Jürgen Kuttner

Jürgen Kuttner

Jürgen Kuttner (* 9. Februar 1958 in Ost-Berlin) ist ein deutscher Radiomoderator, Kulturwissenschaftler, Theaterregisseur und freier Kunstschaffender. Er war einer der langjährigen Moderatoren des Rundfunksenders Fritz (RBB) sowie Mitbegründer der Ostausgabe der tageszeitung. Er ist der Vater der Moderatorin Sarah Kuttner.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jürgen Kuttner besuchte die Mathematik-Spezialoberschule Heinrich Hertz. Nach dem Abitur und abgeleistetem Grundwehrdienst bei der NVA wurde ihm ein Physik-Studienplatz zugeteilt, dem er jedoch ein kulturwissenschaftliches Studium vorzog. Weil er dort mangels freier Plätze abgelehnt wurde, übernahm Kuttner verschiedene Arbeiten, beispielsweise als Clubleiter, Hausmeister im Kindergarten und an archäologischen Grabungen. Mit 22 Jahren konnte er sein Studium der Kulturwissenschaft (Ästhetik, Kulturtheorie und Philosophie) an der Humboldt-Universität zu Berlin aufnehmen. 1987 promovierte er mit der Arbeit „Massenkultur und Masse“ zum Dr. phil. Bis zur Wende war er beim Verband Bildender Künstler der DDR beschäftigt. 1990 war er maßgeblich an der Gründung der Ostausgabe der tageszeitung beteiligt, für die er bis 1992 arbeitete.

Radiolaufbahn

Seine Radio-Laufbahn begann beim DDR-Jugendsender DT64, aus dem im Januar 1992 das Rockradio B des Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) hervorging. Dort füllte er ohne große Vorkenntnisse vom Radio erstmals eine ganze Sendung. 1993 entstand aus der Kooperation mit dem SFB der Radiosender Fritz. Bis Ende 2007 war die von Jürgen Kuttner alias Käptn Kirk Kuttner alias Sven (weitere Pseudonyme…) moderierte Sprechfunk-Sendung ein fester Bestandteil des Sendeprogramms, die letzten Jahre dienstags um 22 Uhr im Blue Moon.

1994 startete im dritten Programm des ORB die Sendung Null Uhr Kuttner, die im Wesentlichen wie Sprechfunk im Fernsehen funktionierte und Anfang März 1996 durch das ähnliche Format Kuttner zweimal klingeln abgelöst wurde, welches sogar im Nachtprogramm der ARD wiederholt wurde.

Ein großer persönlicher Bruch erfolgte im Januar 1995, als Jürgen Kuttner seine IM-Tätigkeit für das MfS in den Jahren 1977 bis 1983 zugab und daraufhin seine Radio- und Fernsehtätigkeit unterbrach. Kuttner erklärte, dass er die Arbeit des Geheimdienstes als Verteidigungsmaßnahme der DDR gegenüber ihren vielfältigen Gegnern damals als legitim und seine Gespräche mit dem MfS nicht als Denunziation, sondern als „Vermittlergespräche“ empfunden habe.[1] Die Gauck-Behörde fand kein belastendes Material und Kuttner ging im März desselben Jahres wieder auf Sendung.

Seine schnodderige, liebevolle und humorvolle Art, seine Redegewandtheit, die auch bei kompliziertesten Satzgebilden selten versagt und die Geschicktheit, immer wieder unerwartete Aspekte in Gesprächen mit Anrufern einzubringen und diesen interessante Details zu entlocken, bescherten ihm eine große Fangemeinde.

Ein Anliegen Jürgen Kuttners war und ist auch die Vermittlung von Kultur, insbesondere auch der Tonkultur. Die Redezeiten des Moderators und der Hörerinnen und Hörer in seinen Sendungen überwiegen meist bei weitem den Musik- und Nachrichtenanteil. Obwohl das musikalische Repertoire sehr weit gefächert ist, werden immer wieder Titel von Ernst Busch, Jimi Hendrix, PJ Harvey, Nirvana und Funny van Dannen gespielt.

Schon unter seinen frühen Sendungen waren einige herausragend. Unter anderem wurde in einer Sendung über die Tatsache, dass Elche keine Kniegelenke haben oder über die Nichtexistenz von Sachsen-Anhalt philosophiert. Auch führte Kuttner eines der letzten Interviews mit Heiner Müller.

Feste Beiträge zu den Sendungen, wie zum Beispiel die Expertengespräche mit Stefan Schwarz, aber auch Hörerbeteiligungen über den so genannten Halbautomatischen Anrufbeantworter haben einen Rahmen geprägt, der auch für andere Sendungen deutscher Rundfunkanstalten Vorbild ist. Hörer gestalteten auch direkt das Sendeformat mit, so wurden aus tonkünstlerischen Zusammenschnitten und Verfremdungen eines Hörers mit der Zeit ein jeweiliger Rückblick auf die vorhergehende Sendung.

