Deutsches Theater Berlin

Deutsches Theater Berlin
Kammerspiele (links) und Deutsches Theater (rechts), 2011
Die späteren Kammerspiele (links) und das Deutsche Theater (rechts), ca. 1903

Das Deutsche Theater (DT) in der Friedrich-Wilhelm-Stadt im Ortsteil Mitte (Bezirk Mitte) in Berlin wurde 1850 als Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater eröffnet und pflegte zunächst ein Unterhaltungsrepertoire. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts war es eine privat geführte und finanzierte Bühne mit bildungsbürgerlichem Spielplan. Im 20. Jahrhundert diente es überwiegend der Aufführung von Schauspielen, mit einem großen Anteil klassischer Stücke und eher konservativem Publikum. Seit den 1990er-Jahren gehört es zu den vier subventionierten, als Regiebetriebe geführten Sprechbühnen Berlins.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Possentheater

Das Gebäude des Theaters wurde 1849/1850 von Eduard Titz im Auftrag von Friedrich Wilhelm Deichmann erbaut. Dieser betrieb ein Casino, in dessen Garten bereits über den Sommer eine kleinere Bühne erfolgreich Lustspiele und Possen darbot. Eröffnet wurde das neue Gebäude 1850 als Friedrich-Wilhelm-Städtisches Theater mit rund 600 Plätzen. Die Theatermacher verfolgten einen volkstümlich-unterhaltenden Anspruch, in einer Zeit, als das Königsstädtische Theater – mit ursprünglich der selben Zielsetzung – am Ende war. Ab 1860 wurden hier auch Operetten aufgeführt. Das Woltersdorff-Theater, das sich ab 1883 Neues Friedrich-Wilhelm-Städtisches Theater nannte, wurde wegen der Namensähnlichkeit oft mit diesem neuen Possentheater verwechselt.

Abwendung von der Unterhaltung

1883 begründete der Schriftsteller und Theaterkritiker Adolph L’Arronge mit einer Gruppe vermögender Schauspieler ein Theater mit einem anspruchsvolleren Programm, das die beliebten volkstümlichen Stücke mit Klassikern mischte. Er leitete dieses Deutsche Theater, das nun das Wilhelmstädtische Gebäude übernahm, bis 1894 selbst. Ihm folgte von 1894 bis 1903 Otto Brahm. Brahm, der als Kritiker noch gegen L’Arronge eingewandt hatte, dieser habe zu wenig „gute Stücke“ inszeniert, brachte neben der Aufführung der Klassiker nun auch zeitgenössische Stücke des Naturalismus auf die Bühne und setzte Autoren wie Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Arthur Schnitzler durch.

Die Ära Reinhardt

Ab 1905 übernahm der schon 1895 als Schauspieler engagierte Max Reinhardt die Leitung des Hauses, das er 1906 auch erwarb. 1906 ließ Reinhardt einen 1850 ebenfalls von F. W. Deichmann auf dem Nachbargrundstück erbauten Ballsaal durch William Müller zu einem weiteren Theater umbauen, das 1906 als Kammerspiele eröffnet wurde. In engerem Rahmen und privat anmutender Atmosphäre sollte hier die damalige dramatische Moderne zugänglich gemacht werden.

Zeit des Nationalsozialismus

Nachdem Reinhardt 1932 das Haus verlassen hatte, wurde Heinz Hilpert 1934 Intendant und führte das Haus durch die Zeit des Nationalsozialismus bis zur Schließung 1944. Verglichen mit seinem Hauptkonkurrenten – dem repräsentativen Staatstheater am Gendarmenmarkt – war das Deutsche Theater Reinhardts und Hilperts eine Bühne der feinen Nuancen und der leisen Töne mit einem klassisch-humanistischen Programm.

1945 bis zum Ende der DDR

Das Deutsche Theater 1962

Am 7. September 1945 wurde das Theater unter dem Aristokraten und Kommunisten Gustav von Wangenheim wiedereröffnet. Die Berliner standen nach Karten für die erste Aufführung nach dem Ende des Krieges an, es gab Lessings Nathan der Weise und die deutsche Erstaufführung von Unsere kleine Stadt von Thornton Wilder. Nach von Wangenheim wurde 1946–1963 Wolfgang Langhoff neuer Intendant, der zu einer Polarisierung zwischen Ost- und West-Berliner Theatern beitrug. Er begründete eine neue Ära, in der Benno Besson mit seinen Inszenierungen Schule machte. Nach Langhoffs Zerwürfnis mit den Kulturverantwortlichen im Zentralkomitee der SED folgten ihm Wolfgang Heinz, Hanns Anselm Perten, Gerhard Wolfram (1972–1982), Rolf Rohmer (1982–1984) und Dieter Mann als Intendanten. 1989 beteiligten sich auch DT-Schauspieler an den Massen-Protesten, die in ihrer Gesamtwirkung zum Fall der Mauer führten.

