Kloster Denkendorf

Kloster Denkendorf
Kloster Denkendorf (Südostansicht)

Das Kloster Denkendorf war ein dem heiligen Pelagius geweihtes Stift des Ordens der Chorherren vom Heiligen Grab in Denkendorf (Landkreis Esslingen).

Inhaltsverzeichnis

Geschichtlicher Abriss: äußere Entwicklung und innere Organisation

Kloster Denkendorf im 19. Jahrhundert

Das Stift der Chorherren vom Heiligen Grab in Denkendorf geht auf einen Edlen Bertholdus zurück, der nach 1128 dem Kapitel vom Heiligen Grab die Denkendorfer Pelagiuskirche stiftete und zusätzlich am 22. April 1142 im Kapitelsaal der Kanoniker vom Heiligen Grab in Jerusalem sein Eigen post mortem übertrug. Um 1130 war der neu gegründeten Propstei von Papst Honorius II. der päpstliche Schutz und die freie Propstwahl zugesichert worden, und König Konrad III. gewährte 1139 dem Stift auf einem Hoftag in Markgröningen den Schutz des Reiches und das Recht der Vogtwahl. Diese königliche Schutzherrschaft wurde von den deutschen Herrschern des Mittelalters immer wieder bestätigt, so beispielsweise 1181 durch Friedrich I., 1226 und 1228 durch Friedrich II., 1291 durch Rudolf I. und 1299 durch dessen Sohn Albrecht.

König Wilhelm von Holland allerdings hatte 1252 die Schirmvogtei über Denkendorf an Graf Ulrich von Württemberg verpfändet. Seit dieser Zeit betrieben die Grafen von Württemberg eine Politik, die hauptsächlich darauf abzielte, die Heiliggrabpropstei in das eigene Territorium einzubeziehen. So beauftragte beispielsweise 1342 Ludwig der Bayer den Grafen Ulrich von Württemberg, die Propstei Denkendorf in seinem und des Reiches Namen zu schirmen. Aber daraus, dass sich das Chorherrenstift 1346, 1353 und 1359 das Privileg König Heinrichs VII. vom Jahre 1226 einschließlich des darin enthaltenen Schutzes und Schirms des Reiches bestätigen ließ, ist zu schließen, dass das Verhältnis zwischen Denkendorf und den württembergischen Schirmherren gespannt war. Auch Nachteile erwuchsen dem Stift durch die Vogtei der Württemberger, denn die enge Verbindung mit den württembergischen Grafen hatte zur Folge, dass im Krieg zwischen Württemberg und den Reichsstädten 1377 das Kloster von den Städten Esslingen und Ulm völlig niedergebrannt wurde. Die Zerstörungswut der Esslinger im Jahre 1377 rührte aber sicherlich neben der Nähe des Denkendorfer Konvents zum Hause Württemberg auch daher, dass 1373 der Propst Friedrich Kayb in päpstlicher Vollmacht das Interdikt über die Esslinger Stadtkirche und einige Esslinger Geistliche ausgesprochen hatte. Wenig später veränderte sich die Beziehung der Propstei zur nahen Reichsstadt wieder, denn am 16. August 1387 wurde das Chorherrenstift Denkendorf in das Esslinger Bürgerrecht aufgenommen. Denkendorf stellte sich unter die Esslinger Schirmherrschaft und nahm das Bürgerrecht der Stadt an. In diesem Zusammenhang übergab das Stift sein Siegel an Esslingen. Denkendorf leistete für das Bürgerrecht jährliche Abgaben, Fuhren und Frondienste. Im Jahre 1400 begab sich das Stift noch weiter in die Abhängigkeit von Esslingen, denn die Stadt übernahm als der stärkste Gläubiger einen Teil der Schulden Denkendorfs. Die Privilegien des Stiftes wurden ebenfalls an die Reichsstadt übergeben. Zwei von Stift und Stadt bestellte Pfleger verwalteten nun den Besitz des Stiftes. Somit ging ein großer Teil der Geschäftstätigkeit des Stiftes an den Esslinger Rat über. Am 18. September 1424 erfolgte ein erneuter Schirmwechsel des Chorherrenstiftes zu den Württembergern, unter deren Schutz die Denkendorfer Chorherren fortan blieben.

