Das Meerhäschen

Das Meerhäschen

Das Meerhäschen ist ein Märchen (ATU 329). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 7. Auflage von 1857 an Stelle 191 (KHM 191) und stammt aus Josef Haltrichs Sammlung Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen von 1856 (Nr. 39: Von der Königstochter, die aus ihrem Schlosse alles in ihrem Reiche sah).

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Eine stolze Königstochter hat einen Turm mit zwölf Fenstern, wo sie durch eines schärfer sieht als durchs andere, im letzten alles über und unter der Erde. Nur wer sich vor ihr verstecken kann, darf sie heiraten, wer es aber vergeblich versucht, wird geköpft. Nachdem sich schon lange niemand mehr gemeldet hat, kommen drei Brüder. Die beiden älteren verstecken sich in ein Kalkloch und im Schlosskeller, sie sieht sie schon durchs erste Fenster und lässt ihre Köpfe auf den achtundneunzigsten und neunundneunzigsten Pfahl vor dem Schloss stecken. Der Jüngste erbittet sich einen Tag Bedenkzeit und drei Versuche. Er erwirbt die Dankbarkeit eines Raben, eines Fisches und eines Fuchses, indem er sie nicht erschießt und dem Fuchs einen Dorn aus dem Fuß zieht. Dafür versteckt ihn der Rabe in seinem Ei und der Fisch auf dem Grund des Sees in seinem Bauch, aber die Königstochter sieht ihn durchs elfte und zwölfte Fenster. Beim dritten Versuch führt ihn der Fuchs zu einer Quelle, wo sie als Tierhändler und Meerhäschen wieder herauskommen. Der Fuchs zeigt das Tier in der Stadt. Als die Königstochter es kauft, rät er ihm, sich unter ihren Zopf zu verstecken. Sie kann ihn nicht finden, zerschlägt vor Angst und Zorn die Fenster und verjagt das Meerhäschen. Als der Jüngling zurückkommt, fügt sie sich, weil sie glaubt, er könne mehr als sie.

Vergleiche: Das Rätsel (KHM 22), Sechse kommen durch die ganze Welt (KHM 71), Vom klugen Schneiderlein (KHM 114), Die sechs Diener (KHM 134), Prinzessin mit der Laus (KHM 85b).

Herkunft

Das Märchen ist in Josef Haltrichs Sammlung Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen (1856) als Nr. 39 Von der Königstochter, die aus ihrem Schlosse alles in ihrem Reiche sah enthalten.[1] Wilhelm Grimm übernahm es in die Kinder- und Hausmärchen ab der 7. Auflage (1857) anstelle Der Räuber und seine Söhne, das zu sehr an Polyphem erinnerte. Dass die Königstochter dem Jüngsten die drei Versuche seiner Schönheit wegen gewährt, ist Wilhelms Interpretation. Sonst wurde der Text nur sprachlich geglättet. Er ist bei Grimm ohne Anmerkung. Meerhäschen ist sächsisch für Kaninchen. Hans-Jörg Uther bemüht zur Altersbestimmung des Märchens eine Dissertation von Ingrid Hartmann, die am ehesten eine Entstehung in Südosteuropa Mitte des 19. Jahrhunderts vermutet. Älter sei nur die färöische Ballade Lokka táttur: Loki versteckt einen Sohn vor einem Riesen, nachdem Odin und Hönir es nicht schaffen. Das Motiv der Tierhelfer ist sehr verbreitet (KHM 17, 33, 57, 60, 62, 126, 169, 16a, 74a, 104a).

Literatur

Brüder Grimm

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 772-775. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 513. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)

Variante

  • Geschichte eines weisen Helden, der sich mit einer gelehrten Kaisertochter unterhält. In: Rumänische Volksmärchen. Herausgegeben von Felix Karlinger und Ovidiu Bîrlea. 1. Auflage 1969, Düsseldorf, Köln. S. 5-14. (Eugen Diederichs Verlag)

Sekundärliteratur

  • Rölleke, Heinz (Hrsg.): Grimms Märchen und ihre Quellen. Die literarischen Vorlagen der Grimmschen Märchen synoptisch vorgestellt und kommentiert. 2., verb. Auflage, Trier 2004. S. 478-485, 581. (Wissenschaftlicher Verlag Trier; Schriftenreihe Literaturwissenschaft Bd. 35; ISBN 3-88476-717-8)
  • Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Berlin 2008. S. 389-391. (de Gruyter; ISBN 978-3-11-019441-8)
  • Neumann, Siegfried: Rätselmärchen. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 11. S. 280-285. Berlin, New York, 2004.
  • Goldberg, Christine: Rätselprinzessin. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 11. S. 286-294. Berlin, New York, 2004.

Weblinks

 Wikisource: Das Meerhäschen – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Haltrich, Josef: Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen. Herausgegeben von Hanni Markel. 3. Auflage, Bukarest 1973. S. 198-202.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Das Lämmchen und Fischchen — ist ein Märchen (ATU 450). Es steht in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 141 (KHM 141). Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Sprache 3 Herkunft 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Das Rätsel — ist ein Märchen (ATU 851). Es steht in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 22 (KHM 22). Dort schrieb sich der Titel Das Räthsel. Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Herkunft 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Das Hirtenbüblein — ist ein Schwank (ATU 922). Er steht in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 2. Auflage von 1819 an Stelle 152 (KHM 152). Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Herkunft und Vergleiche 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • KHM 191 — Das Meerhäschen ist ein Märchen (Typ 329 nach Aarne und Thompson), das in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 7. Auflage von 1857 als Nummer 191 enthalten ist (KHM 191). Es stammt aus Josef Haltrichs Sammlung Deutsche Volksmärchen… …   Deutsch Wikipedia

  • Von der Königstochter, die aus ihrem Schlosse alles in ihrem Reiche sah — Das Meerhäschen ist ein Märchen (Typ 329 nach Aarne und Thompson), das in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 7. Auflage von 1857 als Nummer 191 enthalten ist (KHM 191). Es stammt aus Josef Haltrichs Sammlung Deutsche Volksmärchen… …   Deutsch Wikipedia

  • KHM 152 — Das Hirtenbüblein ist ein Märchen (Typ 150, 922 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 2. Auflage von 1819 an Stelle 152 enthalten (KHM 152). Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Herkunft und Vergleiche… …   Deutsch Wikipedia

  • AaTh — Der Aarne Thompson Index (AaTh) ist eine von Antti Aarne für die internationale Erzählforschung entwickelte und von Stith Thompson ergänzte Klassifikation von Märchen und Schwankgruppen. Die englische Abkürzung lautet „AT“, was im Deutschen zur… …   Deutsch Wikipedia

  • Kinder- und Hausmärchen — Die „Kinder und Hausmärchen“ (KHM), volkstümlich „Grimms Märchen“ genannt, sind eine berühmte deutsche Anthologie von Märchen, die Jacob Ludwig Carl Grimm und sein Bruder Wilhelm Karl Grimm, bekannt als die „Brüder Grimm“, herausgegeben haben.… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Märchen — Inhaltsverzeichnis 1 Liste von bekannten Märchen bzw. Märchen Sammlungen 1.1 Grimms Märchen 1.2 Hans Christian Andersen 1.3 Ernst Moritz Arndt 1.4 Wilhelm Hauff …   Deutsch Wikipedia

  • KHM 57 — Der goldene Vogel ist ein Märchen (Typ 550 nach Aarne und Thompson), das in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 57 enthalten ist. Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Grimms Anmerkung 3 Interpretation 4 Vergleiche …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”