Leila Negra

Leila Negra

Leila Negra (* 20. März 1930 in Mülheim an der Ruhr; bürgerlich Marie Nejar) ist eine ehemalige deutsche Schlagersängerin und Schauspielerin, die während der NS-Zeit als dunkelhäutige Statistin in Durchhaltefilmen der UFA spielte und mit dem Beginn der 1950er Jahre, ungeachtet ihres wahren Alters, zu einem Kinderstar avancierte. Ihre kurze mehrjährige Laufbahn im Rampenlicht beendete sie Ende 1957 und begann eine Ausbildung zur Krankenschwester.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Familie

Marie Nejar ist die Enkelin einer Dame aus einer großbürgerlichen Hamburger Familie, die - als sie sich mit einem Kreolen aus Martinique verheiratete - von ihrer Familie verstoßen wurde. Das Paar bekam keine sonderliche Unterstützung und zog von Zeit zu Zeit von einem Ort zum anderen, auf der Suche nach einer Anstellung. Die gemeinsame Tochter Cécilie wurde geboren, als sich die Kleinfamilie in Riga niederließ, wo der Großvater Marie Nejars in einer Kneipe erschossen wurde.

Die verwitwete Großmutter zog daraufhin nach Hamburg zurück, wo sie sich niederließ. Ihre erwachsene Tochter Cécilie - Maries Mutter - arbeitete seinerzeit als Musikerin und zog singend von Bar zu Bar. Maries Vater war Kapitänssteward auf einem Schiff aus Liverpool und stammte aus Ghana. Er kehrte sehr bald nach England zurück und sah seine Tochter später nur wenige Male. Ihre Mutter versuchte die Schwangerschaft geheim zu halten und gebar das Baby in einem Waisenhaus in Mülheim an der Ruhr. Marie Nejar ist - entgegen landläufiger Meinung - somit kein so genanntes „Besatzungskind“ zumal sie 1930 geboren wurde.[1] Drei Jahre später wurde sie auf Drängen der Großmutter, die zwischenzeitlich von der unehelichen Tochter Cécilies erfahren hatte, nach Hamburg geholt.

Frühe Jahre

Marie Nejar wuchs im Stadtteil St. Pauli auf, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe war sie einer Verfolgung sowie Anfeindung offen ausgesetzt, dennoch lag das Augenmerk der Nazis bei den Juden und Regimekritikern, so dass sie vorerst verschont blieb. Aufgrund der Nürnberger Rassengesetze von 1935 konnte sie jedoch ihre Schulausbildung nicht beenden und wurde zur Zwangsarbeit in einer Fabrik verpflichtet. Mit Hilfe einer liberalen Klassenlehrerin, eines jüdischen Arztes und der Menschlichkeit von Polizisten der Davidswache konnte sie die ersten Jahre überleben.

Der damalige Propagandaminister Joseph Goebbels suchte schwarze Kinder, die in diversen UFA-Filmen sogenanntes „Buschvolk“ spielen sollten. So wurde Marie Nejar ebenfalls angeschrieben und bald nach Potsdam-Babelsberg eingeladen, wo sie schließlich 1942 in einer Szene im aufwändig produzierten Münchhausen-Film an der Seite von Hans Albers eine schwarze Dienerin mit einem Palmenwedel spielte. "Entschuldigen Sie. Damals war ich ein Kind. Ich fand das toll, und außerdem hatte ich zwei Wochen schulfrei. Mit Unterschrift und auf Anweisung von Herrn Goebbels."[2]

Ein paar Monate später verkörperte sie neben Heinz Rühmann eine weitere kleine Rolle als Tochter eines Stammeshäuptlings in dem Streifen Quax in Afrika.

Karrierebeginn

Nach Kriegsende 1945 arbeitete sie zunächst in Hamburg in der Er & Sie-Bar. Nach dem Tod ihrer Großmutter (1949) war sie Zigarettenverkäuferin am Timmendorfer Strand, als sie zufällig aufgefordert wurde, ein Mikrofon zu testen, das zur Unterhaltung der Abendgäste diente. Bei dieser „Probe“ sang sie ein damals populäres Lied von Horst Winter, das die Musiker vom Talent der inzwischen erwachsenen Frau überzeugte. Marie Nejar wurde dennoch als 15-Jährige ausgegeben und startete zu Beginn der 1950er Jahre eine Karriere als singender Kinderstar, der zahlreiche deutsche Schlager veröffentlichte. Aufgrund ihrer Hautfarbe war das Interesse an ihr als Nachkriegskuriosität groß, genau wie bei Josephine Baker vor dem Krieg und dem in Tunis geborenen Afro-Kubaner Roberto Zerquera (Roberto Blanco) sowie dem Trinidad-Deutschen Peter Mico Joachim (Billy Mo) nach dem Krieg.

Marie Nejar hatte ihren größten Schlager-Erfolg unter dem Künstlernamen Leila Negra 1952 zusammen mit Peter Alexander unter dem Titel Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere, produziert von ihrem - und Alexanders - Entdecker Gerhard Mendelson. Doch auch andere Lieder wie Mach nicht so traurige Augen oder das Toxi-Lied aus dem gleichnamigen Film errangen die Gunst des Publikums und landeten auf guten Mittelplätzen bei der Hitparade. Gemeinsam mit Peter Alexander und anderen Musikern tourte sie in den 1950er Jahren durch Deutschland mit einem großen Teddybären im Arm, was so etwas wie ihr Markenzeichen werden sollte.

Nach Mitwirkung in fünf Filmen und den Aufnahmen von etwa 30 Schlagern endete Leila Negras aktive Karriere Ende der 1950er Jahre. Sie begann 1957 eine Ausbildung zur Krankenschwester und war dann später in diesem Beruf in Hamburg tätig.[3]. Marie Nejar lebt heute als Rentnerin in Hamburg (Stand 2007).

Filme, in denen Leila Negra mitwirkte

  • 1943: Münchhausen (als Statistin)
  • 1944: Quax in Afrika
  • 1952: Tanzende Sterne
  • 1952: Heimweh nach Dir
  • 1952: Toxi
  • 1953: Salto Mortale
  • 1953: Die süßesten Früchte
  • 1954: Der schweigende Engel

Schlager von Leila Negra

  • Mütterlein (Originalversion 1953) - Cover von Wolfgang Sauer (1954) "Glaube mir"
  • Mein Teddybär
  • Ein Strauß Vergissmeinnicht
  • Mach nicht so traurige Augen
  • Mamatschi
  • Toxi-Lied
  • Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere (1952) mit Peter Alexander
  • Pony Serenade mit Peter Alexander
  • Spatz und Spätzchen
  • Zwölf kleine Negerlein
  • Wenn ich zwei Flügel hätt'
  • Ein kleines Negerlein im Schnee
  • Wenn der Sandmann leise
  • Virginia Blues mit Kenneth Spencer

Siehe auch

Literatur

  • Marie Nejar: Mach nicht so traurige Augen, weil du ein Negerlein bist: meine Jugend im Dritten Reich. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2007, ISBN 9783499622403.
  • Adam Soboczynski in Die Zeit - Nr. 21 vom 16. Mai 2007, Seite 84

Weblinks

Quellen

  1. aus Zuendfunk (BR) mit Bild
  2. Wilde Marie. Reportage von Frank Sandmann, TAZ v. 30. Juni 2007
  3. vgl. Adam Soboczynski in Die Zeit - Nr. 21 vom 16. Mai 2007, Seite 84

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