In der Mitte des 15. Jahrhunderts zerstritt sich der Konvent so stark, dass von außen geschlichtet werden musste. Die Spannungen begannen mit der Propstwahl 1431 und endeten damit, dass am 6. Juli 1467 der von Perugia nach Denkendorf gekommene Generalprior des Ordens auf Wunsch des Grafen den amtierenden Propst Bernhard von Baustetten absetzte und Heinrich Gutzmann zum neuen Propst ernannte. Dieser Eingriff zeigte, wie stark der Einfluss des württembergischen Grafenhauses auf die Geschicke des Stiftes war. Der Orden der Chorherren vom Heiligen Grabe wurde am 28. März 1489 durch die Inkorporation in den Johanniterorden durch ein Dekret des Papstes Innozenz VIII. aufgehoben. Ein Sturm der Entrüstung zahlreicher europäischer Fürsten (u.a. Kaiser Maximilian und Graf Eberhard von Württemberg) war die Antwort auf das Inkorporationsdekret. Der Nachfolger Innozenz VIII., Papst Alexander VI., erlaubte daher am 2. Dezember 1497 dem Denkendorfer Stift und seinen Niederlassungen, in ihrem bisherigen Status zu verbleiben. Endgültig besiegelte die von Ambrosius Blarer im Auftrage Herzog Ulrichs durchgeführte Reformation, die 1535 der vita regularis in Denkendorf ein Ende setzte, das Schicksal der Chorherren vom Heiligen Grabe in Württemberg.

Einige der Chorherren nahmen 1535 die evangelische Lehre an und ließen sich als Prediger anstellen. 1556 wurde in den Gebäuden eine evangelische Klosterschule eingerichtet, die bis 1584 Bestand hatte. 1713 entstand eine zweite evangelische Klosterschule, mit der besonders die Verdienste des Klosterpräzeptors Johann Albrecht Bengel verbunden sind und die bis 1810 Bestand hatte. Der berühmteste Schüler dieser Schule war Friedrich Hölderlin. Von 1830 bis 1907 war das Klostergelände in privatem Besitz: die Firma Kauffmann stellte hier „Klostersenf“ her. Nachdem das Stift 1907 wieder in den Besitz des Staates kam, befand sich in den Gebäuden von 1907 bis 1920 eine Präparandenanstalt für zukünftige Lehrer, von 1921 bis 1934 ein Volkshochschulheim für Mädchen, von 1934 ab wurde das Kloster von nationalsozialistischen Gliederungen als Frauenschullager, Kindergarten und als NSDAP-Ortsgruppenbüro genutzt. Nach dem Krieg war es bis 1949 Zufluchtstätte für Heimatvertriebene, bis am 18. Mai 1950 das „Evangelische Diakonieseminar Denkendorf“ eingeweiht wurde. Nach dem Umzug des Diakonieseminars nach Ludwigsburg konnte am 16. Oktober 1972 die Landeskirchliche Fortbildungsstätte „Kloster Denkendorf“ eröffnet werden. Seit 2007 wird das Kloster auch vom interreligiösen Verein „Haus Abraham“ genutzt.

Kulturell-religiöse Bedeutung des Konvents

Die Liturgie der Chorherren vom Heiligen Grab basierte auf dem gallisch-fränkischen Ritus, wurde aber den lokalen Gegebenheiten der Kirche von Jerusalem angepasst. Die besondere Liturgie des Heilig-Grab-Kapitels in Jerusalem war zum einen durch Prozessionen, zum anderen durch Stationsgottesdienste gekennzeichnet. Der Nachvollzug der Heilsereignisse war auch in den liturgischen Handschriften vorgesehen. Die Gottesdienstordnung ist in zwei bisher bekannten Handschriften des Ordo secundum institutionem ecclesiae dominici Sepulcri überliefert, von denen eine im italienischen Barletta, die andere in Breslau zu finden ist.

Bedeutende Reliquien aus dem Heiligen Land kamen schon in der Gründungsphase der Propstei nach Denkendorf, denn sowohl Splitter vom Heiligen Grab als auch ein Span vom Kreuzesholz wurden in das Chorherrenstift geschickt. Beide sind zusammen in einem Doppelkreuzreliquiar gefasst und heute im Württembergischem Landesmuseum zu sehen. In der Forschung wurde auf Grund von stilistischen Merkmalen an diesem Kreuz geschlossen, dass das Denkendorfer Kreuz nicht aus Schwaben stammt, sondern im 12. Jahrhundert von Palästina aus dem Stift zur Verehrung übergeben wurde. Der Bestand der Bibliothek kann anhand eines überlieferten Bibliothekskatalogs aus dem Jahre 1538 rekonstruiert werden. Der Katalog enthält 224 Titel, die meisten Werke sind Wiegen- und Frühdrucke. 60 Predigtsammlungen sind hier verzeichnet, die Heilige Schrift und das liturgische Gebet sind mit 25 Werken vertreten, 18 Titel fallen in den Bereich der Theologie, Dogmatik und Philosophie, während Werke aus dem Bereich der Mystik gänzlich fehlen. 24 Werke handeln über kanonisches, 16 über das römische Recht. An dieser Gewichtung der Bücher ist gut zu erkennen, dass die Seelsorge in der Bibliothek eine hervorragende Stelle einnahm.

