Kolloidales Silber

Kolloidales Silber

Kolloidales Silber (lat. argentum colloidale, von griech. kolla – leimartig) ist eine Verwendungsform von Silber. Es wurde medizinisch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Infektionsbekämpfung eingesetzt, als wirksamere Mittel noch nicht zur Verfügung standen, trat dann aber wegen damals zu hoher Herstellungskosten und Problemen bei der Herstellungsqualität in den Hintergrund.

Bei kolloidalem Silber handelt es sich um ultrafeine Partikel von elementarem Silber (Nanosilber) oder auch von schwerlöslichen Silberverbindungen bzw. deren flüssige Dispersionen. Für letztere werden synonym die Begriffe Silbersol und Silberwasser benutzt. Silberkolloiddispersionen bzw. Silbersole sind von Lösungen löslicher Silbersalze zu unterscheiden. Die Kolloidteilchen sind zwischen 1 und 100 nm groß[1] und weder mit dem Auge noch mit einem Lichtmikroskop erkennbar. In den einzelnen Teilchen sind etwa 1.000 bis 1 Milliarde Silberatome oder Moleküle der entsprechenden Silberverbindung enthalten. Im Gegensatz zu echten Silbersalzlösungen streuen Silberkolloidlösungen seitlich einfallendes Licht (Tyndall-Effekt)

Inhaltsverzeichnis

Herstellung

Kolloidales Silber kann durch verschiedene Verfahren hergestellt werden:

Wirkung

Kolloidales Silber zeigt in-vitro (d. h. außerhalb eines lebenden Organismus) eine antimikrobielle Wirkung und inaktiviert in bereits kleinen Konzentrationen eine Reihe von Bakterien und Pilzen.[2] Wirksames Agens sind dabei Silberkationen, die stets in kleinsten Mengen aus elementarem Silber oder auch aus schwerlöslichen Silberverbindungen freigesetzt werden und den Stoffwechsel von Mikroorganismen hemmen. Die minimale Hemmkonzentration (MHK) liegt bei circa 8 bis 100 ppm Silberionen,[3] grampositive Bakterien gelten als etwas empfindlicher als gramnegative.[3][4] Allerdings sind die Methoden für die Bestimmung der Suszeptibilität von Keimen gegenüber Silber bislang nicht ausreichend standardisiert. Die Hemmung kommt durch die Reaktion von Silberkationen mit schwefelhaltigen funktionellen Gruppen bestimmter Aminosäuren und Proteine zustande, welche dadurch inaktiviert werden. Dieser auch als oligodynamischer Effekt bezeichnete Wirkmechanismus ist nicht nur Silber zu eigen, sondern wird auch bei anderen Metallen beobachtet (z. B. bei Quecksilber, Kupfer, Zinn, Eisen, Blei, Bismut und Gold). Die Fähigkeit, gleichzeitig an verschiedenen Stellen im Zellstoffwechsel anzugreifen, erklärt das breite antimikrobielle Wirkspektrum von Silber und Silberverbindungen. Die Silberionen freisetzende Oberfläche ist bei Silberkolloiden besonders groß.

Die starke antimikrobielle Wirksamkeit von Nanosilber wird mit dessen Fähigkeit in Verbindung gebracht, Zellwände und Zellmembranen durchdringen zu können und im Zellinnern zu wirken. In vitro wirkt kolloidales Silber auch gegen Viren, indem Nanosilberpartikel an deren Oberfläche binden und die Bindung der Viren an Wirtszellen unterdrücken.

Äußerliche Anwendung

Äußerlich wird kolloidales Silber aufgrund seiner antimikrobiellen Wirkung in kosmetischen Produkten wie Seifen, Cremes, Lotionen usw. verwendet. Die Sinnhaftigkeit einer pflegenden Behandlung gesunder Haut mit Silber ist angesichts der lückenhaften Datenlage fragwürdig. Die Wirksamkeit in der therapiebegleitenden Pflege von atopischen Hauterkrankungen wurde in kleineren Studien und Anwendungsbeobachtungen untersucht.[2] Auch eine Reihe von Verbandsmaterialien und Wundauflagen ist mit kolloidalem Silber antibakteriell ausgestattet.

