- Kassel (Biebergemünd)
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Kassel Gemeinde BiebergemündKoordinaten: 50° 12′ N, 9° 17′ O50.20759.2786111111111Koordinaten: 50° 12′ 27″ N, 9° 16′ 43″ O Einwohner: 2.583 (2009) Eingemeindung: 1970 Postleitzahl: 63599 Vorwahl: 06050 Kassel ist ein Ortsteil der Gemeinde Biebergemünd im Main-Kinzig-Kreis in Hessen. Umgangssprachlich wird er auch Besenkassel genannt.
Kassel wurde 1970 mit Wirtheim zur Großgemeinde Biebergemünd zusammengeschlossen. 1974 erfolgte der Zusammenschluss von Biebergemünd und Bieber zur Großgemeinde Biebergemünd . Kassel liegt an der B276 im hessischen Teil des Spessart.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Funde zeigen, dass sich bereits in der Würmzeit auf den Höhen bei Kassel Menschen aufhielten.[1] Den ältesten zivilisatorischen Bau stellt der keltische Ringwall Alteburg dar, welcher neuesten Erkenntnissen zufolge aus dem 6. Jahrhundert vor Christus stammt.[2]
Die erste urkundliche Erwähnung Kassels datiert aus dem Jahr 976. Hierin wird es dem Stift „St. Peter und Alexander“ in Aschaffenburg durch den Deutschen Kaiser Otto II. geschenkt. In dieser Urkunde wird Kassel noch "Cassela" genannt. Der Ortsname leitet sich von Castella ab und bezieht sich auf die Alteburg im Gemarkungsgebiet. Die Geschichte von Kassel ist über die Jahrhunderte eng mit der Wirtheims verbunden. Wirtheim und Kassel galten als Hauptumschlagplatz für die aus dem Bergbau gewonnenen Güter im oberen Biebergrund.
Nach Jahrhunderten, in denen Kassel von Wirtheim aus mehr oder weniger mitverwaltet wurde, trat der Ort um 1550 langsam aus dessen Schatten hervor. Es ist urkundlich festgehalten, dass in diesem Jahr 400 Morgen neues Land durch Rodung für 100 Familien geschaffen wurde.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird im Mainzer Territorium, zu dem Kassel und Wirtheim zu dieser Zeit zählen, die Gegenreformation durch Erzbischof Daniel Brendel von Homburg betrieben. Da sich die Orte Wirtheim, Kassel, Höchst und Orb im äußersten Grenzgebiet des Mainzer Einflusses befinden, sind sie umringt von protestantischen Dörfern und der 1543 zum Protestantismus übergetretenen Stadt Gelnhausen. Am 14. Juli 1628 kommt es zum Eklat: Der Orber Pfarrer Valentin Schick zieht mit Pfarrkindern aus Orb, Kassel und Wirtheim nach Gelnhausen, um mit den dortigen Franziskanern, flankiert von einer Schützengilde, zu demonstrieren. Die Gelnhäuser Bürger protestieren danach beim Erzbischof von Mainz auf Basis des Augsburger Religionsfriedens. Die Ermittlungen verlaufen auf Grund des 30jährigen Krieges jedoch im Sande.
1631 besetzt der Schwedenkönig Gustav II. Adolf Mainz und schenkt Wirtheim und Kassel dem Grafen Philipp Moritz von Hanau. Da die Hanau nach dem Krieg mit sich selbst zu kämpfen hat, bleiben die Orte jedoch auf sich alleine gestellt. Nach der Schlacht bei Lützen im Jahr 1632 kommen kaiserliche Truppen ins Kinzigtal. Die Kroaten plündern unter Octavio Piccolomini Wirtheim und Kassel aus und bringen die Pest mit, an der 60% der Bevölkerung stirbt. Dadurch kommt das Wirtschaftsleben der Region fast vollkommen zum Erliegen.
