Konfliktsituation

Konfliktsituation

Ein Konflikt (lat.: confligere = zusammentreffen, kämpfen; PPP: conflictum) ist dann gegeben, wenn Zielsetzungen oder Wertvorstellungen von Personen, gesellschaftlichen Gruppen, Organisationen oder Staaten unvereinbar sind. Dabei lässt sich zwischen dem Konflikt selbst, der Konfliktattitüde (z. B. Wut) und dem konkreten Konfliktverhalten (z. B. tätliche Aggression) unterscheiden. Die Konfliktforschung untersucht die Entstehung und den Verlauf von Konflikten und entwickelt Lösungsstrategien, um das Handeln in Konflikten zu verändern bzw. die Auswirkungen eines Konfliktes begrenzen zu können.

Inhaltsverzeichnis

Konfliktsituation

Die Situation besteht aus einer Person bzw. aus zwei oder mehreren Konfliktparteien (wer?) und mindestens einer Konfliktursache (warum?). Eine Konfliktsituation ist möglich

Eine weitere wichtige Art von Konflikten sind die innerseelischen Konflikte. Eine Art dieser Konflikte stellt z. B. die Tyrannei des Solls (tyranny of the should) nach Karen Horney[1] dar. Dabei stellt man an sich Anforderungen, unter deren Erfüllung man auf Dauer leidet.

Bei zwischenmenschlichen, intra- und inter-Gruppen-Konflikten kann nach dem Grad der jeweiligen "Konflikttiefe" unterschieden werden zwischen

  • Verteilungskonflikten (Empfundene Gegensätze in Bezug auf die Nutzung/Realisierung von Ressourcen),
  • Zielkonflikten (Empfundene Gegensätze in Bezug auf Absichten/Interessen),
  • Beziehungskonflikten (Empfundene Gegensätze in Bezug auf Verhaltensdispositionen) bzw.
  • Identitätsbasierten Konflikten (Empfundene Bedrohungen des eigenen Selbstbildes oder dessen, was einen als Person ausmacht)

Bei Systemen (z. B. Familien, Gruppen, Politik, Organisationen, Gesellschaften, Staaten) wurde auch diagnostisch unterschieden zwischen

Ursachen von Konflikten

Die Ursachen von zwischenmenschlichen Konflikten in Organisationen liegen nach L. Mullins[2] in:

  • individuellen Wahrnehmungsunterschieden
    Je nach individueller Vorgeschichte, Kenntnisstand, Erfahrungen, Laune und Charakter wird eine Situation unterschiedlich wahrgenommen oder verstanden.
  • seltene oder begrenzte Ressource
    Wenn die Mittel zur Erreichung der jeweiligen Ziele von zwei oder mehr Parteien benötigt werden, wird die Einschränkung der Verfügung durch andere zum Konflikt führen.
  • Zergliederung der Organisation
    Die Zergliederung der Organisation durch Abteilungsnamen, Verantwortlichkeiten, Weisungsbefugnissen usw. trennt die Mitglieder der Organisation. Allein diese Trennung kann zu Konflikten führen, da in einer Stellvertreterfunktion die Interessen dieser organisatorischen Einheit gegenüber anderen vertreten werden.
  • voneinander abhängige Arbeitsumwelt
    Wenn die Ausführung einer Arbeitstätigkeit von der vorherigen Arbeit eines anderen abhängt.
  • Rollenkonflikte
    Ein Mensch übernimmt verschiedene Rollen, deren Ausübung mit den Rollen anderer in Konflikt treten kann, beispielsweise beurteilt ein Qualitätsmitarbeiter die Arbeit eines anderen.
  • unfaire Behandlung
    Unfaire Behandlung aus allen möglichen Gründen, Geschlecht, Sprache, Aussehen, Alter, Gesundheit, Rasse, Religion, Herkunft, Abstammung kann zu Konflikten führen. Dabei ist es wesentlich zu erkennen, dass Fairness und Gleichheit nicht austauschbar sind; ein Gehbehinderter kann nicht gleich wie ein Nichtbehinderter behandelt werden, sehr wohl aber gleich fair.
  • Verletzung des Territoriums
    Jede wahrgenommene Verletzung von tatsächlichem oder ideellem Territorium wird als Konflikt wahrgenommen. Wenn also eine Person in den persönlichen Bereich einer anderen eindringt - zu dicht an diese herangeht - oder sich in dessen ideellen Bereich begibt - "in meinem Artikel wurstelt", dann ist ein Konflikt wahrscheinlich.
  • Veränderung der Umwelt
    Veränderungen der Umwelt führen zu Veränderungen in der Organisation. Abgesehen von vorgenannten Konfliktursachen führt die Veränderung der Umwelt zu Unsicherheit und Stress, der allein die Wahrscheinlichkeit von Konflikten in der Organisation erhöht.

