- Karl Jäger
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Karl Jäger (* 20. September 1888 in Schaffhausen, Schweiz; † 22. Juni 1959 im Gefängnis Hohenasperg) war ein hoher SS-Funktionär in der Zeit des Nationalsozialismus und ein Täter des Holocaust. Er war seit 1940 SS-Standartenführer, Leiter des SD-Abschnitts Münster, Führer des Einsatzkommandos 3 in Litauen und Polizeipräsident von Reichenberg/Sudetenland.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft
Karl Jäger wurde am 20. September 1888 im schweizerischen Schaffhausen geboren. Er nahm am Ersten Weltkrieg teil und gründete im Jahr 1923 die Ortsgruppe Waldkirch-Breisgau der NSDAP (Mitglieds-Nr. 30.988 laut Lebenslauf). 1932 wurde er in die SS aufgenommen (Mitglieds-Nr. 62.823).
Leiter des SD-Abschnitts Münster
Am 1. Mai 1938 wurde Jäger zum SS-Führer im SD-Hauptamt ernannt und 1939 als Leiter des SD-Abschnitts Münster eingesetzt.
Bei den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR
Nach einer zeitweiligen Verwendung in den besetzten Niederlanden wurde Jäger im Juni 1941 zum Führer des Einsatzkommandos 3 ernannt, das mit Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion im Verband der Einsatzgruppe A im Raum Litauen eingesetzt wurde.
Seit dem 3. Dezember 1941 war er Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für das Generalkommissariat Litauen mit Dienstsitz in Kaunas. Bekannt wurde er durch den sogenannten „Jägerbericht“ vom 1. Dezember 1941, in dem er detailliert die Zahl der getöteten Juden, Roma und Geisteskranken aufzählte und mit der Gesamtsumme von 137.346 konstatierte:[1]
„Ich kann heute feststellen, dass das Ziel, das Judenproblem für Litauen zu lösen, vom EK. 3 erreicht worden ist. In Litauen gibt es keine Juden mehr, ausser den Arbeitsjuden incl. ihrer Familien.
Das sind
in Schaulen ca. 4.500
in Kauen " 15.000
in Wilna " 15.000.Diese Arbeitsjuden incl. ihrer Familien wollte ich ebenfalls umlegen, was mir jedoch scharfe Kampfansage der Zivilverwaltung (dem Reichskommissar) und der Wehrmacht eintrug und das Verbot auslöste: Diese Juden und ihre Familien dürfen nicht erschossen werden! Das Ziel, Litauen judenfrei zu machen, konnte nur erreicht werden durch die Aufstellung eines Rollkommandos mit ausgesuchten Männern unter der Führung des SS-Obersturmführers Hamann, der sich meine Ziele voll und ganz aneignete und es verstand, die Zusammenarbeit mit den litauischen Partisanen und den zuständigen zivilen Stellen zu gewährleisten.“[2][3]
Polizeipräsident von Reichenberg
Am 24. Mai 1944 wurde Jäger zum kommissarischen Polizeipräsidenten von Reichenberg im Sudetenland bestellt.
Nach dem Krieg
Nach Kriegsende arbeitete Jäger offen, ohne seinen Namen zu verschleiern, als Landarbeiter in Wiesenbach bei Heidelberg.[4] Später lebte er bis zu seiner Verhaftung auf dem Kümmelbacher Hof bei Neckargemünd. Im April 1959 konnte er identifiziert und verhaftet werden. Während der Untersuchungshaft im Gefängnis Hohenasperg erhängte sich Jäger am 22. Juni 1959 selbst.
Auszeichnungen und SS-Ehrungen
- Eisernes Kreuz 2. Klasse (1914)
- Spange zum Eisernen Kreuz 2. Klasse (1914)
- Eisernes Kreuz 1. Klasse (1914)
- Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern
- Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse mit Schwertern
- Ehrendegen des Reichsführers-SS
- Totenkopfring der SS
Literatur
- Josef Haslinger: Das Vaterspiel. S. Fischer, Frankfurt am Main 2000. ISBN 3-10-030054-8
- Helmut Krausnick, Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938-1942. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1981. ISBN 3421019878
- Ernst Klee, Willi Dreßen, Volker Rieß (Hrsg.): Schöne Zeiten. Judenmord aus der Sicht der Täter und Gaffer. S. Fischer, Frankfurt / Main 1988. ISBN 978-3-10-039304-3
- Anton Seljak: Monolithisches Leitbild und soziale Heterogenität einer Elite. Untersuchungen zum Ordensgedanken der SS und zur sozialen Stratifikation des SS-Führerkorps. Mit einem soziobiografischen Exkurs über Karl Jäger. Universität Basel, 1992 (vgl. "Alexandria": Online-Katalog (OPAC) des Bibliotheksverbunds der Schweizerischen Bundesverwaltung)
- Knut Stang: Kollaboration und Massenmord. Die litauische Hilfspolizei, das Rollkommando Hamann und die Ermordung der litauischen Juden. Peter Lang, Frankfurt am Main [u.a.] 1996. ISBN 3-631-30895-7
- Wolfram Wette: Karl Jäger. Mörder der litauischen Juden. Vorwort von Ralph Giordano. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag 2011 (= Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Buchreihe. Hrsg. von Walter Pehle). 320 Seiten. ISBN 978-3-596-19064-5
Referenzen
- ↑ Unter den Toten waren 55.556 Frauen und 34.464 Kinder. Vgl. Hans-Heinrich Wilhelm, Rassenpolitik und Kriegsführung - Sicherheitspolizei und Wehrmacht in Polen und der Sowjetunion, Passau 1991, S. 26.
- ↑ Klee, Dreßen, Rieß, „Schöne Zeiten“. 1988, S. 52-62.
- ↑ The Jager Report. (engl.) In: A Teacher's Guide to the Holocaust. Florida Center for Instructional Technology. 2005. (alle Zahlen auch online)
- ↑ lsw: Nazi-Verbrecher "tarnte" sich mit richtigem Namen In Mannheimer Morgen vom 18. April 2011
Weblinks
- „Der Waldkircher Hitler“ auf Spiegel Online vom 11. März 2008
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