Isabella von Angoulême

Isabella von Angoulême

Isabella von Angoulême (französisch: Isabelle d’Angoulême; * um 1188; † 31. Mai 1246 in der Abtei Fontevrault) war seit 1202 Gräfin von Angoulême und von 1200-1216 als zweite Gattin Johanns Ohneland Königin von England. Sie war das einzige Kind und die Erbin des Grafen Aymar Taillefer von Angoulême († 1202) und dessen Ehefrau Alix von Courtenay († 1218). Über ihre Mutter war sie eine Urenkelin des französischen Königs Ludwig VI. In zweiter Ehe heiratete sie 1220 den Grafen Hugo X. von Lusignan.

Aufgrund ihrer nach der Aussage von Zeitzeugen außergewöhnlichen Schönheit[1] und ihrer historischen Rolle wird sie bisweilen Helena des Mittelalters genannt. Ihr Leben weist einige Parallelen zur mythischen Figur Helena auf.

Inhaltsverzeichnis

Königin von England

Statue der Isabella von Angoulême vor dem ehemaligen Schloss und heutigen Rathaus von Angoulême.

Im Alter von etwa erst 12 Jahren wurde Isabella von Angoulême im Frühjahr 1200 mit dem gut zwanzig Jahre älteren Hugo IX. von Lusignan, Graf von La Marche, verlobt. Doch der englische König Johann Ohneland, der als Herzog von Aquitanien der Lehnsherr sowohl der Lusignans als auch der Grafen von Angoulême war, ließ seine erste Ehe mit Isabel von Gloucester annullieren und vermählte sich selbst am 24. August 1200 in Bordeaux[2] mit Isabella von Angoulême. Laut einigen Chronisten soll Johann diesen Schritt aus Liebe auf den ersten Blick zu dem 20 Jahre jüngeren Mädchen unternommen haben. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass er durch diese Heirat verhindern wollte, dass die beiden bedeutenden, bisher miteinander rivalisierenden Adelsfamilien der Grafen von Angoulême und Lusignan aufgrund ihrer geplanten Eheallianz künftig gemeinsame Herrschaftsinteressen entwickelten und somit ein bedrohlicher Machtfaktor würden. Johann und seine junge Gemahlin reisten nach ihrer Hochzeit nach Chinon und weiter nach England, wo Isabella am 8. Oktober 1200 von Erzbischof Hubert Walter in der Westminster Abbey in London zur Königin gekrönt wurde. Im Mai 1201 begleitete sie Johann auf einer Reise in die Normandie.

Die Lusignan-Familie hatte jedoch inzwischen gegen Isabellas Ehe Einspruch erhoben und Johann des Brautraubes beschuldigt. Hilfesuchend wandte sie sich an den französischen König Philipp II. August, der wiederum der Lehnsherr König Johanns für dessen französische Besitzungen war, zu denen auch Aquitanien gehörte. Philipp II. August war seine gesamte Regierungszeit darum bemüht, die Macht der Plantagenet-Dynastie (siehe: Angevinisches Reich) in Frankreich zu brechen. Zu Lebzeiten von König Richard Löwenherz, Johanns älterem Bruder, war er dabei jedoch unterlegen gewesen. Die Klage der Lusignans bot Philipp II. August nun die Möglichkeit für ein rechtliches Vorgehen gegen die Plantagenets. Zuerst wurde bei einem persönlichen Treffen des französischen und englischen Königs ein Kompromiss gefunden. Johann wollte nun aber hart gegen seinen widerspenstigen Vasallen Hugo IX. von Lusignan einschreiten, woraufhin sich dieser erneut an Philipp II. August wandte. Als Johann im Frühjahr 1202 eine Vorladung vor das vom französischen König nach Paris einberufene Hofgericht ignorierte, wurde er in einem Versäumnisurteil aller Lehen in Frankreich für verlustig erklärt. Bis zum Jahr 1204 gelang es Philipp II. August, Isabellas Ehemann aus den betreffenden Gebieten zu vertreiben. Auch Johanns aquitanische Vasallen sagten sich von ihm los und unterstellten sich dem französischen König.[3]

Isabella wurde als Wittum Grundbesitz in England (u. a. die Städte Exeter und Malmesbury) sowie in den englischen Besitzungen in Frankreich versprochen, dürfte aber zu Lebzeiten ihres Gemahls keine eigenen Ländereien als Heiratsgut verwaltet haben, so dass der König für ihre Ausgaben aufkam. Johann Ohneland soll anfangs mit seiner schönen jungen Gemahlin so viel Zeit verbracht haben, dass er darüber die Staatsgeschäfte vernachlässigte. Nach 1205 war er eher selten mit ihr zusammen und soll ihr sehr untreu gewesen sein, doch auch Isabella habe diverse Liebhaber gehabt, die Johann umbringen ließ.[4] Sie gebar ihrem Gatten fünf Kinder, die alle das Erwachsenenalter erreichten, darunter 1207 ihren ältesten Sohn und Thronerben Heinrich III.

