Lee Miller

Lee Miller

Elizabeth „Lee“ Miller (* 23. April 1907 in Poughkeepsie, New York, USA; † 21. Juli 1977 in Chiddingly, East Sussex, England) war eine US-amerikanische Fotografin und Fotojournalistin. Als Kriegsfotografin lieferte Miller einmalige Bilddokumente von der Invasion der Alliierten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Ihre Fotografien werden zu den eindrucksvollsten Fotoarbeiten des 20. Jahrhunderts gezählt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Elizabeth Miller wurde als Tochter von Theodore und Florence Miller 1907 in Poughkeepsie geboren. Ihr Vater machte sie schon sehr früh mit den künstlerischen und technischen Aspekten der Fotografie vertraut, indem er sie portraitierte. Sie erlitt ein traumatisches Kindheitserlebnis (sie wurde als 7-jährige mißbraucht und dabei mit Gonorrhoe infiziert).

Modell

Ab 1927 arbeitete Lee Miller in den USA zunächst als Fotomodell für Vogue mit renommierten Fotografen wie Edward Steichen und George Hoyningen-Huene zusammen. 1929 reiste sie[1] nach Paris, um sich der progressiven Kunstszene - insbesondere den Surrealisten - anzuschließen. In einem der Pariser Cafés traf sie auf den Maler, Filmemacher und Fotografen Man Ray, mit dem sie einige Zeit zusammenarbeitete und auch kurz liiert war.

Lee Miller fotografiert von Man Ray
Auswahl externer Weblinks
[2]

Mit Man Ray entstand eine Vielzahl von gemeinsamen Fotoprojekten: so experimentierten beide mit den Möglichkeiten der Solarisation. Gemeinsam produzierten sie das Portfolio electricité (1931), mit Miller als Modell, für die Pariser Elektrizitätswerke CPDE. Nach der Trennung von Man Ray entschied sich Miller, selbstständig als Fotografin mit eigenem Studio in Frankreich zu arbeiten. Anfangs arbeitete sie als Portrait- und Modefotografin; ihre Leidenschaft für metaphysisch-surreale Sujets und Stilelemente blieb indes ungebrochen. Enttäuscht von Liebesbeziehungen wie von der auseinanderdriftenden Kunstszene in Paris kehrte Lee 1932 zurück nach New York, um bald erneut ein eigenes Fotostudio zu eröffnen. Zwei Jahre arbeitete sie sehr erfolgreich als Fotografin in der Metropole, bis sie den vermögenden ägyptischen Geschäftsmann Aziz Eloui Bey kennen und lieben lernte. Um 1935 zog sie mit ihm zusammen nach Kairo. Hier sollten bald einige der eindrucksvollsten Arbeiten von Lee Miller entstehen. Beeindruckt von der kargen Wüstenlandschaft und den verlassenen Pharaonenstädten fotografierte sie die Ruinen und Tempel; die energische Frau kletterte mit ihrer kompletten Kamera-Ausrüstung auf die Cheops-Pyramide in Gizeh um in schwindelnder Höhe und in glutheißer Mittagssonne von der Spitze aus den Schatten der Pyramide im Bild festzuhalten.

Doch auch die Ehe mit Aziz Eloui Bey sollte nicht lange halten. 1937 begegnete Miller bei einer Reise nach Paris dem surrealistischen Künstler Roland Penrose und war von ihm fasziniert. Der Brite Penrose sollte später ihr zweiter Ehemann werden. Die beiden durchquerten gemeinsam halb Europa und erneut entstanden beeindruckende Fotoarbeiten. 1939 verließ Miller Ägypten endgültig, um mit Penrose kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges nach London zu ziehen. Penrose wurde einberufen und Miller kehrte kurzzeitig als Fotografin für die amerikanische Ausgabe des Vogue-Magazins nach New York zurück.

2. Weltkrieg

1944 wurde Lee von der US-Army als Militärkorrespondentin akkreditiert und arbeitete eng mit dem Time-Life Fotografen David E. Scherman zusammen, der für kurze Zeit auch ihr Lebensgefährte wurde. Somit ist Lee Miller eine der wenigen Frauen, die als Kriegsberichterstatterin eingesetzt wurden. Mit Scherman fotografierte sie die Kriegsaktivitäten in Europa; so dokumentierte sie die Befreiung von Paris im Bild (die Filme entwickelte sie in einer improvisierten Dunkelkammer in ihrem Hotelzimmer) oder das Zusammentreffen der US-Armee mit den sowjetischen Truppen in Torgau sowie Adolf Hitlers Berghof auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden.

Eine sehr bekannte Aufnahme zeigt Lee Miller in einem gestellten Foto in der Badewanne des „Führers” Adolf Hitler in dessen eingenommener Münchener Residenz (fotografiert von Scherman). Weniger humorvoll waren dann die darauffolgenden Berichterstattungen - sie war mittlerweile Verfasserin eigener Reportagen - Lee Millers über die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau, die das Grauen und Elend der Inhaftierten dokumentierten. Diese traumatischen Erlebnisse sollten bleibende Spuren in der Psyche der Fotografin hinterlassen.

Bildjournalismus

Nach Kriegsende zog sie sich vom aktiven Bildjournalismus zurück und heiratete 1947 den surrealistischen Künstler Roland Penrose. Das Paar bezog ein Cottage in der ländlichen Gegend Britanniens. Noch in den 1950ern arbeitete Miller gelegentlich freiberuflich für verschiedene Magazine wie Vogue oder Life, vernachlässigte aber nach der Geburt ihres Sohnes Antony ihre Arbeit und litt mutmaßlich infolge der nicht verarbeiteten Erlebnisse zunehmend an einer Kriegsneurose.