Selten ist eine Ursache allein der Grund für einen ausgetragenen Konflikt. Oft finden sich kumulative Effekte über Zeit, so dass die Analyse der Ursachen für die Konfliktlösung oder das Management des Konfliktes wesentlich sein kann.

Konfliktlösung

Eine Konfliktlösung kann entweder legalistisch über die Verifikation und Sanktionierung von Fehlverhalten (Prozess, Urteil und Bestrafung) oder strukturell über die Erzielung von Übereinkommen (Konsens) erreicht werden.

Häufig ist ein solcher Weg im persönlichen Bereich schwer zu unterscheiden von Vermeidungsstrategien aus Angst-, Schuld-, Scham- oder Minderwertigkeitsgefühlen gegenüber einer offenen Auseinandersetzung mit dem Konfliktthema oder dem Konfliktpartner (nach Rupert Lay, s. u.). Auch Tabus können dabei im Spiel sein. Die Grenzen zu einer Scheinbeilegung durch Verdrängung sind dann fließend. Ein "reinigendes Gewitter" kann demgegenüber viel konstruktiver sein.

Da Konflikte ihre Ursache in einem Widerspruch haben, wird häufig der Stärkere versuchen, den Widerspruch zugunsten seiner eigenen Sichtweise aufzulösen. Dies kann den Konflikt jedoch nicht beheben, weil der Schwächere mit der scheinbaren Lösung einem erneuten Konflikt ausgesetzt wird.

Entscheidend für den angemessenen Umgang mit einer Konfliktsituation ist die Frage, ob nach der Klärung eine konstruktive Fortsetzung des Kontakts mit dem Anderen erwünscht ist, oder nicht:

Es hat keinen Sinn, in eine kooperative Konfliktklärung zu investieren (vielleicht nur, um "Recht" oder "nicht Unrecht" zu behalten), wenn man an der dadurch ermöglichten Kontaktfortsetzung kein Interesse hat. Gleiches gilt - da immer Zwei dazugehören -, wenn der Andere durch sein Verhalten signalisiert, an einer Fortsetzung des Kontakts kein Interesse zu haben.
Da kann es friedlicher für alle Beteiligten sein, das Fortbestehen eines Konflikts einfach zu konstatieren, zu akzeptieren und es dabei bewenden zu lassen.

Tatsächliche Konfliktlösungen reichen von Gesprächen zwischen den Beteiligten - wie bei Mediationen oder Tarifverhandlungen - bis zu gewalttätigen Auseinandersetzungen - wie bei zwischenstaatlichen Kriegen oder innerstaatlichen Bürgerkriegen. "Dazwischen" liegen die Varianten der rechtlichen bzw. gerichtlichen Klärung, die keineswegs die Form von Schlammschlachten annehmen müssen, sondern als professionelle Delegation des Problems an Rechtsanwälte gehandhabt werden können, um sich selbst von der zeit- und kräftezehrenden Klärungsprozedur zu entlasten.

Siehe auch die vier Arten der Konfliktregelung mit Hilfe Dritter: Rechtsberatung, Vermittlung (Mediation), Schlichtung, Richten

Strategien in der Konfliktlösung

Zur Lösung von Konflikten untersuchen Ruble und Thomas[3][4] in der Anpassung nach Whetten und Cameron[5] die möglichen Strategien im Konfliktfall. Die Strategien basieren auf der relativen Position zwischen zwei Konfliktparteien zueinander, sind also situations- und personenabhängig. Sie stellen den Zusammenhang in einem zweidimensionalen Modell dar:

hohes Durchsetzungs-
vermögen
Zwang Zusammenarbeit
niedriges Durchsetzungs-
vermögen
Vermeidung Nachgeben
Niedriger Wille
zur Mitarbeit
Hoher Wille
zur Mitarbeit

Zwang drückt den Wunsch aus, seine Position gegen den Widerstand anderer durchzusetzen. Es wird eine "Win-Lose" Strategie verfolgt.

