Belgien, Deutschland und Frankreich, dass sie ihren Bündnisverpflichtungen im Falle eines Angriffs auf die Türkei nachkommen würden, gleichzeitig wurde aber betont, dass es sich um reine Defensivmaßnahmen handelte und nicht um Vorbereitungen für einen Angriff auf den Irak, sowie dass weiterhin eine friedliche Lösung des Irak-Konfliktes unter Einbeziehung der UNO angestrebt wird.
Anfang März 2003 kam es im türkischen Parlament zu einer Abstimmung über die Unterstützung für die USA mit dem Resultat, dass die Unterstützung eines Alleinganges verweigert wird. Die von den USA angebotenen Wirtschaftshilfen waren offenbar viel zu niedrig und auch der Druck von Seiten der Europäischen Union, wichtigster Handelspartner der Türkei, zu groß. Somit fehlte den USA ein wichtiges Einmarschgebiet, und eine Invasion des Iraks konnte nur noch vom Golf aus erfolgen.
Der Krieg
- Hauptartikel: Irakkrieg
Nachdem es aufgrund der grundsätzlich verschiedenen Positionen zu keiner Einigung im UN-Sicherheitsrat über eine weitere Irak-Resolution kam, mündete der Irak-Konflikt am 20. März 2003 durch den Einmarsch der USA in den Irak in den Dritten Golfkrieg.
Die Hauptkampfhandlungen im Irak dauern von der Nacht vom 19. auf den 20. März bis zum 2. Mai als Bush die Kämpfe als beendet erklärt. Auffallend war, dass es weder zu einem „letzten Gefecht“ in Bagdad kam, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen einsetzte und dass das Regime Saddam Husseins innerhalb weniger Wochen kollabierte. Bei den Verhandlungen um die neue Resolution 1483 im April und Mai, die die Nachkriegsordnung im Besatzungsgebiet und die Rolle der Vereinten Nationen festlegen sollten, zeigten sich im Sicherheitsrat wieder die Fronten wie vor Kriegsbeginn.
Die Völkerrechtler bezeichnen in der überwiegenden Mehrheit diesen Krieg als völkerrechtswidrig. Schätzungen zufolge sind bis 2004 für jeden gefallenen US-Soldaten 20 tote Iraker zu beklagen - ein für die asymmetrische Kriegführung typisches Ungleichgewicht, das schon in Somalia sichtbar wurde.
Literatur
- Wolfgang Günter Lerch: Kein Frieden für Allahs Völker. Die Kriege am Golf. Geschichte, Gestalten, Folgen. S. Fischer, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-10-043809-4.
- Daniel Yergin: Der Preis. Die Jagd nach Öl, Geld und Macht. Frankfurt 1991, ISBN 3-10-095804-7.
- August Pradetto (Hrsg.): Internationale Reaktionen auf die Irak-Politik der USA 1855. Hamburg 2002.
- Jürgen Schuster: Das „alte“ und das „neue“ Europa. Die Reaktionen der europäischen Länder auf die amerikanische Irak-Politik. Ein Vergleich dreier Erklärungsansätze. Münster 2004.
- Stefan Aust und Cordt Schnibben (Hrsg.): Irak. Geschichte eines modernen Krieges. Spiegel, München 2004, ISBN 3-421-05804-0.
- Timothy Garton Ash: Freie Welt. Europa, Amerika und die Chance der Krise. Hanser, München 2004, ISBN 3-4462-0546-2.
- Thomas Seifert, Klaus Werner: Schwarzbuch Öl. Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld. 2006, ISBN 3-552-06023-5.
- Daria W. Dylla: Die Irak-Entscheidung Polens von 2003. Eine Analyse aus Sicht der Ökonomischen Theorie der Demokratie. In: Thomas Jäger, Daria W. Dylla: Deutschland und Polen. Die Europäische und internationale Politik. VS-Verlag, 2008, ISBN 978-3-531-15933-1.
Weblinks
Quellen
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