Knulp

Knulp
Hermann Hesse 1925
Erstausgabe Fischer Verlag 1915

Knulp - Drei Geschichten aus dem Leben Knulps - ist eine Erzählung von Hermann Hesse, erschienen 1915.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Vorfrühling

Es ist Mitte Februar und scheußliches Wetter. Knulp, aus dem Krankenhaus entlassen, schlüpft bei dem Gerber Emil Rothfuß in Lächstetten unter. Das Gesellenbett ist frei. Mit dem Gerber ist Knulp vor Jahren auf Wanderschaft gewesen. Ein weiterer alter Tippelbruder, der auch in Lächstetten sesshaft gewordene, kinderreiche Schneidermeister Schlotterbeck beneidet Knulp, weil dieser so sorgenfrei in den Tag hinein lebt. Knulp gesteht dem Schneider, er habe einen zweijährigen Sohn, der nach dem Tod der Mutter von Leuten angenommen worden sei und den er höchstens bei Gelegenheit von weitem sehen dürfe.

Über den morgigen Tag möchte er unbedingt frei verfügen. Sobald er ausgeruht hat, schleicht er sich aus dem Haus und sucht das Gespräch mit Handwerkern. Obwohl er selber keiner ist, kann er sich überzeugend als Geselle des jeweiligen Gewerkes ausgeben. Vor den Zudringlichkeiten der lebenshungrigen Gerberfrau nimmt er Reißaus. Lieber wendet er sich Bärbele zu, einem jungen Mädchen aus dem Weiler Achthausen im Schwarzwald. Bärbele arbeitet erst seit einer Woche in Lächstetten. Ihr Zutrauen gewinnt Knulp durch eine Fertigkeit - das Kunstpfeifen. Das Ehepaar Rothfuß möchte mit Knulp den Abend verbringen. Der Landstreicher lügt den Gerber an. Er müsse einen Freund treffen. Derweil geht er mit Bärbele durch den schon ein wenig milden Abend auf den Tanzboden. Knulp und Bärbele tanzen miteinander. Er bringt sie hinterher bis fast vor ihre Tür. Jeder gibt jedem einen Abschiedskuss. Bärbele bekam an dem Abend mit - Knulp ist ein Habenichts. Aus ihrem schmalen Geldbeutel schenkt sie ihm eine Münze. Knulp spürt den Frühling und muss wandern. Im intakten Gedächtnis des Landstreichers, zu Kinderzeiten bereits auf der Lateinschule durchtrainiert, ist die Topologie der Landschaft um Lächstetten mit allen Übernachtungsmöglichkeiten etc. zuverlässig aufbewahrt.

Meine Erinnerung an Knulp

Der Erzähler ist mit Knulp im heißen Sommer auf der Walz. In einem Bauerndorf erheitert Knulp ein paar junge Mädchen mit seinen Späßen und Künsten. Der Erzähler hält sich zurück. Die beiden Wanderburschen übersteigen die Friedhofsmauer. Knulp bricht eine Friedhofsblume ab und steckt sie sich an den Hut. Im Grase philosophiert Knulp. Das Schöne ist stets vergänglich. Bevor sie im Freien übernachten, gibt Knulp einen seiner Träume zum Besten. Darin geht es um sein Schuldgefühl. Er hat die Eltern und auch seine Jugendliebe verlassen. Leider kann er nichts mehr dagegen tun. Eine Ursache seines Gefühls ist, so vermutet Knulp, die Eltern können alles Mögliche vererben, die Seele aber nicht. Jeder hat seine eigene.

Übermütig begrüßt Knulp den neuen Tag, indem er die Sonne besingt. Die zwei Wanderburschen sind den ganzen Sommertag über lustig. Als die Abendschwüle kommt, wird der Erzähler immer fröhlicher und Knulp immer stiller. Am nächsten Morgen wacht der Erzähler spät auf und Knulp ist fort. Da befällt den Erzähler jene Einsamkeit, von der Knulp die ganze Zeit sprach. Jeder ist mit sich allein.

Das Ende

Im Oktober, auf dem Fußmarsch nach seinem Geburtsort Gerbersau, wird Knulp von einem ehemaligen Banknachbarn aus der Lateinschule angesprochen. Dieser Landarzt Dr. Machold erkennt, Knulp ist lungenkrank und gehört nicht auf die Straße. Dr. Machold hat seinerzeit von Knulp abgeschrieben. Nun will er dankbar sein. Also nimmt er Knulp mit nach Hause und steckt ihn ins Bett. Denn Knulps Krankheit ist im fortgeschrittenen Stadium. Dr. Machold will Knulp einen Platz im Spital Oberstetten besorgen. Knulp möchte in seinen Geburtsort. Dr. Machold fädelt das ein. Vor der Kutschfahrt nach Gerbersau möchte Dr. Machold wissen, warum der begabte Knulp sein Leben verpfuscht hat. Das kann Knulp ihm sagen. Er liebte, fast 13-jährig, Franziska, die zwei Jahre ältere. Franziska mochte keinen Studierten. Knulp wollte unbedingt ihr Schatz sein und verließ die Lateinschule. Franziska nahm einen anderen. Von da an ging es mit Knulp abwärts. Er sei immer allein geblieben. Das ist nun wieder eine der Knulpschen Lügen. Er hat Frauen gehabt: Lisabeth, in Knulps Erinnerung mit dem gemeinsamen Buben auf dem Arm, die Frau, die er so sehr beglückt und noch mehr enttäuscht hat.

