Kernkapital

Kernkapital

Nach § 10 Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) muss jedes Kreditinstitut angemessene Eigenmittel aufweisen, um seinen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern nachkommen zu können. Eigenmittel in diesem Sinne sind formell als Eigenkapital in der Bilanz ausgewiesen.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Zentrale Vorschrift für Definition, Umfang und Grenzen der Eigenmittel ist § 10 KWG. Die in § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG formulierte Forderung nach einer angemessenen Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute reflektiert eine quantitative bankaufsichtsrechtliche Strukturnorm. Entsprechend der Präambel zur Eigenmittelrichtlinie[1] sollen die Eigenmittel die Sicherung der kontinuierlichen Tätigkeit der Kreditinstitute und den Sparerschutz ermöglichen[2]. Das KWG hebt ausdrücklich die Sicherung der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte und somit den Gläubigerschutzgedanken hervor. Der Gläubigerschutz dient der Sicherung des Vertrauens in das Bankensystem. Vertrauen ist wiederum eine essentielle Voraussetzung für die Stabilität eines modernen Finanzsystems[3].

In der Bankbilanz gibt es verschiedene Bilanzpositionen, die zu den Eigenmitteln gerechnet werden. Diese unterscheiden sich nach Herkunft und/oder Zweckbestimmung. Dabei weisen die einzelnen Positionen Unterschiede in ihrer Haftungsqualität auf, so dass eine Unterteilung dieser Eigenmittel erforderlich wird. Diese Unterteilung spiegelt die Qualität der einzelnen Positionen in Bezug auf die Schuldendeckungsfähigkeit wider. Die Eigenmittel dienen als aufsichtsrechtliche Begrenzung der gewichteten Risikoaktiva sowie der Marktpreisrisiken und operationellen Risiken von Instituten.

Die Eigenmittel eines Kreditinstituts setzen sich nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 KWG aus dem haftenden Eigenkapital sowie den Drittrangmitteln zusammen. Das haftende Eigenkapital wird unterteilt in

  • Kernkapital: eingezahltes Eigenkapital, das dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung steht, offene Rücklagen und einbehaltene Gewinne, Sonderposten für allgemeine Bankrisiken (Fonds für allgemeine Bankrisiken)
  • Ergänzungskapital: Positionen geringerer Haftungsqualität
    • Ergänzungskapital Klasse I
    • Ergänzungskapital Klasse II.

Als Drittrangmittel gelten nach § 10 Abs. 2c KWG:

Anrechenbarkeit

Ergänzungskapital und Drittrangmittel sind bei der Berechnung der anrechenbaren Eigenmittel nur begrenzt berücksichtigungsfähig. So wird Ergänzungskapital nur bis zu 100 % des Kernkapitals als haftendes Eigenkapital anerkannt und darf auch nur bis zu 50 % des Kernkapitals aus langfristigen nachrangigen Verbindlichkeiten und dem Haftsummenzuschlag bestehen. Zur Vermeidung einer Doppelbelegung von Kapital darf das haftende Eigenkapital, das zur Unterlegung anderer Risiken (z.B. Großkreditüberschreitungen gem. §§ 13 und 13a, 13b KWG, qualifizierte Beteiligungen nach § 12 KWG, Organkredite nach § 15 KWG sowie Positionen nach § 10 Abs. 6a KWG) genutzt wurde, nicht mehr zur Unterlegung von Risikopositionen im Rahmen der Solvabilitätsverordnung (SolvVO) herangezogen werden. Diese Positionen sind daher vom haftenden Eigenkapital abzuziehen. Bei dem dann verbleibenden Betrag an Kern- und Ergänzungskapital handelt es sich um das modifizierte verfügbare Eigenkapital. Dieses ist die Basis für die Berechnung der Angemessenheit der Eigenmittel nach der Solvabilitätsverordnung (SolvVO). Das 12,5-fache dieses modifizierten verfügbaren Eigenkapitals darf als risikotragende Aktiva, insbesondere Kredite, verwendet werden (§ 2 Abs. 6 SolvVO). Die Zurechenbarkeit von Drittrangmitteln zu den Eigenmitteln (anrechenbare Drittrangmittel) wird durch die Höhe des freien Kern- und Ergänzungskapitals begrenzt. Das freie Kern- und Ergänzungskapital wird berechnet, indem die nach den Vorgaben der SolvVO ermittelten Unterlegungsbeträge für Adressrisiken und für das operationelle Risiko vom modifizierten verfügbaren Eigenkapital abgezogen werden. Werden die Großkreditüberschreitungen des Handelsbuches von den anrechenbaren Drittrangmitteln abgezogen, ergeben sich die verfügbaren Drittrangmittel. Diese können im Rahmen der SolvVO ausschließlich zur Unterlegung der Anrechnungsbeträge von Marktrisiken verwendet werden. Die Summe aus den zur Unterlegung der Anrechnungsbeträge für Marktrisiken genutzten verfügbaren Drittrangmittel und dem modifizierten verfügbaren Eigenkapital entspricht den anrechenbaren Eigenmitteln, die bei der Berechnung der Gesamtkennziffer nach SolvVO zu Grunde gelegt werden.

