Jüdische Gemeinde Bielefeld

Jüdische Gemeinde Bielefeld

Die Jüdische Gemeinde Bielefeld ist eine 1705 gegründete Religionsgemeinschaft in Bielefeld, deren Anfänge im 14. Jahrhundert zu finden sind. Sie ist heute als Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld Mitglied im Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe.[1]. Darüber hinaus hat sie sich der Union progressiver Juden in Deutschland angeschlossen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Gedenktafel für die im Jahr 1938 zerstörte Synagoge an der Turnerstraße

Der früheste dokumentarische Nachweis über die Ansiedlung von Juden in Bielefeld stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. In einer Urkunde vom 23. April 1345 wird erwähnt, dass der Graf von Ravensberg dem Bielefelder Kanonikus Gottfried de Blomenberge Besitzungen und Abgaben verpfändet hatte, darunter auch die jährlichen Abgaben der Juden in Bielefeld.

Während der Pestpogrome in den Jahren 1348-1350 wurden die Juden auch aus Bielefeld vertrieben. In Lübbecke soll es 1350 zu blutigen antijüdischen Massakern gekommen sein. Am 12. Februar 1370 gestattete der Graf von Ravensberg, Wilhelm von Jülich, den Juden die Rückkehr in ihre Heimat. Die in Bielefeld lebenden Juden (Saulus Vinoes, Simon Jutta, Nennkun von Hamelen, Nennken un Rethberghe, Johanna von Hamme mit Familien) standen von nun an unter unmittelbarem Schutz des Landesherrn, der ihnen die Sicherheit des Aufenthalts bzw. beim Verlassen der Stadt des Geleits verbürgte. Auch 1384, 1408 und 1430 erwähnen Urkunden Judenansiedlungen in Bielefeld.

Seit Mitte des 16. Jahrhunderts dürften in Bielefeld keine jüdischen Einwohner mehr ansässig gewesen sein, da Herzog Wilhelm V. von Jülich 1554 für das ganze Land ein Aufenthaltsverbot für Juden erließ (sog. "Jülicher Polizeiverordnung"). Ende des 16. Jahrhunderts setzte wieder eine langsame Zuwanderung ein. Der erste Nachweis für eine neuerliche Einwanderung von Juden in Bielefeld lässt sich den "Ratsverhandlungen der Stadt Bielefeld" vom 11. Juli 1586 entnehmen, wonach einer Familie Hertz gegen Zahlung von 20 Thalern für kurze Zeit der Aufenthalt in der Stadt erlaubt wurde. Gegen Entrichtung einer weiteren Gebühr durfte diese auch andere Juden aufnehmen.

1705 wurde die jüdische Gemeinde in Bielefeld formell gegründet.[2] Durch eine Schenkung gelangte die Gemeinde um das Jahr 1800 in den Besitz eines Gebäudes am Klosterplatz in der Bielefelder Altstadt (den früheren Wendtschen Hof). Zunächst wurden die Gottesdienste in den vorhanden Gebäuden abgehalten, bis es im Jahr 1847 zur Errichtung einer Synagoge kam. Nachdem Anfang des 20. Jahrhunderts die Räumlichkeiten in der alten Synagoge am Klosterplatz 5, verschiedenen Renovierungen zum Trotz, zu klein geworden waren, entschied sich die Gemeinde für den Bau eines neuen Gotteshauses.[3]

Ein Darlehen der Stadt Bielefeld ermöglichte den Kauf eines Grundstücks an der Turnerstraße in der Nähe des Kesselbrinks.[3] Am 20. September 1905 wurde die, nach den Plänen von Eduard Fürstenau errichtete Synagoge, feierlich eingeweiht. Das für 800 Gläubige ausgelegte Gebäude, wurde von einer 41 Meter hohen Kuppel gekrönt, auf deren Spitze ein vergoldeter Davidstern angebracht war.

Wie viele andere Synagogen in Deutschland wurde das Gotteshaus bei den Novemberpogromen im Jahre 1938 in Brand gesteckt und die Ruine später vollkommen beseitigt. Heute erinnert eine Gedenktafel an die alte Synagoge.[4] Der Brand der Bielefelder Synagoge wurde von einem Amateurfilmer festgehalten. Das bis heute erhaltene Filmdokument ist eine der wenigen Aufnahme einer brennenden Synagoge während der Pogrome am 9. November 1938. Als solche ist sie unter anderem im Jüdischen Museum Berlin, dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington sowie in verschieden TV Dokumentationen zu sehen.[5]. Die antisemitische Hetze in der Lokalpresse wurde immer stärker. Am 13. Dezember 1941 wurden etwa 1000 Juden aus der Gestapoleitstelle Münster nach Riga deportiert, davon ca. 420 aus dem Gestapobezirk Bielefeld, 88 Juden aus Bielefeld selbst. Die Deportationen wurden als „Verschickung“, „Evakuierung“, „Osteinsatz“, „Abschiebung“ getarnt. Weitere Deportationen folgten in die Konzentrationslager Auschwitz und Theresienstadt und an unbekannte Zielorten, bis auch in Bielefeld kein Jude mehr lebte.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gründete sich die Gemeinde als "Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld" neu. Eine neue Heimat fand sie 1951[6] in einem Gebäude an der Stapenhorststraße im Bielefelder Westen. Die Zuwanderung jüdischer Emigranten aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion führte seit den 1990er Jahren zu einem erheblichen Anwachsen der Gemeinde. Da sich der bisherige Betraum hierdurch als langfristig zu klein erwies, entstanden Pläne für eine neue Synagoge. Hierzu wurde die ehemalige Paul-Gerhard-Kirche an der Detmolder Straße umgebaut und 2008 als Synagoge Beit Tikwa ("Haus der Hoffnung") eingeweiht.

Gemeindevorsitzende

  • um 1826: Dr. Friedhelm
  • 1845-1889: Herr Blumenau
  • nach 1889: Felix Coblenz
  • danach: Moritz Katzenstein
  • bis zum Ende der Gemeinde 1942: Dr. Hans Kronheim
  • nach 1945: Max Hirschfeld
  • um 1962: Robert Eichengrün
  • danach: Artur Sachs, gestorben am 24. Juni 1997
  • danach: Alfred Spier
  • von 2001 bis 2010: Irith Michelsohn, Paul Yuval Adam
  • seit 2010: Elena Kolmakova, Paul Yuval Adam

Einzelnachweise

  1. http://www.jmw-dorsten.de/files/J%FCdische%20Gemeinden%20in%20Westfalen07.pdf
  2. Union progressiver Juden: Bielefeld. In: Union progressiver Juden, 2005. Abgerufen am 20. September 2008. 
  3. a b Geschichte der Juden in Bielefeld vor der nationalsozialistischen Machtergreifung (1933). In: Jüdische Gemeinde Bielefeld, 2007. Abgerufen am 20. September 2008. 
  4. Sunderbrink, Wagner (2001): Das war das 20. Jahrhundert in Bielefeld. 1. Aufl. Gudensberg-Gleichen: Wartberg Verlag. S.9
  5. Synagogenbrand auf Film / Einzigartiges Bielefelder Dokument im Museum / Spende des Ehepaars Böcker. In: Bielefelder Tageblatt, 20. September 2005. Abgerufen am 10. Oktober 2008. 
  6. Das jüdische Gemeindeleben und die Synagoge. In: Historisches Museum Bielefeld. Abgerufen am 15. Oktober 2008. 

Weblinks


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