Das tapfere Schneiderlein

Das tapfere Schneiderlein
Das tapfere Schneiderlein; Darstellung von Alexander Zick
Das tapfere Schneiderlein überlistet die Riesen - Bildpostkarte 19. Jh.

Das tapfere Schneiderlein ist ein Märchen (ATU 1640, 1051, 1052, 1060, 1062, 1115). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der Erstauflage von 1812 an Stelle 20 (KHM 20). In der Erstauflage lautete der Titel Von einem tapfern Schneider. Ludwig Bechstein übernahm es ebenfalls nach Montanus in sein Deutsches Märchenbuch als Vom tapfern Schneiderlein (1845 Nr. 2, 1853 Nr. 1).

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Die Hauptfigur ist ein armer Schneider, der am Anfang der Geschichte beim Essen von Pflaumenmus von Fliegen gestört wird. Wütend schlägt er mit einem Tuchlappen auf die Tiere ein und tötet alle Sieben. Begeistert von seiner Tat näht er eine große „7“ auf einen Gürtel und geht in die Welt hinaus, dass es jeder erfahre. Es wird jedoch missverstanden, und man hält den Schneider für einen Kriegshelden, der sieben Männer auf einen Schlag tötete.

Davon hört auch der König, der prompt Angst vor dem Helden der Geschichte bekommt. Er lässt diesen zu sich kommen und verspricht ihm die Hand seiner Tochter, wenn er ihn von zwei grausamen Riesen befreit, die sein Land verwüsten. Insgeheim aber verfolgt der König damit die Absicht, den gefährlichen Schneider loszuwerden, indem er fest damit rechnet, dass dieser im Kampf mit den Ungeheuern umkommt.

Unser Held findet bald die beiden Plünderer. Zum Glück schlafen sie, und der Schneider hat auch schon eine Idee. Er klettert in den Baum, unter dem die Riesen liegen, und wirft einen Tannenzapfen auf den ersten. Dieser wacht auf und hält seinen Freund für den Schuldigen. Er weckt ihn auf, aber der Schläfer bestreitet die Tat. Als beide wieder eingeschlummert sind, trifft der Schneider den zweiten. Zum zweiten Mal wird dieser geweckt, wütend und beginnt, auf seinen Freund einzuschlagen. Bald ist eine Prügelei im Gange, die eine volle Viertelstunde dauert. Nachdem die Riesen alle Differenzen beigelegt haben und nun wieder schlafen, wirft der listige Schneider jeweils einen Tannenzapfen auf beide. Die streitlustigen Riesen wachen auf, sehen sich an und schlagen solange aufeinander ein, bis beide tot sind.

Ab hier gibt es zwei Versionen. In der einen akzeptiert der König die Tat und ernennt den Schneider direkt zum König. In der anderen, traditionelleren Version, akzeptiert der Herrscher die Heldentat nicht und schickt den Helden erneut los, um das Einhorn zu fangen, das das Land durchstreift. Auch hier zeigt sich der Einfallsreichtum des Schneiders, denn als er das wilde Tier zum Kampf herausfordert und jenes mit dem Horn voran angreift, springt er zur Seite und lässt das Einhorn in einen Baum rammen. Als er ihm das Horn abbricht, wird es lammfromm und kann zum König geführt werden.

Dieser jedoch fordert eine weitere Probe seines Könnens, nämlich dass ein schreckliches Wildschwein lebend gefangen wird. Auch hier bleibt der Nadelschwinger souverän: Er lässt das Ungeheuer in eine verlassene Kirche rennen und sperrt es anschließend dort ein.

Illustration von Offterdinger

Nun kann der König nicht anders und muss dem armen Schneider seine Tochter und das Königreich geben.

Anmerkungen

Moral

Die Moral von der Geschichte ist, dass auch der Schwache, wenn er nur selbstbewusst und einfallsreich ist, Großes erreichen kann.

Soziologisches

Das „tapfere Schneiderlein“ gehört zu den nicht seltenen Figuren, wie einem Schweinehirten, einem abgedankten Soldaten oder einem, der auszog, das Fürchten zu lernen, immer also jemand ‚von weit weg‘, der eine Königstochter erringt und den Vater beerbt („das halbe Reich“ bekommt oder dgl.). Es geht hier um die Geschichte einer matrilinearen Erbfolge, wo die Krone über die Töchter vererbt wird und nicht an die Söhne geht, sondern an die Töchtergatten. Die Söhne müssen also ausziehen und ihr Glück anderswo versuchen. Wandert die Geschichte in eine patrilineare Gesellschaft weiter, so brauchte man dort eine starke Erklärung, um diesen Erfolg zu verstehen. Bei Das tapferen Schneiderlein ist es die ausnehmende List und Dreistheit der Titelfigur.

Vergleiche

Vgl. Das tapfere Bettelmännlein in Ludwig Bechsteins Neues deutsches Märchenbuch, zum Dialog der Riesen Des Hundes Not Deutsches Märchenbuch (und in der Ausgabe von 1845 Die hoffärtige Braut).

Interpretation

Der Schneider mit seiner Schere ist oft Bild scharfen Verstandes, er kämpft mit List und Anpassungsfähigkeit, macht mit Kleidern Leute. Siehe auch KHM 114 Vom klugen Schneiderlein, KHM 183 Der Riese und der Schneider. Wie auch der Däumling (KHM 37, 45) personifiziert er so den Trickster. [1]

Wilhelm Salber sieht zunächst eine Tendenz ins Große, den Riesen übertreffende, was durch Vernichtungsangst wiederum das Kleine bedingt und, aus Furcht vor Konsequenz, die Notwendigkeit zu durchschauen und Angst, durchschaut zu werden. Dazu muss der Aufschneider vertuschen, anderen zuschieben und sich zu eigen machen, Dinge entwerten oder überspringen, dem Zufall folgen. Der groß gewordene kann seine Herkunft nicht verkennen, die Proben dürfen nicht Selbstzweck werden. [2]

Theater

  • Das tapfere Schneiderlein. Ein Kindermärchenlustspiel in 3 Bildern von Robert Bürkner.
  • Das tapfere Schneiderlein von Robert Bürkner. Neufassung von Rolf B. Wessels.

Musik

  • Das tapfere Schneiderlein. Kleine Oper nach den Brüdern Grimm, Musik: Wolfgang Mitterer, Label: col legno (2007)

Film

Literatur

  • Hedwig von Beit: Gegensatz und Erneuerung im Märchen. Zweiter Band von «Symbolik des Märchens». 2. Auflage. A. Francke, Bern 1956. S. 498-501, 511.

Weblinks

 Wikisource: Das tapfere Schneiderlein – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Hedwig von Beit: Gegensatz und Erneuerung im Märchen. Zweiter Band von «Symbolik des Märchens». 2. Auflage. A. Francke, Bern 1956. S. 498-501, 511.
  2. Wilhelm Salber: Märchenanalyse. 2. Auflage. Bouvier Verlag, Bonn 1999, ISBN 3-416-02899-6, S. 36-39.

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