1649 gibt der Graf Wirtheim und Kassel wieder an den Erzbischof von Mainz zurück. Nach einer weiteren Pestepidemie 1667/68 wird die Einwohnerzahl weiter stark dezimiert. Aus diesem Grund holt der aus Tirol stammende Wirtheimer Pfarrer Christian Fuchs zahlreiche Menschen aus seiner Heimat in den Ort, um sie dort anzusiedeln; einige der Tiroler Nachnamen sind noch heute präsent: Schmank, Riesbeck und Desch. Dies sollte sich als enormer Glücksfall für die Kasseler Bürger auswirken, da die Tiroler solides Handwerkswissen in den Ort mitbrachten und ihn wirtschaftlich stärkten, während das benachbarte Wirtheim nach Plünderungen französischer Soldaten immer weiter an Einfluss verliert. Besonders hervorzuheben sind das Erlernen der Besenbinderei, der Zeidlerei und der Bienenhaltung. In den folgenden Jahren entstehen außerdem in kürzester Zeit zahlreiche Mühlen im Kasselgrund (Günthersmühle, Lohmühle, Riethmühle, Obermühle).
Ein weiterer Hinweis auf die Verlagerung der Bedeutung von Wirtheim nach Kassel ist die Tatsache, dass sich der letzte Mainzer Vogt Wirtheims 1668/69 in Kassel begraben lässt (sein Epitaph existiert noch heute als Teil der Mauer der St. Johannes-Nepomuk-Kirche). Es wird vermutet, dass er schon seine letzten Jahre seiner Amtszeit in Kassel verbracht hat.
1755 trennt sich die Kasseler Gemeinde endgültig von der Mutterkirche in Wirtheim und erhält eine eigene Kaplanei. Sofort beginnen die Planungen zum Bau einer neuen Kirche. Auch die Tatsache, dass in einer wirtschaftlich schweren Zeit im Jahre 1789 ein solch kostspieliger Bau begonnen wird, lässt einen Rückschluss auf den Wohlstand des Ortes zu.
Nach dem Wiener Kongress 1814/15 fällt Kassel zusammen mit Wirtheim, Orb und Aschaffenburg dem Königreich Bayern zu. 1866 erfolgt nach der Niederlage Österreichs bei der Schlacht von Königgrätz die Anbindung an Preußen. Ein beachtliches Bauvorhaben wird 1870/71 verfolgt: Um die Wasserversorgung der Stadt Frankfurt sicherzustellen, wird ein Leitungssystem im Kasselgrund von 4 Quellen über eine Entfernung von 60km bis in die Großstadt ohne ein Pumpsystem, allein durch die Schwerkraft, geleitet. Noch heute werden 10% des Frankfurter Wasserbedarfs aus Quellen des Nordspessart (Kassel und Bieber) und dem Vogelsberg (Fischborn) gedeckt. Das Wasser benötigt dabei 2 Tage zum Zurücklegen der gesamten Strecke.
Ebenfalls 1870 erhält Kassel einen Brunnen namens Hungerborn, welcher auf der Stelle entsteht, wo bis kurz zuvor noch das alte Rathaus stand. Bereits 1912 wird der Brunnen jedoch wieder entfernt und eine Gesamtwasserversorgung eingerichtet. 1920 beginnt der Abriss des Rathauses. An dessen Stelle rückt 1926 ein Kriegerdenkmal, welches dort noch heute zu finden ist.
Zur Förderung des Erzbergbaus im Biebertal wurde 1885 die schmalspurige Spessartbahn in Betrieb genommen. Sie führte vom Gelnhausen nach Lochborn. Auf diese Art konnten die im Dorf hergestellten Besen bis nach Frankfurt vertrieben werden. Aus dieser Zeit stammt auch der umgangssprachliche Namen Besenkassel. 1951 stellte die Bahn ihren Betrieb ein. Ein Teil der Bahntrasse ist als Wander- und Radweg erhalten.
1908 ist Kassel das erste Dorf im Kreis Gelnhausen mit elektrischem Strom, welcher vom Sägewerk Schum geliefert wird.