Haftungsqualität

Bei der Konzeption der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel wird nach der Haftungsqualität der Komponenten unterschieden. In einer abgestuften Systematik wird danach unterschieden, inwieweit einzelne Bilanzpositionen eines Kreditinstituts Eigenkapitalcharakter aufweisen. Die Abstufung von Tier-1 (Kernkapital) über Tier-2 (Ergänzungskapital) zu Tier-3 (Drittrangmittel) verwirklicht die Eigenkapitalmerkmale oder Haftungsqualität der einzelnen hierin erfassten Bilanzpositionen. Im Insolvenzfall des Kreditinstituts dienen Grundkapital und Rücklagen oder der Fonds für allgemeine Bankrisiken (Tier-1), Genussrechtskapital (Tier-2) und nachrangige Verbindlichkeiten (Tier-3) als Haftungsmasse für Verluste, bevor Forderungen normaler Gläubiger ausfallen. Da Genussrechtskapital mehr Eigenkapitalmerkmale (Teilnahme am Verlust) aufweist als nachrangige Verbindlichkeiten (keine Verlustteilnahme), erfüllt es eine höhere Haftungsqualität als nachrangige Verbindlichkeiten und ist deshalb dem Tier-2-Aggregat zugeordnet.

Kernkapital

Kernkapital sind alle abschließend in § 10 Abs. 2a Satz 1 KWG aufgezählten Bilanzpositionen, die eingezahlt wurden und die dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung stehen. Mindestens 4 % der Eigenmittel müssen Kernkapital sein (generell 50 % der Eigenmittel, d.h. bei 8 % Unterlegung 4 %).

Komponenten des Kernkapitals

Die Abzugspostionen sind abschließend in § 10 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 bis 5 KWG aufgezählt.

Ergänzungskapital

Ergänzungskapital sind alle in § 10 Abs. 2b Satz 1 Nr. 1 bis 8 KWG abschließend aufgezählten Bilanzpositionen, die eine geringere Haftungsqualität aufweisen als das Kernkapital. Ergänzungskapital unterliegt folgenden Beschränkungen:

  1. Ergänzungskapital ≤ 100 % des Kernkapitals
  2. Ergänzungskapital Klasse 1 ≤ 100 % des Kernkapitals
  3. Ergänzungskapital Klasse 2 ≤ 50 % des Kernkapitals

Das Ergänzungskapital wird in 2 Klassen unterteilt:

Ergänzungskapital der Klasse 1

Dazu zählen Vorsorgereserven gemäß § 340f HGB, die nicht auf Wertminderung der Aktiva beruhen und damit im Liquidationsfall auch realisiert werden können. Sonderposten mit Rücklagenanteil (SOPO) ist der Buchgewinn, der bei der Veräußerung bestimmter Vermögensbestandteile entsteht. Genussrechtskapital muss zur Anerkennung als Eigenkapital die Eigenschaften von Eigenfinanzierungstiteln erfüllen (Teilnahme an laufenden Verlusten, nachrangige Bedienung, Dauerhaftigkeit). Neubewertungsreserven sind die Differenz zwischen Marktwert und Buchwert eines Aktivums. Die Voraussetzung dafür ist ein vorhandener Marktpreis oder ein objektives Verfahren zur Wertermittlung. Außerdem zählen kumulative Vorzugsaktien in ihren jeweiligen Nennwerten zum Ergänzungskapital der Klasse 1.