Für die medizinische Verwendung charakterisiert das Europäische Arzneibuch „Kolloidales Silber zum äußerlichen Gebrauch“, eine Silber-Eiweiß-Verbindung mit einem Gehalt von 70 bis 80 Prozent an elementarem Silber.[5]

Innerliche Anwendung

Hauptsächlich über das Internet werden Präparate mit kolloidalem Silber zum innerlichen Gebrauch als Allheilmittel für zahlreiche Anwendungsgebiete beworben, die hauptsächlich mit der antimikrobiellen, aber auch mit weiteren angeblichen Wirkungen begründet werden. Verschiedenste Produkte werden als „kolloidales Silber“, „Silberwasser“, „Silver Water“ (engl.) oder „Hunzawasser“ angeboten. Eine medizinische Wirksamkeit oder ein gesundheitlicher Nutzen ist für keine der beanspruchten Anwendungen nachgewiesen.

Von einer Verkehrsfähigkeit als Nahrungsergänzungsmittel ist für kolloidales Silber in Deutschland nicht auszugehen. Für Silber ist keine physiologische Funktion bekannt. Nahrungsergänzungsmittel dürfen keinem therapeutischen Zweck dienen und auch nicht krankheitsbezogen beworben werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vertritt die Auffassung, dass Fertigpräparate mit kolloidalem Silber zum Einnehmen als Arzneimittel einzustufen seien.[6] Infolgedessen dürften sie gemäß arzneimittelrechtlichen Bestimmungen nur mit Erlaubnis hergestellt und nur mit einer entsprechenden Arzneimittelzulassung in den Verkehr gebracht werden. In der Vergangenheit sind Fälle von illegalem Vertrieb als Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz geahndet worden.[7]

Abgesehen von alternativmedizinischen, stark verdünnten Fertigpräparaten (z. B. für die Homöopathie) gibt es in Deutschland nur ein einziges silberkolloidhaltiges Fertigarzneimittel (Gastrarctin N, Auszug aus Pfefferminzblättern und Kamillenblüten mit 250 mg kolloidalem Silber pro 100 g). Es ist mit einer über 50 Jahre alten Altzulassung basierend auf arzneimittelrechtlichen Übergangsvorschriften noch derzeit vermarktbar.

Unerwünschte Wirkungen

Präparate mit hohem Silbergehalt können, besonders bei Verwendung über einen längeren Zeitraum hinweg, irreversible Silberablagerungen (Silberakkumulation) im Organismus verursachen, die u. a. zu Argyrie (Dunkelverfärbung der Haut), Argyrose (lokale Einlagerungen, insbesondere am Auge) und neurologischen Beeinträchtigungen führen können.[8][9][10][11][12][13] Auch in Gefäßen und inneren Organen wie Leber, Nieren, Milz und im Zentralnervensystem lagert sich Silber ab. Im Zusammenhang damit sind chronische Oberbauch-Schmerzen und zentralnervöse Erkrankungen wie Geschmacks- und Gangstörungen, Schwindel- oder Krampfanfälle beschrieben.[14]

In den USA stufte die FDA 1999 freiverkäufliche Arzneimittel sowohl für die innerliche als auch äußerliche Anwendung, die Silbersalze oder kolloidales Silber enthalten, als bedenklich ein, und es wurde eine eigene behördliche Verwaltungspraxis geschaffen.[15] Von der Nutzung von Silberkolloiden als Nahrungsergänzungsmittel wurde in den USA aufgrund beträchtlicher Risiken und des unbelegten Nutzens abgeraten.[16]

Es bestehen Befürchtungen, dass ultrafeine Teilchen wie Nanopartikel, zu denen auch kolloidales Silber zählt, bei einer topischen Anwendung die Haut durchdringen und toxisch wirken könnten. Das Europäische Parlament hat dies durch eine Änderung der EU-Kosmetikverordnung berücksichtigt. Zukünftig müssen Kosmetikhersteller Nanomaterialien in Kosmetika als solche deklarieren und außerdem die Ungefährlichkeit belegen.[17]

