Kermani

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Navid Kermani (persisch: نوید کرمانی [næˈviːd kʲermɔːˈniː], * 1967 in Siegen) ist ein deutsch-iranischer Schriftsteller und Orientalist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geboren als vierter Sohn iranischer Eltern ist Navid Kermani deutscher und iranischer Staatsbürger. Er ist verheiratet mit der Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur und hat zwei Töchter.

Kermani studierte Islamwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft in Köln, Kairo und Bonn. Anschließend promovierte er über islamische Religion, habilitierte sich und war zuletzt Long Term Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin. Heute lebt er als freier Schriftsteller und Regisseur in Köln. Wichtige Themen seiner Arbeit sind das Verhältnis zwischen Westen und Orient, der Kampf bzw. Dialog der Religionen sowie die menschliche Ursuche nach dem Gottesbild und dem Sinn des Leids. Seit Oktober 2007 ist Kermani Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 2008 ist er Stipendiat an der Villa Massimo in Rom.

Werk

Für sein Buch Gott ist schön: Das ästhetische Erleben des Koran erhielt Kermani im Jahr 2000 den Ernst-Bloch-Förderpreis. 2004 erhielt er den Jahrespreis der Helga-und-Edzard-Reuter-Stiftung. Im November 2005 inszenierte er in Köln das Schauspiel Hosea nach Texten der Bibel und Friedrich Hebbels. Sein 2005 veröffentlichtes Buch Der Schrecken Gottes – Attar, Hiob und die metaphysische Revolte wurde von Zeitungen als „heilsam verstörend“ (NZZ) oder „buchstäblich grenzsprengend“ bezeichnet. Das Kulturmagazin von Ö1 zieht Parallelen zu früheren Arbeiten Kermanis, deren religiös-vergleichende Metaphysik ebenfalls von der Frage der Theodizee geprägt war. Im Herbst 2005 hielt Kermani im Wiener Burgtheater die Festrede zum 50. Jahrestag der Wiedereröffnung des Hauses, in der er die aktuelle Flüchtlings- und Asylpolitik der EU in Frage stellte. Anfang 2007 erschien von Navid Kermani als vorerst letzte Veröffentlichung sein Roman Kurzmitteilung.

Kermani kritisiert die Verzerrung religiöser Texte. So werde etwa im schulischen Religionsunterricht aus der Bibel ein „Wohlfühlgott“ abgeleitet und ein Gott behauptet, „der alle lieb hat“. Tatsächlich jedoch sei bei einer Betrachtung von Bergpredigt und weiteren Teilen der Bibel deren Gewalttätigkeit zu erkennen. Eine ähnliche Verzerrung erkennt Kermani im Islam und den gewaltorientierten Passagen des Koran.

Kermani setzt sich für die Trennung von Religionen und Staat ein. Religion dürfe nie zu einem Gesetz werden, das Unbeteiligte leiten darf.

Aktuelles

Im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung (Februar 2005) meinte Kermani, dass im Irakkrieg nicht nur die USA, sondern auch Europa versagt hätten – und dass die Alte Welt im Begriff stehe, dieselben Fehler im aktuellen Konflikt mit dem Iran zu wiederholen. Provozierend behauptet der promovierte Islamwissenschaftler, dass das „amerikanische Projekt einer Neuordnung des Nahen Ostens“ den meisten Iranern heute ungleich näher scheine, „als die sich so altruistisch gebende Politik der Europäer“. Dass Europa so tue, als gebe es im Iran noch Reformbemühungen, nennt Kermani nicht Illusion, sondern Selbstbetrug. Als Beleg führt er die von Irans Herrschern geknebelte Presse, die inhaftierten Oppositionellen und die Gängelung der Parlamentswahlen zur Wiederherstellung einer „konservativen“ Mehrheit an. Sein diesbezügliches Fazit lautet: „Krieg ist das falsche Mittel. Aber Befreiung nicht das falsche Ziel.“

Am 4. Juni 2007 veröffentlichte Kermani, ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung, eine Reportage über eine Bürgeranhörung zum Moscheebau in Köln-Ehrenfeld, in der er sich von der offenen Gesprächsatmosphäre begeistert zeigte und den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern „Demokratie in Reinkultur“ bescheinigte. Es gebe in Köln eine „breite weltoffene Mitte“, die wesentlich toleranter sei als mancher Intellektuelle.[1]

Veröffentlichungen (Auswahl)

Bücher

  • Gott ist schön: Das ästhetische Erleben des Koran. München: C.H. Beck, 1999
  • Iran: Die Revolution der Kinder. München: C. H. Beck, 2000
  • Das Buch der von Neil Young Getöteten. Zürich: Ammann-Verlag, 2002
  • Dynamit des Geistes. Martyrium, Islam und NIhilismus. Wallstein-Verlag, 2002
  • Schöner neuer Orient: Berichte von Städten und Kriegen. München: C.H. Beck, 2003
  • Vierzig Leben. Zürich: Ammann-Verlag, 2004
  • Der Schrecken Gottes: Attar, Hiob und die metaphysische Revolte. München: C.H. Beck, 2005
  • Du sollst! Zürich: Ammann-Verlag, 2005
  • Strategie der Eskalation. Der Nahe Osten und die Politik des Westens. Wallstein-Verlag, 2005
  • Kurzmitteilung. Zürich: Amman-Verlag, 2007
  • Wer ist Wir? Deutschland und seine Muslime. München: C.H.Beck, 2009

Artikel und Aufsätze (Auswahl)

  • Vom Murmeln koranischer Suren in protestantischen Gymnasien. Aus Katharina Mommsens wegweisender Studie über das Verhältnis Goethes zum Islam sind jetzt zentrale Kapitel neu herausgegeben. In: FR, 6.10.2001.
  • Sprich leise und mach die Poesie zu deiner Waffe. Wie Osama bin Laden den Propagandakrieg führt – und zu gewinnen droht. In: SZ, 11.10.2001.
  • Moorhühner und Moneten. Kriegsführung in Afghanistan – und was man daraus nicht lernt. In: SZ, 23.11.2001.
  • Der Duft des Aufbruchs liegt in der Luft. Die israelische Friedensbewegung teilt sich, um zu siegen. In: SZ, 12.2.2002.
  • Der Sinn, den nur die Sinne erfassen. Zur Übersetzbarkeit des Korans. In: NZZ, 10.8.2002.
  • Der Sheriff und sein Hinterhof. Amerika geht es im Irak nur um die Expansion seiner Macht. In: SZ, 5.9.2002.
  • Eine Schrift zwischen zwei Buchdeckeln. Plädoyer für ein Ende des Surenpingpong: Der Koran ist – wie die Bibel – nur in der Gesamtheit seiner Aussagen zu begreifen. In: SZ, 4.2.2003.
  • Die Alternative. Wer den Krieg ablehnt, muss dem Irak eine Perspektive zeigen. In: SZ, 27.2.2003.
  • Von Europa lernen. Demokratie im Irak: Die Frage ist nicht „ob“ – sondern „wie“. In: SZ, 16.4.2003.
  • Dreimal Beten - Zuerst: der Muslim In: Vatican Magazin Heft 1 / 2009

Preise

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Navid Kermani: Die Kölner Botschaft. In: Süddeutsche Zeitung, 4. Juni 2007.

Weblinks


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