Vorsorgereserven gemäß 340f HGB

Vorsorgereserven ergeben sich aus der Unterbewertung von Forderungen und Wertpapieren unter den handelsrechtlich sonst üblichen Wert.

Neubewertungsreserven

  • Kurswert* 45 % bei Wertpapieren bei notierten und bestimmten nicht notierten Wertpapieren
  • Verkehrswert* 45 % bei Grundstücken und Gebäuden.
  • Die Neubewertungsreserven dürfen nicht 1,4 % der Risikoaktiva überschreiten und werden nur dann anerkannt wenn das Kernkapital mindestens 4,4 % der Risikoaktiva beträgt.

Kumulative Vorzugsaktien

in Nennwerten

Sonderposten mit Rücklageanteil (SOPO) bezüglich Immobilien

45 % der Sonderpostenposten mit Rücklageanteil bezüglich Immobilien müssen die wesentlichen Eigenschaften von Eigenfinanzierungstiteln besitzen.

Genussrechtskapital

Genussrechtskapital muss die wesentlichen Eigenschaften von Eigenfinanzierungstiteln besitzen.

Ergänzungskapital der Klasse 2

Ergänzungskapital der Klasse 2 ist ein Bestandteil des haftenden Eigenkapitals, welches zusammen mit den Drittrangmitteln die aufsichtsrechtlichen Eigenmittel bildet. Unter Eigenkapital der Klasse 2 fallen längerfristige nachrangige Verbindlichkeiten sowie der Haftsummenzuschlag bei Kreditgenossenschaften.

Längerfristig nachrangige Verbindlichkeiten

Längerfristig nachrangige Verbindlichkeiten werden bei Erfüllung folgender Kriterien als Ergänzungskapital der Klasse 2 anerkannt:

  • Im Insolvenzfall müssen sie nachrangig befriedigt werden.
  • Die Ursprungslaufzeit bzw. die Kündigungsfrist muss mindestens 5 Jahre betragen.
  • Verbindlichkeiten lassen sich nicht mit Forderungen des Kreditinstitutes aufrechnen.
  • Diese Bedingungen dürfen nicht nachträglich verändert werden.

Somit zählen auch Verbindlichkeiten, die im Insolvenzfall nachrangig bedient werden, unter den gegebenen Voraussetzungen zu den Eigenmitteln.

Haftsummenzuschlag

Es ist möglich, dass die Mitglieder einer Genossenschaft für deren Verbindlichkeiten über die Geschäftsanteile hinaus haften. Der Haftsummenzuschlag bei Kreditgenossenschaften wird in Abhängigkeit vom Haftungsumfang angerechnet.

Liegt unbeschränkte Haftung vor, kann der Haftsummenzuschlag bis zum Zweifachen des Gesamtbetrages der Geschäftsanteile anerkannt werden. Bei beschränkter Haftung bis maximal zum 0,75-fachen des Gesamtbetrages der Haftsummen.

Der Haftsummenzuschlag bei Kreditgenossenschaften kann unabhängig von seinem Haftungsumfang nur bis maximal 25 % des Kernkapitals ohne Sonderposten für allgemeine Bankrisiken anerkannt werden.

Relation zu den Eigenmitteln der Bank

Eigenkapital der Klasse 2 darf nur bis zu 50 % des Kernkapitals herangezogen werden.

Der Haftsummenzuschlag bei Kreditgenossenschaften kann unabhängig von seinem Haftungsumfang nur bis maximal 25 % des Kernkapitals ohne Sonderposten für allgemeine Bankrisiken anerkannt werden.