Außer für Theateraufführungen dienten das Deutsche Theater und die angeschlossenen Kammerspiele auch als anspruchsvoller Veranstaltungsraum für Konferenzen oder Jugendweihefeiern.

Nach der Wende

Nach der Wende übernahm Wolfgang Langhoffs Sohn Thomas Langhoff die Intendanz des Theaters (1991–2001). Von 2001 bis 2008 wurde das DT von Bernd Wilms geleitet. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Haus erneut zu einer der führenden Bühnen des Landes. Besonders die vier festen Regisseure Barbara Frey, Dimiter Gotscheff, Jürgen Gosch und Michael Thalheimer wirkten prägend. Thalheimer war von 2005 bis 2008 Mitglied der Künstlerischen Leitung des Hauses. In der Spielzeit 2008/09 war Oliver Reese interimistisch Intendant. Ab der Spielzeit 2009/2010 übernahm Ulrich Khuon die Intendanz.

Das Deutsche Theater auf einer Briefmarke 1993

2005 wurde das DT als Theater des Jahres ausgezeichnet. Die Produktionen Wer hat Angst vor Virginia Woolf? von Edward Albee (Regie: Jürgen Gosch), Die Orestie von Aischylos (Regie: Michael Thalheimer), sowie im Jahr 2008 Die Ratten von Gerhart Hauptmann (Regie: Michael Thalheimer) und Anton Tschechows Onkel Wanja (Regie: Jürgen Gosch) wurden zum Berliner Theatertreffen, dem jährlichen Best of-Festival der deutschsprachigen Bühnen, eingeladen. 2008 bekam das DT insgesamt 6 von 9 Auszeichnungen: Es wurde Theater des Jahres[1], Jürgen Goschs Version Onkel Wanja ist die Inszenierung des Jahres und zeigt auch die Schauspieler des Jahres: Für ihre Darstellung der Jelena sowie für ihre Frau John in Die Ratten wählte die Jury Constanze Becker zur Schauspielerin des Jahres. Ulrich Matthes als Wanja und Jens Harzer als Astrow teilen sich den Titel Schauspieler des Jahres. Olaf Altmanns Bühnenbild für Die Ratten wurde zum Bühnenbild des Jahres gekürt. Niklas Kohrt spielt den Bruno Mechelke in Die Ratten und ist Nachwuchsschauspieler des Jahres. Ensemblemitglieder wie Nina Hoss, Ulrich Matthes und Niklas Kohrt wurden mit Darsteller-Preisen geehrt. Internationale Preise gingen an Gastspiele wie Emilia Galotti von Gotthold Ephraim Lessing (Regie: Michael Thalheimer) und Lolita von Vladimir Nabokov (Regie: Oliver Reese).

Das Deutsche Theater beherbergt drei Bühnen: Das Große Haus mit ca. 600 Plätzen in einem Saal von 1850 mit überwiegend klassischem Repertoire, die Kammerspiele mit ca. 230 Plätzen (1906 von Max Reinhardt in modernem Design eingerichtet), die sich zeitgenössischer und moderner Dramatik widmen und die 2006 neu eröffnete Box - eine kompakte Blackbox im Foyer der Kammerspiele mit achtzig Zuschauerplätzen für hautnahes Theater, neue Texte und aktuelle Themen. Im Jahr 2010 beschloss der Senat von Berlin, auf der Rückseite des Gebäudekomplexes ein neues Probebühnenzentrum errichten zu lassen. Das L-förmige Gebäude auf dem Hof, von dem Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner entworfen, wird drei Probebühnen übereinander besitzen und außerdem Werkstätten, Garderoben- und Büroräume enthalten. Baubeginn des mit rund 9,9 Millionen Euro veranschlagten Neubaus soll im Frühjahr 2012 sein.[2]

Auch international ist das Deutsche Theater erfolgreich präsent. Bei mehr als 200 Gastspiel-Vorstellungen seit 2001 sahen zehntausende Besucher Produktionen wie Emilia Galotti, Faust I, Faust II, Wer hat Angst vor Virginia Woolf? und Die Perser in Europa, Südamerika, USA und Japan. Durch die Offenheit und Vielfalt seines Programms und das Bekenntnis zu großen Schauspielern, Regisseuren und Dramatikern wahrt das DT bis heute seinen historischen Anspruch.