Die Kutschfahrt ins Gerbersauer Spital startet. Knulp lässt sich zwar in seinen Geburtsort kutschieren, bleibt aber dem Spital fern. Stattdessen sucht er die Plätze seiner Kindheit auf - erkennt manches noch Vorhandene wieder, betrauert unwiederbringlich Verschwundenes. Es treibt den Vagabunden auf die Straße. Tagelang umkreist er zu Fuß Gerbersau. Als der Winter mit Schneetreiben einbricht, geht es unterwegs mit Knulp zu Ende. Er spuckt Blut und bedauert in einem Dialog mit Gott, dass er so schlecht gewesen und kein ordentlicher Kerl geworden ist. Gott nimmt ihn auf: Gewiss wäre Knulp böse gewesen, aber er habe Lisabeth auch Gutes getan. Knulp habe die Menschen am Weg fröhlich gemacht.

Zeugnisse

  • Stefan Zweig: „...der „Knulp“, dieser einsame Spätling einer romantischen Welt, scheint mir ein unvergängliches Stück Kleindeutschland, ein Spitzwegbild und gleichzeitig voll reiner Musik wie ein Volkslied.
  • Hermann Hesse, 1935 in einem Brief: „...Gestalten wie Knulp sind für mich sehr anziehend. Sie sind nicht „nützlich“, aber sie tun sehr wenig Schaden, viel weniger als manche nützliche, und sie zu richten, ist nicht meine Sache. Vielmehr glaube ich: wenn begabte und beseelte Menschen wie Knulp keinen Platz in ihrer Umwelt finden, so ist die Umwelt ebenso mitschuldig wie Knulp selber.
  • Nach Ziolkowski ist Knulps absolute Freiheit immer mit einem Gefühl der Schuld verbunden. Knulp wolle ein wenig Heimweh nach Freiheit in den Alltag der „Normalen“, der Pflichttreuen bringen. Aber Knulp müsse letztendlich resignierend erkennen, er habe doch nichts wirklich Wertvolles für die gewöhnlichen Menschen erreicht.

Literatur

Quelle
  • Hermann Hesse: Gesammelte Werke. Band 11. S. 31ff. Frankfurt a. M. 1987, ISBN 3-518-38100-8
Erstausgabe
  • Hermann Hesse: Knulp. Drei Geschichten aus dem Leben Knulps. S. Fischer, Berlin 1915. 145 Seiten, Originalpappband. Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane, 6. Reihe, Band 10
Ausgaben
  • Hermann Hesse: Knulp. Drei Geschichte aus dem Leben Knulps. Suhrkamp Verlag, Berlin 1943. 136 Seiten
  • Hermann Hesse: Knulp. Drei Geschichten aus dem Leben Knulps. Mit Zeichnungen von Karl Walser. Mitwirkung: Volker Michels. Suhrkamp Taschenbücher 1571. 144 Seiten (9. Aufl. vom 3. Juli 2008), ISBN 978-3-518-38071-0
Sekundärliteratur
  • Theodore Ziolkowski: Der Schriftsteller Hermann Hesse. Wertung und Neubewertung. Frankfurt/M. 1979, S. 206, ISBN 3-518-04748-5

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Knulp Goeke — (* 9. Februar 1929 in Bockum Hövel; † 10. April 2005) war ein deutscher Politiker und Landtagsabgeordneter (SPD). Leben und Beruf Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums mit dem Abschluss Abitur studiert er. Goeke war Diplom Volkswirt… …   Deutsch Wikipedia

  • Emil Sinclair — Hermann Hesse in Rüschlikon im April 1926[1] Hesse in Rüschlikon (1927) …   Deutsch Wikipedia

  • Abgeordnete des 6. Landtags von Nordrhein-Westfalen — Abgeordnete des 6. Landtags Nordrhein Westfalen in der Legislaturperiode vom 24. Juli 1966 bis zum 25. Juli 1970. Parlaments und Fraktionsvorsitzende Landtagspräsident: John van Nes Ziegler (SPD) Fraktionsvorsitzende: SPD: Heinz Kühn, ab 9.… …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Hesse — in 1927 Born 2 July 1877(1877 07 02) Calw, Württemberg, Germany Died 9 August 1962(1962 08 09 …   Wikipedia

  • Kamaitachi no Yoru — Developer(s) Chunsoft Publisher(s) Chunsoft …   Wikipedia

  • Gertrud (Roman) — Gertrud ist ein Roman von Hermann Hesse, erschienen 1910. Der Musiker Kuhn liebt die schöne Gertrud Imthor, kann aber nicht mehr als ihr Freund sein. Hermann Hesse im Jahr 1925 Handlung Als Musikstudent stellt Kuhn der hübschen Liddy nach. Das… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Giebenrath — Unterm Rad ist eine Erzählung von Hermann Hesse, die 1906 erschien. Ursprünglich wurde sie von Hermann Hesse als Roman bezeichnet. In Unterm Rad wird das Schicksal eines begabten Jugendlichen erzählt, der von ihn überfordernden Lehrern zugrunde… …   Deutsch Wikipedia

  • Harry Haller — Der Steppenwolf ist ein 1927 erschienener Roman von Hermann Hesse. Der Steppenwolf ist die Geschichte einer tiefen seelischen Erkrankung der Hauptfigur Harry Haller, eines Alter Egos Hermann Hesses. Haller leidet an einer Spaltung seiner… …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Hesse — in Rüschlikon im April 1926[1] …   Deutsch Wikipedia

  • Kastalien — Das Glasperlenspiel. Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften ist ein Roman von Hermann Hesse, der 1931 begonnen und 1943 im Verlag Fretz Wasmuth, Zürich, veröffentlicht wurde und das… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”