Drittrangmittel

Drittrangmittel sind alle in § 10 Abs. 2c und Abs. 7 KWG abschließend aufgezählten Bilanzpositionen, die eine geringere Haftungsqualität aufweisen als das Kernkapital und das Ergänzungskapital. Beschränkung: Drittrangmittel + freies Ergänzungskapital ≤ 250 % des freien Kernkapitals. Dies ergibt sich indirekt aus der Unterlegung des Anrechnungsbetrags für Marktrisikopositionen. Diese sind gemäß SolvV mit mindestens 2/7 Kernkapital, max. 2/7 Ergänzungskapital und höchstens 5/7 Drittrangmittel zu unterlegen. Da Drittrangmittel nur zur Unterlegung von Marktrisikopositionen geeignet sind, greift diese Relation allgemein für Drittrangmittel.

Drittrangmittel umfassen:

Nettogewinn des Handelsbuches

Gewinn, der bei Glattstellung aller Handelsbuchpositionen realisiert würde.

Kurzfristige nachrangige Verbindlichkeiten

mit Mindestursprungslaufzeit von 2 Jahren. Auch hier sind die Anforderungen an die Haftungsqualität ähnlich der Anforderungen an die Haftungsqualität wie bei nachrangigen Verbindlichkeiten.

Gekapptes Ergänzungskapital

Unter Umständen Ergänzungskapital, das aufgrund der Unterlegungsrelationen nicht mehr als Ergänzungskapital anerkannt werden kann.

Rangfolge in der Insolvenz

Nachrangige Darlehen werden unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenmittel anerkannt, da diese Verbindlichkeiten im Insolvenzfall erst nach den ordentlichen Verbindlichkeiten bedient werden und daher zur Rückzahlung der vorausgehenden Kapitalien zur Verfügung stehen. Voraussetzung für ihre Anerkennung wiederum ist, dass die Posten eingezahlt sind und dauerhaft zur Verfügung stehen.

Nachrangige Verbindlichkeiten, Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter sowie Genussrechtskapital stehen aufgrund einer festen Laufzeit oder eines Kündigungsrechtes der Kapitalgeber nur begrenzte Zeit zur Verfügung. Hier ist die Ausgestaltung der Finanztitel entscheidend.

Rangfolge bei Insolvenz und Haftungsmasse
Vbl. ggü. Kreditinstituten, Kunden, verbriefte Vbl.
ΔA3 Nachrangige Vbl.
ΔA2 Genussrechtskapital
ΔA1 Fonds für allgemeine Bankrisiken

Relationen bei der Unterlegung

Eigenmittel müssen gemäß SolvV mindestens der Summe aller Risikoaktivaanrechnungsbeträge entsprechen.

Das Ergänzungskapital darf gemäß § 10 Abs. 2 KWG maximal 100 % des Kernkapitals bei Unterlegung von 8 % der gewichteten Risikoaktiva mit haftendem Eigenkapital betragen. Davon darf Ergänzungskapital der Klasse II höchsten 50 % betragen.

Man bezeichnet die Zuordnung der Position mit unterschiedlichen Eigenmittelkomponenten als Building-Block-Approach (Baukastensystem).

siehe auch: Kernkapitalquote

  1. bestehend aus den Richtlinien 2006/48/EC und 2006/49/EC vom 14. Juni 2006
  2. (vgl. Eigenmittelrichtlinie, 1989, S. 118)
  3. (vgl. auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über das Kreditwesen, Deutscher Bundestag, 1961, Seite 3)

Literatur

  • Beck/Samm/Kokemoor: Gesetz über das Kreditwesen. C.F. Müller Verlag, Heidelberg, KWG Kommentar mit Materialien und ergänzenden Vorschriften ;Loseblattsammlung, 129. Aktualisierung Februar 2008, ISBN 978-3-8114-5670-9
  • Deutsche Bundesbank, Erläuterungen zu den Eigenmitteln [1]
Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

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