Personen

Reinhardt-Ära

Zum Ensemble des Deutschen Theaters gehörten unter der Intendanz von Max Reinhardt u. a. folgende Schauspielerinnen und Schauspieler: Lída Baarová, Ewald Balser, Elisabeth Bergner, Curt Bois, Paul Dahlke, Marlene Dietrich, Käthe Dorsch, Tilla Durieux, Willy Fritsch, Gustav Fröhlich, Otto Gebühr, Heinrich George, Dolly Haas, Paul Henckels, Eduard Hermann, Lucie Höflich, Marianne Hoppe, Paul Hörbiger, Brigitte Horney, Emil Jannings, Friedrich Kayssler, Eugen Klöpfer, Hermine Körner, Kurt Lieck, Harry Liedtke, Theodor Loos, Evelyn Meyka, Alexander Moissi, Grete Mosheim, Max Pallenberg, Erich Ponto, Fritz Rasp, Leni Riefenstahl, Heinz Rühmann, Adele Sandrock, Sybille Schmitz, Conrad Veidt, Elsa Wagner, Hermann Wedekind, Paul Wegener, Mathias Wieman und Eduard von Winterstein.

Gustaf Gründgens arbeitete hier von 1928 bis 1933 als Regisseur.

Hilpert und Gustav von Wangenheim – Drittes Reich und Nachkriegszeit

Heinz Hilpert, Gustav von Wangenheim

In der DDR

Regisseure waren u. a. Wolfgang Langhoff, Thomas Langhoff, Wolfgang Heinz, Benno Besson, Friedo Solter, Adolf Dresen, Rolf Winkelgrund, Alexander Lang und Heiner Müller. Autoren des Hauses waren u. a. Heinar Kipphardt, Peter Hacks und Armin Stolper. Berühmte Schauspieler waren u. a. Herwart Grosse, Dieter Franke, Ralf Dittrich, Fred Düren, Elsa Grube-Deister, Klaus Piontek, Eberhard Esche, Rolf Ludwig, Kurt Böwe, Irma Münch, Hilmar Thate und Ulrich Thein. Theaterkapellmeister und -komponist war Reiner Bredemeyer.

Nachwendezeit

Regisseure sind u. a. Thomas Langhoff, Michael Thalheimer, Jürgen Gosch, Barbara Frey, Dimiter Gotscheff und Andreas Dresen. Auf der Bühne stehen u. a. Inge Keller, Otto Mellies, Jutta Wachowiak, Dieter Mann, Jörg Gudzuhn, Dagmar Manzel, Valery Tscheplanowa, Wolfram Koch, Samuel Finzi, Ingo Hülsmann, Sven Lehmann, Constanze Becker und Nina Hoss. Als Gäste wurden u. a. Corinna Harfouch, Ben Becker, Martina Gedeck und Angela Winkler engagiert.

Literatur

  • Siegfried Jacosohn: Das Theater der Reichshauptstadt. München 1904.
  • Alfred Dreifuss: Deutsches Theater Berlin Schumannstraße 13a. Fünf Kapitel aus der Geschichte einer Schauspielbühne. Berlin 1983.
  • Herbert Ihering (Hrsg.): 70 Jahre Deutsches Theater. Berlin 1953.
  • Heinar Kipphardt (Hrsg.): Deutsches Theater. Bericht über 10 Jahre. Berlin 1957.
  • Michael Kuschnia (Hrsg.): 100 Jahre Deutsches Theater Berlin. Berlin 1983.
  • Alexander Weigel: Das Deutsche Theater. Eine Geschichte in Bildern. Berlin 1999.

Weblinks

 Commons: Deutsches Theater Berlin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Deutsches Theater ist 'Theater des Jahres' , Artikel im 'Tagesspiegel' vom 29. August 2008
  2. Drei Probebühnen übereinander. Deutsches Theater erhält Neubau auf dem Hof. Information in der 'Berliner Zeitung' vom 3. März 2010, S. 19
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