Baugeschichte von Klosteranlage und Kirche

Krypta im Kloster Denkendorf

Die Klosteranlage liegt auf einer Anhöhe und bildet mit den Klostergebäuden eine Einheit. Um 1200 musste die Pfarrkirche, bisher von Dorfgemeinde und Chorherren genutzt, einer spätromanischen Basilika weichen. Der Westturm stammt noch von der älteren Pelagiuskirche (um 1050), von der das Patronzinium des hl. Pelagius auf die neue Kirche des Chorherrenstifts übergegangen ist. Das Langhaus wurde um 1200 begonnen, als Baumaterial wurde Stubensandstein gewählt. Die flachgedeckte Basilika, die durch eine Vorhalle betreten wird und in einen rechteckigen Altarchor (erbaut zwischen 1225 und 1240) mündet, wird durch massive romanische Rechteckpfeiler gestützt. Die niedrigen Seitenschiffe haben im 15. Jahrhundert Veränderungen erfahren: das südliche wurde durch Maßwerkfenster und Rippengewölbe dem gotischen Kreuzgang angeglichen, im nördlichen sind die Fenster ebenfalls gotisch verändert worden. Besonders erwähnenswert ist die Denkendorfer Krypta, die vor allem durch die Nachbildung des leeren Grabes Christi, aber auch durch die Gestaltung als Saalraum, durch ein Tonnengewölbe überspannt, auffällt. Spätere bauliche Veränderungen betrafen das Dach (gotisches Steildach nach 1377), die Vorhalle (gotisches Portal 1468, Baldachin 1478), Krypta (Fresken 1515), Kanzel (1518) und Turm (um 1633/34).

Mitte der 1970er Jahre wurde das Äußere der Kirche im Stil der Romanik mehrfarbig gefasst. So ist das Kirchengebäude heute eines der wenigen Beispiele romanischer polychromer Architekturbemalung.

Gedenkstätten

Bengelstüble in der ehemaligen Amtsstube

An den früheren Präzeptor, den Theologen und Schriftsteller Johann Albrecht Bengel, erinnert im Klostergebäude eine kleine literarische Gedenkstätte, das sogenannte Bengelstüble. Gezeigt werden Ausgaben von Bengels Werken, Porträtbilder und verschiedene persönliche Dokumente. Seit Aufgabe der Landeskirchlichen Fortbildungsstätte stehen die Vitrinen leer.

Im Kloster wurde der Kunstschriftsteller Fritz Alexander Kauffmann geboren. Seinem Vater gehörte die Firma Kauffmann, die den Denkendorfer Klostersenf herstellte. Sein Bildungsroman Leonhard – Chronik einer Kindheit (1947) erzählt von seiner Kindheit im Kloster Denkendorf.

Weblinks

48.6929.3152

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Denkendorf (Württemberg) — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Denkendorf — Dẹnkendorf,   Gemeinde im Landkreis Esslingen, Baden Württemberg, 274 m über dem Meeresspiegel, auf den Fildern, 10 400 Einwohner.   Stadtbild:   Der romanische Bau der ehemaligen Klosterkirche Sankt Pelagius des Ordens vom Heiligen Grab (um… …   Universal-Lexikon

  • Denkendorf — Denkendorf, 1) Dorf im Amte Eßlingen des württembergischen Neckarkreises; sonst Kloster, 1120 gestiftet; seit 1713 Klosterschule (sonst in Hirsau); 1400 Ew.; 2) Pfarrdorf im Landgericht Kipfenberg des bairischen Kreises Mittelfranken;… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Denkendorf — Denkendorf, Flecken im württemberg. Neckarkreis, Oberamt Eßlingen, an der Kersch, hat eine Klosterkirche, treibt Fabrikation von Senf, Schokolade und Spirituosen, Obst und Krautbau und zählt (1900) 1863 Einw. In dem ehemaligen Kloster der… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Denkendorf (Oberbayern) — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Kloster Lorch — Gesamtansicht, 2008 Das Kloster Lorch ist ein ehemaliges Benediktinerkloster in Lorch, Baden Württemberg (Deutschland). Es war das Hauskloster der Staufer …   Deutsch Wikipedia

  • Bitz (Denkendorf) — Bitz Gemeinde Denkendorf Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Zandt (Denkendorf) — Zandt Gemeinde Denkendorf Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Schönbrunn (Denkendorf) — Schönbrunn Gemeinde Denkendorf Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Kirchenbezirk Esslingen — Basisdaten Landeskirche: Evangelische Landeskirche in Württemberg Prälatur: Stuttgart Fläche: km² Gliederung: 28 Kirchengeme …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”