Resistenzbildung

Silberempfindliche Mikroorganismen können mit der Zeit silberresistent werden. Über Plasmide kann der Resistenzmechanismus zwischen verschiedenen Bakterienarten ausgetauscht werden. Silberresistente Mikroorganismen wurden in Wasserfiltern nachgewiesen sowie bei Patienten mit Brandverletzungen, die mit silberhaltigen Mitteln behandelt wurden. Die klinische Bedeutung wird als bislang eher gering eingeschätzt.

Gesetzliche Regelungen

In Deutschland sind hinsichtlich der Produktabgrenzungsproblematik insbesondere das Arzneimittelgesetz, das Medizinproduktegesetz, sowie das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch und diesem diverse nachgeordnete Rechtsvorschriften (Kosmetikverordnung, Nahrungsergänzungsmittelverordnung) relevant.

Literatur

Links

[1] EsoWatch.com über Kolloidales Silber (Kritische Auseinandersetzung mit den Risiken der Anwendung)

Einzelnachweise

  1. Renner, H., Silber, Silber-Verbindungen und Silber-Legierungen. In: Bartholomé, E., et al. (Hrsg.), Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, Band 21, 4. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim, New York 1982.
  2. a b R. Daniels et. al.: Alte Aktivsubstanz in neuem Gewand. Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 16, 2009. Hier online abrufbar.
  3. a b Bundesinstitut für Risikobewertung: BfR rät von Nanosilber in Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs ab. Stellungnahme Nr. 024/2010 vom 28. Dezember 2009.
  4. Müller, H.E. (1985): Untersuchungen zur oligodynamischen Wirkung von 17 verschiedenen Metallen auf Bacillus subtilis, Enterobacteriaceae, Legionellaceae, Mocrococcae und Pseudomonas aeruginosa. In: Zentralblatt für Bakteriologie, Mikrobiologie und Hygiene (B). Bd. 182, Nr. 1, S. 95-101. PMID 3939057
  5. Europäisches Arzneibuch, Monografie 6.0/2281.
  6. Gutachten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wiedergegeben in der Sendung WISO des ZDF am 3. März 2008
  7. Private Website von Edwin Blaschke, einem ehemaligen Verkäufer von „Kolloidales Silber“.
  8. Wadhera, A. et al.: Systemic argyria associated with ingestion of colloidal silver.. In: Dermatol Online J.. 1, Nr. 11, 2005, S. 12. PMID 15748553.
  9. Chang, A. L. et al.: A case of argyria after colloidal silver ingestion.. In: J Cutan Pathol.. 33, Nr. 12, 2006, S. 809-811. PMID 17177941.
  10. Kim Y. et al.: A case of generalized argyria after ingestion of colloidal silver solution.. In: Am J Ind Med.. 52, Nr. 3, 2009, S. 246-250. PMID 19097083.
  11. True-blue bids for Senate. BBC NEWS. Abgerufen am 17. Juli 2009.
  12. Rosmary’s Story. rosemaryjacobs.com. Abgerufen am 17. Juli 2009.
  13. Blue man leaves Oregon in search of acceptance. KATU.com. Abgerufen am 17. Juli 2009.
  14. Wadhera A, Fung M: Systemic argyria associated with ingestion of colloidal silver. Dermatol Online J. 2005 Mar 1;11(1):12. PMID 15748553
  15. Code of Federal Regulations, Title 21, Volume 5. Revised as of April 1, 2010. Sec. 310.548: Drug products containing colloidal silver ingredients or silver salts offered over-the-counter (OTC) for the treatment and/or prevention of disease.
  16. Fung, M. C., et al., Colloidal Silver proteins marketed as health supplements, JAMA 274 (1995) 1196.1197.
  17. Amtsblatt der Europäischen Union: Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel.
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