Vermeiden bedeutet, dass der Konflikt nicht ausgetragen wird und die Situation unverändert erhalten bleibt. In dieser Situation ist es wahrscheinlich, dass beide Seiten verlieren ("Lose-Lose")

Nachgeben repräsentiert die Position, wo der Konflikt gelöst wird, aber die Position verloren ("Lose-Win"). Es handelt sich um eine häufige Paarung mit Zwangsstrategien.

Zusammenarbeiten ist die beste Möglichkeit für "Win-Win" Ergebnisse, weil hier beide Seiten ihre Position voll einbringen und ein Ergebnis erarbeiten können.

Im Schnittpunkt der vier Strategien findet sich der Kompromiss. Je nach Wahrnehmung werden Kompromisse daher oft unterschiedlich beurteilt oft mit dem Gefühl verbunden, nicht das bestmögliche Ergebnis erzielt zu haben.

Die Matrix kann zur Beurteilung von Konfliktsituationen verwendet werden, aber auch zur Strategieentwicklung, indem eine Position des Konflikts in der Ausprägung der Position der Gegenpartei angepasst wird. Das führt oft zu einem Stillstand (Lose-Lose), der dann durch Verhandlung in Richtung einer Zusammenarbeit verändert werden kann.

Konfliktbereiche

Bereiche in denen häufig Konflikte auftreten:

Politischer Konflikt

In der Politikwissenschaft ist Konflikt definiert als "Interessengegensatz (Positionsdifferenz) um nationale Werte von einiger Dauer und Reichweite zwischen mindestens zwei Parteien (organisierten Gruppen, Staaten, Staatengruppen, Staatenorganisationen), die entschlossen sind, diesen zu ihren Gunsten zu entscheiden." (Quelle: Konfliktbarometer 2003 des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung [1].

Siehe auch: Kategorie:Politischer Konflikt

Sozialer Konflikt

Der soziale Konflikt ist ein bedeutendes Arbeitsfeld der Soziologie, insbesondere der Konfliktsoziologie.

Institutionalisierung von Konflikten

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Unter der Institutionalisierung von Konflikten versteht man die Austragung oder Beilegung eines Konfliktes, wenn er an eine Institution weitergegeben wurde (Dahrendorf 1974).

Diese Institution oder Instanz verfährt dabei mit Regeln, die von den Konfliktparteien anerkannt sind. Die Streitparteien, bzw. Opfer und Täter werden von nicht an dem Konflikt beteiligten Personen gerichtet (Bsp.: Gericht). Dabei werden emotionale und sachliche Komponente des Konflikts voneinander getrennt.

Konflikte können stark oder schwach institutionalisiert sein. Die Fehde, ein schwach institutionalisierter Konflikt, hat einerseits viele Regeln, die von den Konfliktparteien anerkannt sind (bspw. Existenz eines legitimen Fehdegrunds, formale Ankündigung etc.), also alles Anzeichen von Institutionalisierung, andererseits wird die Konfliktaustragung von den Streitparteien selbst besorgt (keine gesellschaftliche Ausdifferenzierung); die emotionale und sachliche Komponente des Konflikts werden nicht getrennt: Freunde der jeweiligen Konfliktparteien haben nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht beizustehen, und erzeugen dadurch übrigens weitere Konflikte.

Nach Marx ist die Geschichte der Vergesellschaftung nichts anderes als eine Geschichte von Klassenkämpfen, wobei der Konflikt als treibender Motor gilt. Jedoch kann Klassenkampf nicht institutionell befriedet werden, da sein Ziel zwar nicht die physische, wohl aber die soziale Vernichtung des Gegners ist, d. h. der Untergang einer Klasse: Alle Eigentümer von Produktionsmitteln sollen enteignet werden und damit der Basis ihrer materiellen und sozialen Ausbeutungsmöglichkeiten beraubt werden. Weiter gehend bzw. anders Lenin: Der Klassenkampf kann, wenn das Proletariat noch nicht 'weit genug' ist, von einer Kaderpartei betrieben werden (diese Institutionalisierung erwies sich denn auch für Russland als erfolgreich, doch wurde nach Urteil der Kritiker dadurch die bolschewistische Partei zu der die Produktionsmittel beherrschenden Klasse).

Die Ehescheidung ist eine stark institutionalisierte Konfliktaustragung, denn beide Parteien geben hierbei ihre stark emotional beladenen Streitigkeiten einem Gericht weiter, dessen Regeln sie selbstverständlich akzeptieren.