1214 segelte Isabella mit ihrem Gemahl nach Frankreich, wo König Johann ihre Erbschaft in Angoulême unter seine Kontrolle bringen konnte. In England musste Johann dann aber gegen aufständische Barone kämpfen. Trotz der Unterzeichnung der Magna Carta (Juni 1215) geriet sein Königtum in Gefahr, als er die Urkunde durch den Papst für nichtig erklären ließ und der daraufhin von den Baronen zu Hilfe gerufene französische Kronprinz Ludwig (VIII.) im Mai 1216 auf den Britischen Inseln landete und in London einzog. Die rebellischen Barone waren gewillt, Ludwig die Krone anzutragen, als Johann bereits im Oktober desselben Jahres verstarb. Ihm folgte sein unmündiger Sohn Heinrich III. auf den Thron und Isabella sorgte für seine rasche Krönung. Ein Regentschaftsrat nahm für ihn die Belange der Krone wahr und eine modifizierte Form der Magna Carta wurde akzeptiert, woraufhin die Barone auf Heinrich III. umschwenkten und Ludwig (VIII.) 1217 endgültig den erstrebten englischen Königstitel aufgeben musste.

Ehe mit Hugo X. von Lusignan

Da Isabella offenbar kein Einfluss auf die Entscheidungen des Regentschaftsrats ihres Sohnes eingeräumt und der Besitz der zu ihrem Wittum gehörigen Burgen von Exeter und Rockingham sowie die Zahlung der ihr angeblich von Johann vermachten 3500 Mark verweigert wurde, kehrte sie im Juli 1217 nach Angoulême zurück, wo sie ihre Herrschaftsübernahme gegen den Widerstand der von ihrem verstorbenen Gemahl 1214 eingesetzten Verwaltungsbeamten durchsetzen konnte. Sie hielt gemäß einer Königin Hof und schmückte sich auch weiterhin mit ihrem königlichen Titel. Ohne wie vorgeschrieben die Zustimmung der englischen Regierung einzuholen, heiratete sie im April oder Mai 1220 den Sohn ihres ehemaligen Verlobten, Hugo X. von Lusignan, Graf von La Marche, der zwischenzeitlich mit ihrer eigenen ältesten Tochter aus erster Ehe, Johanna, verlobt worden war. Dafür wurde Johanna 1221 die Gemahlin des schottischen Königs Alexander II. Isabella gebar ihrem zweiten Gatten insgesamt neun Kinder, von denen ihr ältester Sohn als Hugo XI. seinem Vater 1249 als Graf von La Marche und Angoulême folgen sollte.

Der von Hugo X. im Namen seiner Gattin erhobene Anspruch auf die zu Isabellas Wittum gehörigen Güter in England und Frankreich wurde vom Regentschaftsrat Heinrichs III. zunächst akzeptiert; nach Zerwürfnissen wurden diese Ländereien aber 1224 endgültig beschlagnahmt. 1226 fand eine Aussöhnung mit der englischen Regierung statt. Heinrich III. wollte verlorengegangene englische Besitzungen in Frankreich zurückerobern und setzte im Rahmen dieser Unternehmungen 1230 selbst auf das Festland über. Dabei traf er erstmals auch seine Mutter seit deren im Jahr 1217 erfolgtem Verlassen Englands wieder. Der Eroberungsversuch Heinrichs III. hingegen war von keinem Erfolg gekrönt.[5]

Isabella, die sich mit ihrem Abstieg in der aristokratischen Hierarchie vom Rang einer Königin zu demjenigen einer bloßen Gräfin nur schwer abfinden konnte, hatte auf die französische Königinwitwe Blanka von Kastilien einen tiefen Hass. Alfons von Poitiers, der jüngere Bruder König Ludwigs IX., wurde am 24. Juni 1241 auf einem Hoftag in Saumur mit der Grafschaft Poitou und weiteren Territorien belehnt. Im darauffolgenden Juli hatten Hugo X. von Lusignan und seine Gattin Alfons in Poitiers in Anwesenheit Ludwigs IX. die Lehnstreue zu schwören. Isabella fühlte sich bei dieser Gelegenheit vom König und insbesondere der Königinwitwe Blanka öffentlich brüskiert. Als daher Hugo X. anschließend Ludwig IX. und Alfons zuvorkommend in seine Burg Lusignan einlud, machte Isabella ihrem Gatten nach der Abreise der Gäste wegen dieser Unterwerfungsgeste bittere Vorwürfe. Auf ihre Initiative soll es zurückgehen, dass Hugo X. Vorbereitungen für eine Erhebung gegen den französischen König traf und zu diesem Zweck ein Bündnis mit Heinrich III. von England aushandelte, dem auch Graf Raimund VII. von Toulouse und andere unzufriedene Magnaten Poitous beitraten. Ein mitentscheidender Faktor war jedenfalls, dass die Oberherrschaft der französischen Krone im Poitou drückender als die früher von den Plantagenets ausgeübte empfunden wurde.

