Katharina Grosse

Katharina Grosse

Katharina Grosse (* 1961 in Freiburg im Breisgau) ist eine deutsche Künstlerin, die seit den 1990er Jahren an einer Bildform arbeitet, die alle festgelegten Grenzen und Hierarchien außer Kraft setzt. Grosse lebt und arbeitet in Berlin.

Inhaltsverzeichnis

Werk

Katharina Grosse absolvierte ihr Studium an den Kunstakademien Münster und Düsseldorf bei Norbert Tadeusz und Gotthard Graubner. Seit 2000 hat sie eine Professur an der Kunsthochschule Weissensee inne.

Die Kunstakademie Düsseldorf berief sie mit Wirkung ab dem Sommersemester 2010 zur Professorin für Malerei.

Katharina Grosses ephemere Farbmalerei trug in den vergangenen 15 Jahren vielerorts zur Umdefinition des Malereibegriffs hin zu einem ganzheitlicheren Verständnis bei. Die Künstlerin ist eine zentrale Figur der jüngeren Malereigeschichte.

Nach figurativen, stilistisch an der pastosen, farbig expressiven Malweise der sog. Neuen Wilden orientierten Anfängen zeichnet sich seit Mitte der 1980er Jahre eine sukzessive und konsequente Entwicklung hin zu einer ungegenständlichen Malerei ab. Im Verlauf der 90er Jahre entstehen größtenteils Werke in Öl und später in Acryl (häufig großformatige Leinwände), auf denen sich monochrome Farbflächen durch das Schichtprinzip zu quadrierten Farbfeldern zusammensetzen. 1998 erfährt Grosses Schaffen eine deutliche Wende, indem die Künstlerin erstmals eine mit Kompressor betriebene Spritzpistole verwendet, die die Malerei von Hand erst begleitet und diese teilweise auch ersetzt. Vor allem in den zeitgleich wichtiger werdenden Raumarbeiten vermag die Malerei in Sprühtechnik den Raum förmlich einzunehmen und ihn ins Fiktionale zu transformieren. Die ersten dieser Wandarbeiten entstehen 1998 in Sydney als Beitrag zur 11th Biennale of Sydney oder im selben Jahr in der Kunsthalle Bern.

In den Folgejahren werden unter voller Ausschöpfung der Farbpalette sukzessive größere Flächen besprayt, die sich ab 2001 auch im Außenraum fortsetzen. Diese Entwicklung setzt sich insofern konsequent fort, als die installativen Dispositionen der Arbeiten immer komplexer werden: Boden und Decke werden mit zum Malgrund, Schutt und Stein wird aufgeschüttet, Möbelstücke, Stoffe, Objekte und Gegenstände einbezogen. Die Malerei bahnt sich ihren Weg entlang von Außenfassaden und durch Innenräume, sie zieht an Leinwänden und Styroporobjekten vorbei und verwandelt ganze Räume in komplexe Farbwelten. Museen, Privathäuser, Plakatflächen, Treppenhäuser, Kantinen und Trainingsräume wurden derart behandelt und fordern immer wieder aufs Neue die visuellen und intellektuellen Fähigkeiten des Betrachters heraus. Die Sprayarbeiten folgen dabei nicht einfach der Architektur, sondern schaffen bewusst Kontrapunkte und Irritationen, die den Raum neu interpretieren. Raum und Farben vereinen sich zu einem Gesamtbild ohne konkretes Zentrum, da sich die Malerei überall ausbreitet. Der Betrachter steht „mitten im Bild“, wird Teil desselben. Die Sinne werden vom Farbrausch betört, traditionelle Sehkonventionen unterlaufen, ein Kontrollverlust der Wahrnehmung setzt ein, Raum und Zeit werden simultan erfahren. (Vergleiche z.B. Katharina Grosses Ausstellungen „Inifinite Logic Conference“ im Magasin 3, Stockholm 2004, „Holey Residue“ im De Appel, Amsterdam 2006 oder in der Galerìa Civica di Modena 2008.)

Die Auseinandersetzung mit Raum ist in Grosses Werkentwicklung ein Kontinuum; Architektur und Skulptur sind steter Gegenstand ihrer Malerei, die sich wiederum ihren Klischees entledigt hat und so frei wie möglich antihierarchische Systeme schafft. Diese Systeme eröffnen neuartige Perspektiven – sie sind offen und anregend.

Ihr Verständnis von Raum explizierte Grosse in ihrem kürzlich geschaffenen Werkkomplex, bestehend aus vier überdimensionalen, bemalten Linsenformen, die sie anlässlich der Ausstellung „shadowbox“ erstmals in der Temporären Kunsthalle Berlin gezeigt hat. Die Arbeiten schaffen illusionistische, aber auch sichtbare Sphären und Bildräume, die sich in unmittelbarsten Dialog mit dem Raum begeben.

Mit einer gemeinsamen Doppelausstellung des Freiburger Museums für Neue Kunst zum Werk von Katharina Grosse und ihrer Mutter Barbara wurde 2010 die Ausstellungshalle im Augustinermuseum der Städtischen Museen Freiburg im Breisgau eröffnet, zugleich die erste gemeinsame Präsentation von Mutter und Tochter.

