Königlich-Preußisches Oberverwaltungsgericht

Königlich-Preußisches Oberverwaltungsgericht
Gebäude des Preußischen OVG in Berlin, heute Sitz des OVG Berlin-Brandenburg
Fassadenansicht des Eingangsbereiches des Gebäudes des Preußischen OVG

Das (Königlich-) Preußische Oberverwaltungsgericht (PrOVG) war das Oberverwaltungsgericht (OVG) Preußens.

Das OVG wurde mit dem preußischen Verwaltungsgerichtsgesetz vom 3. Juli 1875 (Preuß. GS, S. 375) errichtet, nachdem bereits etwa in Baden durch Gesetz vom 5. Oktober 1863 Verwaltungsgerichte inklusive des Verwaltungsgerichtshofes geschaffen worden waren.[1] Davor gab es in den deutschen Ländern keinerlei unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsprechung

Maßstabsetzend wirkte das PrOVG vor allem durch das sog. Kreuzbergurteil vom 14. Juni 1882, das eine auf die Gefahrenabwehr zugeschnittene Generalklausel im preußischen Polizeirecht etablierte und die Gesetzesbindung der Verwaltung untermauerte. Bekannt sind darüber hinaus sein Urteil vom 14. Mai 1925 im Borkum-Lied-Fall (PrOVGE 80, 176)[2] sowie seinen Entscheidungen im Flaggenstreit zwischen dem Magistrat der Stadt Potsdam und dem preußischen Staatsministerium (PrOVGE 82, 82), der schließlich auch vom Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich zu entscheiden war (RGZ 121, Anh. S. 13).

Während der Weimarer Republik festigte das PrOVG insbesondere unter seinem langjährigen Präsidenten Bill Drews seinen Ruf als effektive Kontrollinstanz gegenüber der Verwaltung und Schrittmacher eines modernen Polizeirechts. Wesentliche, durch seine Rechtsprechung ausgeprägte Handlungsgrundsätze flossen in das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz (PVG) vom 1. Juni 1931 ein. Gleichzeitig stärkte dieses Gesetz die Rechtsschutz wahrende Position des OVG.[3]

Während der nationalsozialistischen Diktatur war das PrOVG einerseits um den Erhalt des Gesetzmäßigkeitsprinzips bemüht und leistete auch Widerstand gegen polizeiliche Willkürakte. Andererseits lässt sich in seiner Rechtsprechung eine Ideologisierung der polizeilichen Generalklausel (§ 14 PVG) beobachten, die den Sicherheitsbehörden den Zugriff auf immer mehr gesellschaftliche Lebensbereiche eröffnete.[4] Im Bereich des Staatsschutzes wurde die Kontrollkompetenz des Gerichts durch das Gesetz über die Geheime Staatspolizei vom 10. Februar 1936 (Preuß. GS, S. 21) zielgerichtet ausgeschaltet. Maßnahmen der Gestapo wie die Verhängung der Schutzhaft galten als „justizfreie Hoheitsakte“; gegen sie war kein gerichtlicher Rechtsschutz möglich. Mit der Bildung eines zentralisierten, aber weitgehend einflusslosen Reichsverwaltungsgerichts (RVG) beseitigte das Regime im Jahr 1941 die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern endgültig. Das PrOVG wurde aufgelöst und in das neue RVG überführt.[5]

Gerichtsgebäude

Das Gebäude des OVG wurde 1905 bis 1907 als Königlich-Preußisches Oberverwaltungsgericht nach der Planung von Paul Kieschke erbaut. Vorher war der Gerichtshof in verschiedenen privaten Gebäuden untergebracht.[6] Am 8. Juni 1953 wurde es Sitz des Bundesverwaltungsgerichts, nach dessen Umzug im August 2002 nach Leipzig übertrug es der Bund im Jahr 2003 dem Land Berlin. Dieses richtete dort ab 1. Oktober 2004 das OVG Berlin ein. Heute ist es Sitz des am 1. Juli 2005 fusionierten OVG Berlin-Brandenburg. Es befindet sich in der Hardenbergstraße 31 in Berlin-Charlottenburg und ist als Baudenkmal ausgewiesen.

Quellen

  1. Werner Frotscher, Bodo Pieroth: Verfassungsgeschichte, 5. Aufl., München 2005, Rn 422.
  2. Werner Frotscher, Bodo Pieroth: Verfassungsgeschichte, 5. Aufl., München 2005, Rn 546 ff.
  3. Volkmar Götz: § 3 Polizei und Polizeirecht, in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 4, Stuttgart 1985, S. 416-420
  4. Andreas Schwegel, 70 Jahre Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz, in: Archiv für Polizeigeschichte 2001, S.79-89
  5. Wolfgang Kohl: Das Reichsverwaltungsgericht, Tübingen 1991
  6. Stefan Felix Pauly: Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des (Königlich) Preußischen Oberverwaltungsgerichtes 1875-1933, S. 65 FN 2 mit Hinweis auf die „humorvolle Schilderung dieser Odyssee“ bei Jebens: Erinnerungen und Anderes ... aus 21 Jahren oberverwaltungsrichterlichen Dienstes, PrVerwBl. Jg. 22 (1900), S. 78, (80)

Literatur

  • Stefan Felix Pauly, Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des (Königlich) Preußischen Oberverwaltungsgerichtes 1875-1933 (Rechtshistorische Reihe Bd. 54, Verlag Peter Lang), Frankfurt/M. 1987
  • Werner Petermann, Die Mitglieder des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1942, in: Neue Forschungen zur Brandenburg-Preußischen Geschichte, Bd. 1 (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Bd. 14) Köln-Wien 1979, S. 173-229
  • Gerold Schmidt, Immanuel Hoffmann (1850-1924), Mitglied des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und Reformherausgeber des "Preußischen/Deutschen Verwaltungsblatts", in: Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1987, S. 1058-1062
  • Gunnar Stehr, Die Bibliothek des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1945 (Sonderheft des Bundesanzeigers. Hrsg. v. Bundesminister der Justiz. Jg. 39 H. 103a), Bonn 1987, 128 S. m. Abb. (Rez. u.a.v. Gerold Schmidt, DVBl. 101.Jg./1986, S. 1230-1231

Weblinks

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