Viele Jahre endete der Sprechfunk mit dem von Franz Schubert vertonten Wilhelm-Müller-Gedicht Gute Nacht. Es beginnt mit der Zeile: Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus (Gesang: Eberhard Büchner, Piano: Norman Shetler). Das Stück ist das erste der 24 Lieder des Liederzyklus Winterreise.

Von Januar 2002 bis Juli 2006 war Jürgen Kuttner auch als Radiomoderator der Nightline auf YOU FM, einem Jugendformat des Hessischen Rundfunks tätig (ehemals Talk X auf hr XXL). Im September 2007 moderierte er schließlich den letzten Sprechfunk auf Radio Fritz.

Ab dem 18. November 2007 moderierte er sonntags von 21:00 bis 23:00 Uhr die Sendung Kuttner und Kuttner zusammen mit seiner Tochter Sarah Kuttner auf dem rbb-Hörfunksender Radio Eins.[2] Die vorerst letzte Sendung lief am 27. April 2008, da Sarah Kuttner aufgrund der vielen Fernsehdreharbeiten keine Zeit mehr für die Sendung hatte.[3]

Andere Tätigkeiten

Neben seinen legendären Sprechfunkabenden auf Radio Fritz hat der Moderator an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit seinen meist monatlichen Videoschnipselvorträgen „Von Mainz bis an die Memel“ Kultstatus erlangt. Durch seine kommentierten Videoschnipsel (z.B. „Kuttner erklärt die Welt“) ist Jürgen Kuttner mittlerweile überregional in Deutschland, Österreich und der Schweiz bekannt. Darüber hinaus gestaltet er zahlreiche literarische Abende und wirkt zeitweise an verschiedenen Theaterprojekten als Autor, Darsteller und/oder in der Regiearbeit mit.

Einige Projekte seien hier genannt:

  • Renegaten? Lei-Feng!
  • Helden des 20. Jahrhunderts, zusammen mit Tom Kühnel, Suse Wächter, u. a.
  • Die Schöpfer der Einkaufswelten, mit Tom Kühnel
  • Vom Jasagen und Neinsagen – ein Seminar für Führungskräfte, mit Tom Kühnel

Seit April 2007 hat Jürgen Kuttner sein Format des Videoschnipselvortrags für das Internet adaptiert und betrieb einen Videoblog bei der Netzeitung, bis diese 2009 eingestellt wurde.

Zu Beginn der Theatersaison der Stadt Köln fand, an der Spielplanthematik ausgerichtet, am 13. Oktober 2007 in der Museumshalle Kalk in Köln die Premiere von Fordlandia. Eine Fließbandproduktion, des neuesten Theaterprojekts von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner über die Ford-Werke, statt. Inhalt: „[…] 1973 sollen bei ‚Ford‘ 300 türkische Arbeiter entlassen werden, die zu spät aus dem Urlaub zurückkehrten. Es kommt zum Streik und zur Zerreißprobe.“ Am 4. September 2010 erlebte das Stück "Die Sorgen und die Macht" von Peter Hacks in der Regie von Jürgen Kuttner und Tom Kühnel am Deutschen Theater Berlin seine Premiere.

Danach führte Kuttner – wieder gemeinsam mit Tom Kühnel – Regie bei dem Stück Mentallica für das Schauspiel Köln. Auch an diesem Projekt war Suse Wächter beteiligt. Im September 2011 folgte die Inszenierung Capitalista, Baby! an den DT-Kammerspielen, eine Adaption von Ayn Rands The Fountainhead.

Persönliches

Jürgen Kuttner hat drei Töchter, von denen Sarah Kuttner (* 1979) durch ihre Tätigkeit als Fernsehmoderatorin bekannt geworden ist.

Werke

  • Das große Sprechfunk-Lesebuch, herausgegeben von Jörg Köhler, Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 1995, ISBN 3-89602-040-4
  • Zusammen mit Stefan Schwarz: Experten-Gespräche, Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 1996, ISBN 3-89602-052-8
  • Zwei Schmetterlinge suchen im Führerhauptquartier das Klo., Gespräche mit dem Universalgelehrten Stefan Schwarz, Reihe: Critica Diabolis, Band 132, Bittermann Verlag, 2005 ISBN 3-89320-090-8

- "Die Geburt des radikalen Islamismus aus dem Hüftspeck des deutschen Schlagers: und andere West-östliche Denkwürdigkeiten", Verlag rororo, 2009, ISBN 9783499625114

  • CD Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot - Werke von 1994.
  • CD Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot - Tänze von 2000.

Einzelnachweise

  1. Vera Hofmann: Die strafrechtlichen Aspekte der Organisation und Arbeitsweise des Ministeriums für Staatssicherheit. Berlin, Freie Univ., Diss., 2001, S. 19.
  2. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0922/medien/0019/index.html
  3. Newseintrag vom 15. April 2008

Weblinks


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