Jüdisches Leben in München

Jüdisches Leben in München
Gedenkstein für die alte Hauptsynagoge (Herzog-Max-Str.)
Die neue Hauptsynagoge in München im Jüdischen Zentrum München; rechts im Hintergrund das Jüdische Museum

Juden leben seit dem Mittelalter in München. Urkundlich wird ihr Aufenthalt 1229 erstmals erwähnt. Der in diesem Jahr genannte erste namentlich bekannte Jude in München hieß Abraham de Municha. Am 12. Oktober 1285 kam es zum ersten Pogrom, nachdem eine Frau „gestand“, die Münchner Juden hätten ein getauftes Christenkind getötet und sein Blut getrunken. Eine aufgebrachte Volksmenge zündete die Synagoge an, wobei 180 Juden, die sich in den ersten Stock geflüchtet hatten, in den Flammen umkamen. Zwei Jahre danach durften die Juden in die Stadt zurückkehren.

1442 wurden sie aus München vertrieben. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts siedelten sich Juden wieder in München an. Ihre Stellung in der Gesellschaft verbesserte sich unter dem Einfluss der „Judenemanzipation“ nach der Französischen Revolution aber nur sehr langsam.

Seit 1816 gibt es einen jüdischen Friedhof. Die erste neuzeitliche Münchner Synagoge wurde 1824 bis 1826 an der Westenriederstraße gebaut, erstaunlicherweise unter massivem Druck der Obrigkeit. Bis zu diesem Zeitpunkt trafen sich die Münchner Juden in vielen kleinen privaten Beträumen, die es über die ganze Stadt verteilt gab. Diese Situation missfiel den Behörden: Sie zwang die Gemeinde unter Androhung von Geld- und Arreststrafen zum Bau einer Synagoge. Diese entstand am damaligen Stadtrand, in der heutigen Westenriederstraße 7.

1882 wurde auf Betreiben von König Ludwig II. der zu diesem Zeitpunkt blühenden Jüdischen Gemeinde ein Grundstück in der Innenstadt, gegenüber der Maxburg für den Neubau der Hauptsynagoge zur Verfügung gestellt. Die neue Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße konnte am 16. September 1887 eingeweiht werden und war zu diesem Zeitpunkt die drittgrößte Synagoge Deutschlands – in unmittelbarer Nähe zur Frauenkirche. Sie gehörte der Gemeinde nach zum Reformjudentum.

Durch die starke Zuwanderung aus dem Osten stieg die Zahl der jüdischen Bevölkerung Münchens nach der Jahrhundertwende weiter an. 1910 gehörten 11.083 von 590.000 Einwohnern der Stadt dem jüdischen Glauben an (knapp 2% der Gesamtbevölkerung). Persönlichkeiten wie Lion Feuchtwanger, Bruno Walter, Hermann Levi, Max Reinhardt, Julius Spanier, Max Littmann, Otto Bernheimer oder Kurt Eisner trugen zum kulturellen, politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Leben Münchens bei.

In den 20er Jahre kam es zu ersten Übergriffen gegen jüdische Geschäfte und Personen. Fünf Monate vor der Reichspogromnacht, am 9. Juni 1938, wurde die Hauptsynagoge auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers hin abgerissen. Begründet wurde dies mit verkehrstechnischen Notwendigkeiten, vermutet wird ein Zusammenhang mit dem „Tag der deutschen Kunst“, der im benachbarten Deutschen Künstlerhaus begangen werden sollte.[1] Die Kosten für den Abriss des Gebäudes wurden der jüdischen Gemeinde auferlegt.

Die anderen Synagogen, die Synagoge des orthodoxen Vereins Ohel Jakob in der Herzog-Rudolf-Straße und die Synagoge in der Reichenbachstraße fielen dem SA-Mob vom 9. auf den 10. November 1938, der Reichspogromnacht zum Opfer. Am 10. November erklärte dazu die Münchner Kreisleitung der NSDAP:

„Die frechgewordenen Juden sind verhaftet. Das nationalsozialistische München demonstriert heute um 20 Uhr in 20 Massenkundgebungen gegen das Weltjudentum und seine schwarzen und roten Bundesgenossen[2]

Die Synagoge in der Herzog-Rudolf-Straße ging in Flammen auf. Den jüdischen Geschäften wurden größtenteils sämtliche Fenster eingeschlagen. Die Münchner Juden wurden in den folgenden Jahren vertrieben, deportiert und ermordet. Am 30. April 1945 fanden die amerikanischen Befreier nur noch 84 überlebende Juden in München vor.