Auszeichnungen und Preise

Einzelausstellungen (Auswahl)

  • 2002 Cool Puppen, Ikon Gallery, Birmingham & Städtische Galerie im Lenbachhaus, München
  • 2005 Constructions Á Cru, Palais de Tokyo, Paris
  • 2006 Holey Residue, De Appel, Amsterdam
  • 2007 Atoms Outside Eggs, Museu de Arte Contemporânea de Serralves, Porto
  • 2008 Another Man Who Has Dropped His Paintbrush, Galleria di Civica di Modena, Modena
  • 2009 shadowbox, Temporäre Kunsthalle Berlin
  • 2009 stuntweed, Neues Museum Nürnberg
  • 2009 Hello Little Butterfly I Love You What's Your Name, Kunstmuseum Arken, Kopenhagen
  • 2010: Eine 6 x 8 m große, farbige Ellipse, angebracht an der Außenfassade der Johanneskirche in Düsseldorf (Bis Juli 2011) im Rahmen der Quadriennale 2010 der Kunsthalle Düsseldorf

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)

  • 2002 25ª Bienal de São Paulo
  • 2006 Tokyo-Berlin/Berlin-Tokyo, Mori Art Museum, Tokyo
  • 2006 Berlin-Tokyo/Tokyo-Berlin, Neue Nationalgalerie, Berlin
  • 2007 Sistemi Emotivi, Centro di Cultura Contemporanea Strozzina, Palazzo Strozzi, Florenz
  • 2008 Shake Before Using, Artium de Álava, Vitoria-Gasteiz
  • 2008 Prospect 1., New Orleans Biennial
  • 2009 Boden und Wand / Wand und Fenster / Zeit, Helmhaus Zürich
  • 2010 im fokus: Barbara und Katharina Grosse (Doppelausstellung des Museums für Neue Kunst Freiburg im Breisgau anläßlich der Eröffnung der Ausstellungshalle der Städtischen Museen Freiburg im Breisgau im Augustinermuseum)
Katharina Grosse: „In Seven Days Time“ (2011) Kunstmuseum Bonn

Werke in öffentlichen Sammlungen

Werke von Katharina Grosse befinden sich unter anderem im Centre Georges Pompidou, Paris; im Kunsthaus Zürich, im Kunstmuseum Bonn, in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München; im Museo Serralves, Porto und im Sprengel Museum Hannover.

Literatur

  • Katharina Grosse, hrsg. v. Institut für Moderne Kunst Nürnberg, (mit Texten von Roman Kurzmeyer, Ellen Seifermann und Armin Zweite), Nürnberg 1998.
  • Katharina Grosse. Location, Location, Location, (mit Texten von Arbeitsgemeinschaft Retrograde Strategien, Steffen Bodekker, Roman Kurzmeyer, Judy Millar, Angela Schneider, Beat Wismer), Düsseldorf 2002.
  • Cool Puppen, Ausstellungskatalog Ikon Gallery, Brimingham; Städtische Galerie im Lenbachhaus, München; Kunstmuseum St. Gallen, St. Gallen; Kunsthalle zu Kiel, Kiel; (mit Texten von Marion Ackermann, Beate Ermacora, Jonathan Watkins, Roland Wäspe), Wolfratshausen 2002.
  • Atoms Outside Eggs, Ausstellungskatalog Museu de Arte Contemporânea (Fundação de Serralves), Porto, (mit Texten von Leonhard Emmerling, Ulrich Loock), Porto 2007.
  • The Flowershow / SKROW NO REPAP, Ausstellungskatalog FRAC Auvergne, Clermont-Ferrand, (mit einem Text von Jean-Charles Vergne), Köln 2008.
  • Un altro uomo che ha fatto sgocciolare il suo pennello, Ausstellungskatalog Galleria Civica di Modena, (mit Texten von Arno Brandlhuber & Katharina Grosse, Milovan Farronato, Angela Vettese), Köln 2008.
  • shadowbox, Ausstellungskatalog Temporäre Kunsthalle Berlin, (mit Texten von Laura Bieger, Katja Blomberg, Uta Degner, Antje Dietze, Alexander Koch, Gerd G. Kopper), Köln 2009.
  • Farbe – Malerei der 90er Jahre, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Bonn, (mit einem Text von Justus Jonas-Edel), Bonn 1996.
  • Ausloten – Fünf Positionen autonomer Malerei, Ausstellungskatalog Kunstverein Göttingen, (mit einem Text von Roman Kurzmeyer), Göttingen 1999.
  • Vitamin P. – New Perspectives in Painting, (mit einem Text von Eric de Chassey), New York 2002.
  • Base & Awesome. Conversations on contemporary painting, Birmingham 2005.
  • Boden und Wand/Wand und Fenster/Zeit, Ausstellungskatalog Helmhaus Zürich, hrsg. v. Roman Kurzmeyer, Zürich 2009.
  • Fuchs, Rainer, Malerei als Beziehungsspiel - Anmerkungen zu Katharina Grosse, in: Parkett, Nr. 63, 2001, S. 154-162.
  • Köhnen, Ralph, “Vom System zum Rhizom“, in: Künstler, Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 66, München 2004.
  • Kurzmeyer, Roman, Reflexiv, in: Parkett, Nr. 74, 2005, S. 140-143.
  • Obrist, Hans Ulrich, Orly. Ein Gespräch mit Katharina Grosse, in: Parkett, Nr. 74, 2005, pp. 126-133.
  • Volk, Gregory, Ungehemmtes Denken im öffentlichen Raum: Die Architekturmalereien der Katharina Grosse, in: Parkett, Nr. 74, 2005, S. 118-123.

Weblinks


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