Kastalien

Kastalien

Das Glasperlenspiel. Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften ist ein Roman von Hermann Hesse, der 1931 begonnen und 1943 im Verlag Fretz & Wasmuth, Zürich, veröffentlicht wurde und das Streben nach Wahrheit beschreibt.

Hermann Hesses letztes großes Werk ist das Buch der Zukunft, in welche er das Leben seines Helden Magister Ludi Josef Knecht transportiert. Der Namenszusatz ‚Magister Ludi‘ verweist auf ein Wortspiel, denn der lateinische Wortstamm ‚ludus‘ bedeutet sowohl ‚Spiel‘ als auch ‚Schule‘. Um diese beiden Themen baut sich eine Romanwelt auf, in der sich die Gelehrten aus der sonstigen Gesellschaft vollkommen zurückgezogen haben und abgeschieden in der Provinz Kastalien leben. Josef Knecht hat Einblicke in beide Gesellschaftsgruppen und erkennt die Gefahr, die in dieser Separation der Gelehrtenwelt liegt.

Zugleich entwirft der Roman einen zukünftigen Kulturzustand, in dem nichts Neues, Aufregendes, Abenteuerliches mehr entdeckt und geschaffen, sondern nur noch mit dem Vorhandenen „gespielt“ werden kann. Das Heraufziehen eines solchen Kulturzustands war die Sorge vieler Intellektueller in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Thomas Mann gestaltete sie in seinem Doktor Faustus, der nach seinem eigenen Urteil Parallelität zum Glasperlenspiel aufweist.

Umgangssprachlich wurde Glasperlenspiel von daher zum Ausdruck für ein selbstzweckhaftes, eitles und unkreatives Hantieren mit kulturellen Klischees.

Josef Knecht ist jedoch derjenige, der sich am Ende von dieser sterilen Gelehrtenwelt abwendet, um sich dem Dienst an einem jungen Manne zu widmen, dem Wanderer, Ringer, Tänzer und Naturburschen Tito. In ihm verkörpert Hesse sein ersehntes Menschenbild der Zukunft. In der Schlussszene des Romans bringt Tito „der Sonne und den Göttern im Tanz seine fromme Seele zum Opfer dar“. Für diesen neuen, naturfrommen Menschen geht sein Erzieher Knecht in den Tod.

An die Hauptgeschichte schließen sich drei imaginierte Lebensläufe Knechts aus verschiedenen Zeiten an. In allen dreien, wie schon im Hauptteil, variiert Hesse sein altes Thema von Meister und Jünger, und zwar vorwiegend in der Form, dass der zeitweis ungetreue Jünger/Schüler am Ende reuig zu seinem Meister zurückkehrt, um dessen Nachfolge anzutreten. Hesse spiegelt also noch einmal sein Lebensdrama der schwankenden Jüngerschaft zu Gusto Gräser, dessen Nachbild in dem naturfrommen Sonnenanbeter, Tänzer und Wanderer Tito unschwer zu erkennen ist.

1946, drei Jahre nach Erscheinen des Glasperlenspiels, wurde Hesse der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Inhaltsverzeichnis

Das eigentliche „Glasperlenspiel“

In der Mitte der Gesellschaft Kastaliens steht das (fiktive) Glasperlenspiel. Die genauen Regeln des Spiels werden nur angedeutet und sollen so kompliziert sein, dass sie nicht einfach zu veranschaulichen sind. Es handelt sich am ehesten um eine abstrakte Synthese aller Wissenschaften und Künste. Es wird von Spielern betrieben, die tiefe Verbindungen zwischen anscheinend nicht verwandten Themengebieten herstellen bzw. anstreben, theoretische Gemeinsamkeiten von Künsten und Wissenschaften aufzuzeigen. Beispielsweise wird ein Bach-Konzert mit einer mathematischen Formel verknüpft.

„Beim Glasperlenspiel muss alles möglich sein, auch dass etwa eine einzelne Pflanze sich mit Herrn Linné auf lateinisch unterhält.“ (S. 148)

Das Glasperlenspiel erhielt seinen Namen von den ursprünglich verwendeten Spielsteinen, vielleicht ähnlich denen eines Abakus oder des Go-Spiels. Zur Zeit der Romanhandlung wurden diese jedoch überflüssig und das Spiel wurde nur noch mit abstrakten gesprochenen Formeln gespielt. Der Publikumserfolg für ein „gutes Spiel“ wurde sowohl durch musikalische Klasse als auch mathematische Eleganz erreicht.

Abgesehen von der Verbindung zu Go scheint das Konzept des Glasperlenspiels Ähnlichkeit zu den Ideen von Leibniz einer universellen wissenschaftlichen Formalsprache (Characteristica universalis) aufzuweisen.

Zitate

  • „Auf einfache Wege schickt man nur die Schwachen.“
  • „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde.“ (aus dem Gedicht Stufen)
  • „Die Gottheit ist in dir, nicht in den Begriffen und Büchern. Die Wahrheit wird gelebt, nicht doziert.“
  • „Wenn wir einen Menschen glücklicher und heiterer machen können, so sollten wir es in jedem Fall tun, mag er uns darum bitten oder nicht.“
  • „Die Verzweiflung schickt uns Gott nicht, um uns zu töten, er schickt sie uns, um neues Leben in uns zu erwecken.“
  • „Man sollte auf alles achten, denn man kann alles deuten.“
  • „Jeder von uns ist nur ein Mensch, nur ein Versuch, ein Unterwegs. Er sollte aber dorthin unterwegs sein, wo das Vollkommene ist, er soll ins Zentrum streben, nicht an die Peripherie.“
  • „Gignit autem artificiosam lusorum gentem Cella Silvestris.“ Zu deutsch: „Waldzell aber bringt das kunstreiche Völkchen der Glasperlenspieler hervor.“
  • „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ (aus dem Gedicht Stufen)

Sonstiges

Ursprünglich wollte Hermann Hesse Karten als Spielzeuge für sein Spiel benutzen. Erst später entschied er sich dann aber für „Glasperlen“ als (eher metaphorische) Spielzeuge.

Literatur

  • Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel Suhrkamp, Frankfurt ISBN 3-518-41335-X
  • Maria-Felicitas Herforth: Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel (Reihe: Königs Erläuterungen & Materialien 316) Bange, Hollfeld 2006 ISBN 978-3-8044-1700-7
  • Maurice Blanchot: H.H. 2. Das Spiel der Spiele in: dsb, Der Gesang der Sirenen. Essays zur modernen Literatur Übers. Karl August Horst (Le Livre à venir) Ullstein TB, Frankfurt 1982 ISBN 3-548-35139-5 (zuerst Hanser, 1962; Neuaufl. Fischer TB 1988 und Matthes & Seitz, 2008) TB Ausg. S. 238 - 251
  • Edmund Remys: Hermann Hesse’s Das Glasperlenspiel: A Concealed Defense of the Mother World, Bern and New York: Peter Lang, 1983.
  • Hermann Müller: Der Dichter und sein Guru. Hermann Hesse - Gusto Gräser, eine Freundschaft. Gisela Lotz Verlag, Wetzlar 1978 und Neuland Verlag, Werdorf 1979. ISBN 3-921764-01-7

Weblinks


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