Die am 19. Juli 1945 neu gegründete Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern konnte am 20. Mai 1947 die wiederhergestellte Synagoge in der Reichenbachstraße 27 einweihen. Bis 2006 stieg die Zahl ihrer Mitglieder durch die starke Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion auf rund 11.000 an. Die Räumlichkeiten des Gemeindezentrums in der Reichenbachstraße wurden daher zu eng. Dem unermüdlichen Engagement von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Münchner Gemeinde und seit 2005 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist es zu verdanken, dass am 9. November 2006, genau 68 Jahre nach der Pogromnacht, in der auch die alte orthodoxe Synagoge Ohel Jakob zerstört wurde, die neue Hauptsynagoge Ohel Jakob (Zelt Jakobs) am Sankt-Jakobs-Platz in der Münchner Innenstadt eröffnet werden konnte. Die neue Synagoge ist Bestandteil des neuen Jüdischen Zentrums. Neben der orthodox geführten Einheitsgemeinde gibt es in München die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom, die bis 2005 von Jan Mühlstein geleitet wurde. Es wird diskutiert, eine Synagoge für diese Gemeinde an der Westenriederstraße, am Ort der früher dort stehenden Synagoge, zu bauen.[3]

Literatur

  • Ilse Macek (Hrsg.): ausgegrenzt - entrechtet - deportiert. Schwabing und Schwabinger Schicksale 1933-1945. Volk Verlag, München 2008, ISBN 978-3937200-43-9. Wurde mit dem Simon-Snopkowski-Preis 2008 ausgezeichnet ([1],[2])
  • Richard Bauer und Michael Brenner (Hrsg.): Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C.H. Beck, München 2006. ISBN 3-406-54979-9. 287 S.
  • Beth ha- Knesseth - Ort der Zusammenkunft. Zur Geschichte der Münchner Synagogen, ihrer Rabbiner und Kantoren. Katalog zur Ausstellung im Jüdischen Museum München (2.12.1999 - 31.5.2000). Buchendorfer Verlag, München 1999. ISBN 3-934036-09-0
  • Stefan Wimmer: Vergangene Tage. Jüdisches Leben in München. Herausgegeben von StattReisen München. Buchendorfer Verlag, München 1999. ISBN 3-927984-92-2
  • Jüdisches Leben in München. Geschichtswettbewerb 1993/94. Hrsg. von der Landeshauptstadt München. Bearbeitet von Angelika Baumann. Buchendorfer Verlag, München 1995. ISBN 3-927984-38-8
  • Juliane Wetzel: Jüdisches Leben in München 1945-1951. Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs. München 1987. ISBN 3-87821-218-6
  • Gerd Thumser: Heimweh nach München. Das Schicksal der emigrierten jüdischen Bürger Münchens. Wurm, München 2. Aufl. 1967. 23 S.
  • Hans Lamm (Hrsg.): Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. Ner Tamid Verlag, München 1958. Erweiterte Ausgabe: Vergangene Tage. Jüdische Kultur in München. Langen Müller, München + Wien 1982. ISBN 3-7844-1867-8

Einzelnachweise

  1. Saskia Rohde: Die Zerstörung der Synagogen unter dem Nationalsozialismus. S. 156. In: Arno Herzig, Ina Lorenz (Hrsg.): Verdrängung und Vernichtung der Juden unter dem Nationalsozialismus. Hamburg 1992, ISBN 3-7672-1173-4
  2. Hans F. Nöhbauer: Die Chronik Bayerns. Chronik Verlag, Gütersloh/München, 3. aktualisierte und überarbeitete Auflage, 1994, S.496
  3. sueddeutsche.de: Der Traum von der eigenen Synagoge. Die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom sucht ein neues Domizil - Finanzierung ist noch ungeklärt. 23.02.2009 abgerufen am 23. Februar 2009

Weblinks


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