Literatur

  • Bonacker, Thorsten: Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien: eine Einführung. Opladen 2005.
  • Buckley-Zistel, Susanne: Ethnographic Research after Violent Conflicts. Journal of Peace, Conflict and Development (10), 2007. PDF
  • Coser, Lewis A.: Theorie sozialer Konflikte. [dt.] 1965 (mehrere Auflagen)
  • Dahrendorf, Ralf: Pfade aus Utopia. München 1974.
  • Dulabaum, Nina, L.: Mediation: Das ABC - die Kunst, in Konflikten erfolgreich zu vermitteln, Beltz Weiterbildung, Weinheim und Basel 1998, ISBN 3-407-36345-1
  • Dutschmann, Andreas: Das Konfliktlösungstraining für Eltern und Pädagogen (KLT). Verlag Modernes Lernen, Dortmund 2005.
  • Flemisch, Christiane A.: Streitbeilegung im internationalen Geschäft. Einführung in die Mediation als Methode der Streitbeilegung. In: Außenwirtschaftliche Praxis ( AW-Prax ), 2006, Heft 2.
  • Flemisch, Christiane A.: Wirtschaftsmediation im Zeitalter der Globalisierung – Besonderheiten bei interkulturellen Wirtschaftsmediationen. In: IDR, 2006, Heft 1.
  • Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement. Haupt und Freies Geistesleben, Bern und Stuttgart 2004, 8., aktual. u. erg. Auflg.
  • Gordon, Thomas: Lehrer-Schüler-Konferenz - Wie man Konflikte in der Schule löst: Heyne Verlag 2004.
  • Krysmanski, Hans Jürgen: Soziologie des Konflikts. Materialien und Modelle, Reinbek 1971.
  • Kühne, Norbert; Mahlmann, Regina; Wenzel, Peter: Pädagogische Praxis - Konflikte lösen, Bildungsverlag Eins, Troisdorf 2002, ISBN 3-427-05859-X
  • Kühne, Norbert: Elternkonfliktgespräch, in: Katrin Zimmermann-Kogel, Norbert Kühne: Praxisbuch Sozialpädagogik - Arbeitsmaterialien und Methoden, Band 1, BILDUNGSVERLAG EINS, Troiedorf 2005; ISBN 3-427-75409-X
  • Mahlmann, Regina: Konflikte managen, Beltz Weiterbildung, Weinheim und Basel 2001, ISBN 3-407-36377-X
  • Lay, Rupert: Krisen und Konflikte. Ursachen, Ablauf, Überwindung. Heyne, München 1985, ISBN 3-453-53125-6.
  • Messelken, Karlheinz: Politikbegriffe der modernen Soziologie. Eine Kritik der Systemtheorie und Konflikttheorie. (Dissertation). Westdeutscher Verlag, Köln/Opladen 1968.
  • Rössel, Jörg: Die klassische Konflikttheorie im Test: Determinanten der Intensität und Gewaltsamkeit von Konflikten, in: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie 28 (2002): 47 - 68.
  • Rössel, Jörg: Conflict. In: Jens Beckert / Milan Zafirovsky (Hrsg.): International Encyclopedia of Economic Sociology. New York/ London: Routledge, 2006.
  • Winter J./ A. Scharmanski: Gesellschaftskonflikte in Lateinamerika / Andenländer. PDF

Siehe auch


Einschlägig, aber in der Soziologie (anders als in der Philosophie) nicht rezipiert ist die "Machologie" (wörtl.: "Kampfwissenschaft") des Philosophen und Schachgroßmeisters Emanuel Lasker.

Einzelnachweise und Quellen

  1. 04 Major Concepts 3 « Karen Horney & Humanistic Psychoanalysis
  2. L. Mullins, 1989: Management and Organizational Behaviour 2nd ed., Pitman zitiert in Rosemary Thomson and Eion Farmer, 1999: Managing Relationships, Open University, Milton Keynes, ISBN 0-7492-9548-1; S. 31/32
  3. T.L. Ruble and K. Thomas, 1976: Support for a two-dimensional model of conflict behaviour, Organizational Behaviour and Humand Performance, Ch. 16, p. 145 in Rosemary Thomson and Eion Farmer, 1999: Managing Relationships, Open University, Milton Keynes, ISBN 0-7492-9548-1; S. 36/37
  4. Thomas L. Ruble and Richard A. Cosier (1980) Experiential Learning Enters the Eighties, Volume 7 Online
  5. D.A. Whetten and K.S. Cameron, 1984: Contract re-design, Personnel Administrator, Octorber, 34, 10, pp.97-101

Weblinks


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