KHM 114

KHM 114

Vom klugen Schneiderlein ist ein Märchen (Typ 850, 1061, 1157 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 114 enthalten (KHM 114).

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Eine stolze Prinzessin gibt ihren Freiern Rätsel auf. Drei Schneider, von denen die zwei älteren sich für sehr klug, aber den dritten für dumm halten, sollen raten, welche Farbe die zwei Haare auf ihrem Kopf haben. Der erste rät Schwarz und Weiß, der zweite Braun und Rot, doch der dritte dann richtig Silber und Gold. Sie will ihn aber nicht und verlangt von ihm, noch eine Nacht bei einem Bären im Stall zuzubringen. Der Schneider bietet ihm Nüsse an und knackt sie mit den Zähnen, gibt ihm aber Steine, die der Bär nicht aufbringt. Dann geigt er ihm vor, dass er tanzen muss. Unter dem Vorwand, ihn zum Geigen zu unterrichten, spannt er seine Tatzen zum Klauenschneiden in einen Schraubstock und schläft dann in Ruhe. Nun muss die Prinzessin mit ihm zur Kirche fahren, doch die zwei neidischen Gefährten befreien den Bären, der hinterherkommt. Der Schneider streckt seine natürlich mageren Beine aus dem Kutschenfenster und ruft ihm zu, das sei der Schraubstock. Der Bär lässt ab. Der Schneider bekommt die Prinzessin.

Herkunft

Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm enthalten das Märchen seit dem zweiten Teil der Erstauflage 1815 (da Nr. 28) an Stelle 114. Ihre Anmerkungen vermerken Aus der Schwalmgegend in Hessen und vergleichen KHM 20 Das tapfere Schneiderlein. Das Raten des Gold- und Silberhaares komme auch sonst vor. Sie nennen weitere Quellen.

Vergleiche auch: KHM 22 Das Rätsel, KHM 134 Die sechs Diener, KHM 191 Das Meerhäschen.

Interpretation

Das Märchen verbindet zwei Motive, die zeigen, dass es für Mitteleuropa fremdartige Kulturmerkmale mitträgt. Diese sind (1) die Matrilokalität der Ehe, d.h., Schwiegersöhne ziehen zu den Brauteltern (und nicht Schwiegertöchter zu den Bräutigamseltern), und (2) - etwas verborgen - die Ultimogenitur, d.h., die jüngsten Söhne erben und nicht die ältesten. Da diese Brauchtümer in Deutschland unüblich waren, mussten sie durch die Ausgestaltung der Persönlichkeiten plausibel gemacht werden. Das erste Merkmal wird mit der besonderen List des geringsten Freiers erklärt (es muss nicht immer ein verachtetes Wanderschneiderlein sein, vergleichbare Märchen benutzen einen Schweinehirten oder einen durch die Welt irrenden Prinzen - vgl. Dornröschen); dass auch nicht jeder Freier willkommen ist, wird oft mit der Grausamkeit der Prinzessin (Turandot-Motiv) oder sonst auch mit der Härte des Brautvaters begründet (vgl. Der Teufel mit den drei goldenen Haaren). Das zweite Merkmal muss den unbrüderlichen Neid besonders betonen.

Literatur

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 207, 490. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)

Weblinks


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