Lee Miller verstarb am 21. Juli 1977 auf ihrem Anwesen, dem Farley Farm House in East Sussex, an einer Krebserkrankung.[3]

Werk

Dass Lee Millers Arbeiten heute noch bekannt sind und in Bildbänden veröffentlicht werden, verdankt sie ihrem Sohn Antony Penrose, der seit den frühen 80ern ihren Nachlass verwaltet. Antony sagte einmal über seine Mutter, „sie habe viele verschiedene Leben gelebt, vieles sei ihm selbst geheimnisvoll geblieben, weil sie es geschickt verstand sich - selbst von der eigenen Familie - zu ihrem Selbstschutz abzuschotten.“[4] Millers bewegtes Leben wurde selbst dem eigenen Sohn erst nach dem Tod der Mutter bewusst. Aus den zahlreichen gefundenen Briefen, Dokumenten und Fotografien ihrer Hinterlassenschaft versuchte Antony Penrose zusammen mit Zeitzeugen eine schlüssige Biografie zu skizzieren; indes bleibt vieles über Lee Millers Person durch in Kriegszeiten verlorengegangenes Material unbekannt.

„Lee Miller’s War“

Zu Lee Millers Hauptwerk zählt die fotojournalistische Berichterstattung vom Ende des Zweiten Weltkriegs für die Magazine Life und Vogue, die größtenteils postum unter den Titel Lee Miller's War 1991 von Anthony Penrose, mit einem Vorwort von David Edward Scherman, veröffentlicht worden ist. Die überaus eindringliche, an manchen Passagen aber seltsam unbefangene Fotoreportage beginnt mit den Vorbereitungen zur Invasion der Alliierten in der Normandie, berichtet 1944 über die Befreiung von Saint-Malo und Paris, und zeigt mit einem Besuch Pablo Picassos in dessen Pariser Atelier sowie den Porträts von Paul und Nusch Éluard, Cocteau oder Colette die verbliebenen Künstler aus Millers Bekanntenkreis. Behelfsmäßige Modefotografien im winterlichen Paris 1944/45 und Features von Schauspielern wie Maurice Chevalier oder Marlene Dietrich sowie Fred Astaire bei der Truppenbetreuung, vermitteln das Wiedererwachen der Kunst- und Kulturszene und implizieren gleichzeitig den „American Way of Life“ eines „normalen“ Nachkriegs-Alltags. Die Bildreportage führt im Januar 1945 weiter durch die Ardennen, zeigt den zerstörten Elsass, die Überquerung des Rheins, Bilder der von Bomben zerstörten Städte Köln, Ludwigshafen und Frankfurt, das Zusammentreffen der 69. Division des 273. US-Infanterieregiments mit den Sowjet-Truppen am 26. April 1945 in Torgau. Lee Millers Kriegsbericht schließt mit der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau. Die erschütternden Bilddokumente spiegeln das Leid der ausgemergelten, zerlumpten Gefangenen wider und zeigen die offensichtliche Fassungslosigkeit der überwältigten, tumb wirkenden Lageraufseher, die mit blutverschmierten Gesichtern in die Kamera starren. Einige Fotos zeigen tote SS-Offiziere, die sich durch Suizid der Verantwortung entzogen hatten. Millers und Schermans Fotografien lassen das gesamte Ausmaß des Holocausts anhand der gezeigten Leichenberge und der menschlichen Gebeine in den geöffneten Krematoriumsöfen nur erahnen. Die Reportage endet mit einer Aufnahme des brennenden Berghofs auf dem Obersalzberg – von Lee Miller als „Adlernest in Flammen: der brennende Scheiterhaufen des Dritten Reichs“ betitelt.[4]

Literatur

  • Katharina Menzel- Ahr: Lee Miller - Kriegskorrespondentin für Vogue - Fotografien aus Deutschland 1945, Jonas Verlag, ISBN 3-89445-352-4
  • Antony Penrose: The Lives of Lee Miller, Thames and Hudson Ltd, 1999, ISBN 0-500-27509-2 (englisch)
  • Antony Penrose, David Edward Scherman (Vorwort): Lee Miller's War. 1999, Thames and Hudson Ltd, ISBN 0-500-28558-6 (englisch)
  • Lee Miller: Der Krieg ist aus. Espresso Verlag, 2001, ISBN 3-88520-546-7

Weblinks

Einzelnachweise und Quellen

  1. Anderen Quellen zufolge war sie bereits 1925 nach Paris gereist. (Jane Livingstone: Lee Miller. Photographer. Thames and Hudson Inc., New York, 1989, ISBN 0-917571-07-X, S. 28)
  2. Extern verlinkte Abbildungen sind durch ein Copyright geschützt und unterliegen nicht der GNU-Lizenz für freie Dokumentation
  3. Einige Biografen nennen den 27. Juli 1977 als Sterbedatum, vgl. Jane Livingston: Lee Miller Photographer. Thames and Hudson, ISBN 0-917571-07-X, S. 168
  4. a b Anthony Penrose, David E. Scherman: Lee Miller’s War: Photographer and Correspondent With the Allies in Europe 1944-45. Bufinch Press, 1992, ISBN 0-8212-1870-0

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