Am 27. September 1944 fällt eine schwere Luftmine auf Kassel, durch welche das Dach der Kirche beschädigt wird. Weitere Bomben fallen am 22. Februar 1945: Dabei werden 2 Häuser zerstört, und es kommen 5 Menschen, darunter 2 Kinder, ums Leben. Außerdem wird die Kirche erneut in Mitleidenschaft gezogen, und die Turmuhr bleibt exakt um 2 Uhr stehen.
Die Ostermesse 1945 wird auf freiem Feld am Ende des Haitzbachgrundes gefeiert, da Kassel, Wirtheim und Höchst unter feindlichem Beschuss stehen. An dieser Stelle existiert heute eine Mariengrotte mit dem Text: "Mutterhände mild und gut hüteten des Dorfes Leben, hielten uns vor Brand und Tod, vor des bösen Feindes Wut. Schütz Maria uns, dein Segen; mach uns stark in jeder Not".
Dialekt
Die über Jahrhunderte bestandene Verbundenheit zwischen Wirtheim und Kassel spiegelt sich auch in der Dialekt-Entwicklung beider Orte wider. Gesprochen wird dort das Kässeler und Wirtheimer Platt.
Vereinsleben
In Kassel existiert ein blühendes Vereinsleben. Dazu gehören:
- Musikverein Kassel 1965 e.V.
- Original Kasseler Musikanten 1974 e.V.
- Gesangsverein Harmonie Kassel
- Gesangsverein Liederkranz Kassel
- Deutsches Rotes Kreuz Biebergemünd-Kassel
- Freiwillige Feuerwehr Kassel
- TSV 08 Kassel
- Motorsportclub Kassel/Spessart
- Kegelclub Kassel
- Tennisclub Grün/Weiß
Regelmäßige Veranstaltungen
Zahlreiche Feste und Sportveranstaltungen finden jährlich im Ort statt:
- Kässeler Kirb
- Kässeler Zelt-Nachkirb
- Mühlenfest
- Brunnenfest
- Dorffest
- Fischerfest
- Kappenabend der Original Kasseler Musikanten
- Faschingsball beim Fasswirt
- Moto-Cross-Veranstaltung des MSC Kassel/Spessart
- Bratfest der KAB
- Bratfest des Musikverein 1965 Kassel e. V.
Infrastruktur
Wichtige Gebäude, Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten
- St. Johannes Nepomuk-Kirche
- Alteburg - keltischer Ringwall
- Bürgertreff (Altes Rathaus) mit Wilm Hosenfeld-Platz (siehe Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben)
- Alten- und Pflegeheim Biebergemünd
- diverse Mühlen: Günthersmühle, Lohmühle, Riedmühle, Obermühle
Bildung
- Alteburg-Schule (Grundschule)
- Alteburg-Schule (Haupt- und Realschule)
- katholischer Kindergarten Kassel
- katholische öffentliche Bücherei
Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben
- Wilm Hosenfeld (* 2. Mai 1895 in Mackenzell; † 13. August 1952 in Stalingrad) war Wehrmachtsoffizier im Zweiten Weltkrieg. In Biebergemünd hatte er als sozial und christlich engagierter Dorfschullehrer zuerst im Ortsteil Rossbach, später im Ortsteil Kassel gewirkt. Bekannt wurde Hosenfeld durch die Beschreibung in Wladyslaw Szpilmans Autobiographie, die von dem polnischen Regisseur Roman Polanski unter dem Titel „Der Pianist“ (drei Oscars 2003) verfilmt wurde.
Einzelnachweise
- ↑ 1000 Jahre Kassel und Wirtheim - Herausgegeben von der Gemeinde Biebergemünd anlässlich der 1000-Jahrfeier, unter Mitwirkung des Geschichtsvereins Gelnhausen; Druckerei F.W.Kalbfleisch,Gelnhausen
- ↑ http://www.geschichtsverein-biebergemuend.de/gfx/04_kulturrundwege/Biebergemuend_2D.pdf ebenda: „Leben auf der Alteburg“
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