Karl Bücher

Karl Bücher

Karl Wilhelm Bücher, selten auch Carl (* 16. Februar 1847 in Kirberg, Hessen; † 12. November 1930 Leipzig), war ein deutscher Nationalökonom. Er war einer der Gründerväter der Zeitungswissenschaft in Europa. Innovativ waren auch seine Beiträge zur Arbeitssoziologie (Arbeit und Rhythmus) und Wirtschaftsgeschichte (Die Entstehung der Volkswirtschaft). Außerdem beschäftigte er sich mit reziproken Vorgängen in der Gesellschaft.

Karl-Bücher-Denkmal in Bad Liebenstein

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bücher war der Sohn eines Bürstenmachermeisters, der in Kirberg eine kleinindustrielle Fertigung und Landwirtschaft betrieb. Karl Bücher besuchte von 1863 bis 1866 das Gymnasium in Hadamar. An den Universitäten Bonn und Göttingen studierte er Alte Geschichte und Philologie. Nach der Promotion, die er 1870 ablegte, bestand er 1872 die Staatsprüfung und arbeitete im Probejahr als Lehrer in Dortmund. Von 1873 bis 1878 war er Lehrer an der Wöhlerschule in Frankfurt am Main. Während dieser Zeit betrieb er über seine Lehrertätigkeit hinaus nationalökonomische Studien.

1878 nahm Bücher ein Angebot des Herausgebers der Frankfurter Zeitung, Leopold Sonnemann, an und wurde dort Redakteur des sozial- und wirtschaftspolitischen Ressorts. Aus einem immer stärker zu Tage tretenden Interesse für die sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen am Beginn der Ära Bismarck fasste er eine Habilitation ins Auge. 1881 erhielt er an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Venia legendi für Nationalökonomie und Statistik. Nach Ordinariaten an den Universitäten Dorpat und Basel und an der Technischen Hochschule Karlsruhe folgte er 1892 einem Ruf nach Leipzig, er lehrte dort bis 1917.

Büchers nationalökonomisches Werk ist charakteristisch für die Erkenntnisperspektive der „jüngeren Historischen Schule“ in der Nationalökonomie. Diese hatte zum Ziel, den zeitgenössischen Problemen durch die Rekonstruktion ihrer historischen Wurzeln auf die Spur zu kommen. Dafür steht auch Büchers „Wirtschaftsstufentheorie“, die er in dem Werk darstellte, mit dem er als Nationalökonom Ansehen und Berühmtheit erlangte, seine zweiteiligen Aufsatzsammlung „Die Entstehung der Volkswirtschaft“ (1893, 1918).

Wenig bekannt ist, dass Bücher zusammen mit Johann Friedrich Schär der Erfinder der (heute so genannten) Break-even-Analyse ist. Er formulierte das Gesetz der Massenproduktion.

Nach seiner Emeritierung widmete Bücher sich dem Feld, das ihn Zeit seines Lebens – praktisch in seinen Jahren als Journalist der Frankfurter Zeitung, theoretisch in seiner nationalökonomischen Lehre – begleitet hat: der Zeitungswissenschaft. 1916 errichtete er an der Universität Leipzig das erste Institut für Zeitungskunde in Deutschland. Das Ziel des Institutes war, den angehenden Journalisten eine akademisch fundierte und ebenso berufsvorbereitende wie zeitungsfachliche Ausbildung zu ermöglichen, um damit das Niveau der Presse zu heben. Andererseits wollte er für die Presse eine Stätte der ernsten wissenschaftlichen Forschung schaffen. 1926 gipfelten seine Bemühungen für das Fach in der Einrichtung der ersten ordentlichen Professur für Zeitungskunde, auf die Erich Everth berufen wurde.

Karl Bücher besaß in Bad Liebenstein ein Sommerdomizil („Mein Belvedere“) - seine Nachfahren wohnen noch heute dort - und seine Studenten bauten ihm im Wald ein Denkmal.

Er starb am 12. November 1930 in Leipzig und wurde im Kolumbarium auf dem Südfriedhof Leipzig (Nische II/25) beigesetzt. Die Urne wurde Anfang der 1990er Jahre gestohlen.

Der Außenpolitiker und Industrielle Hermann Bücher war sein Neffe.

Siehe auch

Schriften

  • Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im XIV. und XV. Jahrhundert, Tübingen 1886
  • Die Entstehung der Volkswirtschaft, 1901 (zahlreiche Auflagen)
  • Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft, Teubner, Leipzig 1903
  • Arbeit und Rhythmus, (Erstausgabe 1904), Leipzig 1924
  • Die Berufe der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter, Teubner, Leipzig 1914
  • Lebenserinnerungen. Laupp, Tübingen 1919 (nur Bd. 1 erschienen)
  • Zur Frage der Pressereform, Mohr, Tübingen 1922
  • Arbeitsteilung und soziale Klassenbildung, Frankfurt am Main 1946

Literatur

  • Walter Braeuer: Bücher, Karl Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, S. 718 f.
  • Arnulf Kutsch: Schriftenverzeichnis Karl Bücher. Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2000, ISBN 3-934565-59-X (Bibliographie)
  • Jürgen G. Backhaus (Hrsg.): Karl Bücher. Theory - History - Anthropology - Non Market Economies. Metropolis, Marburg 2000, ISBN 3-89518-229-X
  • Wolfgang Drechsler mit Rainer Kattel: Karl Bücher in Dorpat. In: Trames 1:4 (1997), S. 322-368 (kürzere Version auch im Backhaus-Band)
  • Thomas Düe: Fortschritt und Werturteilsfreiheit. Entwicklungstheorien in der historischen Nationalökonomie des Kaiserreichs. Dissertation, Universität Bielefeld 2001 (Volltext)
  • Sebastian Göschel: Schließlich sind wir alle Büchers Schüler. Der Leipziger Nationalökonom Karl Bücher, in: Leipziger Blätter, 57, Herbst 2010, S.64f.

Weblinks

 Wikisource: Karl Bücher – Quellen und Volltexte



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