Zu Weihnachten 1241 reisten Hugo X. und Isabella an den Hof Alfons’ von Poitiers, kündigten ihm mit scharfen Worten den Lehnseid auf und bahnten sich mit ihren Soldaten den Fluchtweg durch Alfons’ Truppen. Einige Monate später setzte der englische König nach Frankreich über und wurde am 13. Mai 1242 bei seiner Landung in Royan von seiner Mutter Isabella empfangen. Unterdessen rückte Ludwig IX. mit seinen Streitkräften heran. Wahrscheinlich in diese Zeit ist ein Bericht des französischen Chronisten Guillaume de Nangis zu setzen, laut dem Isabella zwei Köche bestochen haben soll, den französischen König zu vergiften. Dies hätten die Köche nach der Entdeckung ihres Komplotts gestanden und seien gehängt worden. Als Isabella vom Scheitern ihres Attentats erfahren habe, sei sie so wütend geworden, dass sie sich zuerst erstechen habe wollen und, nachdem ihr das Messer entwunden worden sei, längere Zeit vor Ärger ernsthaft krank gewesen wäre.

Heinrich III. von England wurde von den Franzosen am 21. Juli 1242 in der Schlacht bei Taillebourg geschlagen und erlitt am Tag darauf gemeinsam mit Hugo X. von Lusignan bei Saintes erneut eine Niederlage. Der englische König hielt daraufhin dem verbündeten Grafen von La Marche vor, dass dieser eine effektivere militärische Unterstützung versprochen habe, doch Hugo X. wies die Beschuldigung mit der Behauptung zurück, dass nicht er, sondern seine Gattin die Initiatorin der antifranzösischen Allianz gewesen sei. Am 26. Juli begab sich Hugo X. mit Isabella und seinen Kindern zu Ludwig IX. und bat demütig um Verzeihung, die ihm gewährt wurde. Auch von anderen Verbündeten im Stich gelassen, zog Heinrich III. sich hingegen nach England zurück.[6]

1243 teilten Isabella und ihr Gemahl den Familienbesitz unter ihren Kindern auf. Isabella zog sich in die Abtei Fontevrault zurück, wo sie am 31. Mai 1246 im Alter von etwa 58 Jahren starb. Sie wurde zunächst im Kapitelhaus beigesetzt. Als ihr Sohn König Heinrich III. 1254 Fontevrault besuchte, überwachte er persönlich die Umbettung ihres Leichnams in die Abteikirche an eine Stelle neben den Sarkophagen von Heinrich II. Plantagenet und Eleonore von Aquitanien. Ihr Grabbildnis, eine als Holzskulptur gefertigte Liegefigur, ist noch heute in der Abtei zu besichtigen.

Isabellas Nachkommen

Isabellas Grab in Fontevrault

Aus Isabellas erster Ehe mit König Johann von England stammen folgende Kinder:

Aus Isabellas zweiter Ehe mit Hugo X. von Lusignan stammen folgende Kinder:

Literatur

  • H. G. Richardson: The Marriage and Coronation of Isabelle of Angoulême, in: The English Historical Review Vol. 61 (1946), S. 289–314
  • Fred. A. Cazel Jr. und Sidney Painter: The Marriage of Isabelle of Angoulême, in: The English Historical Review Vol. 63 (1948), S. 83–89
  • Dieter Berg: Die Anjou-Plantagenes. Stuttgart 2003.
  • Nicholas Vincent: Isabella of Angoulême. In: Oxford Dictionary of National Biography (ODNB), Bd. 29 (2004), S. 417-418.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Régine Pernoud, Herrscherin in bewegter Zeit. Blanca von Kastilien, Königin von Frankreich, Paris 1972, deutsche Übersetzung in 4. Auflage München 1997, ISBN 3-423-30359-X, S. 25.
  2. Laut Nicholas Vincent (ODNB Bd. 29, S. 417) fand die Heirat in Angoulême statt.
  3. Karl-Friedrich Krieger: Geschichte Englands I, 2. Auflage C. H. Beck München 1996, ISBN 3-406-33004-5, S. 140ff.
  4. Isabella von Angoulême, in: Dictionary of National Biography (DNB), Bd. 29 (1892), S. 63.
  5. Nicholas Vincent, ODNB, Bd. 29 (2004), S. 418.
  6. Régine Pernoud, Herrscherin in bewegter Zeit. Blanca von Kastilien, Königin von Frankreich, S. 218-226.


Vorgängerin Amt Nachfolgerin
Berengaria von Navarra Queen Consort von England
1200–1216
Eleonore von der Provence

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