- Levi-Civita-Zusammenhang
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In der Mathematik, insbesondere in der riemannschen Geometrie, einem Teilgebiet der Differentialgeometrie, versteht man unter einem Levi-Civita-Zusammenhang einen Zusammenhang auf dem Tangentialbündel einer riemannschen oder semi-riemannschen Mannigfaltigkeit, der in gewisser Weise mit der Metrik der Mannigfaltigkeit verträglich ist. Der Levi-Civita-Zusammenhang spielt beim modernen Aufbau der riemannschen Geometrie eine zentrale Rolle. Er stellt dort eine Verallgemeinerung der klassischen Richtungsableitung aus der mehrdimensionalen Differentialrechnung in euklidischen Räumen dar und ist geeignet, die Richtungsänderung eines Vektorfeldes in Richtung eines weiteren Vektorfeldes zu quantifizieren. Der Begriff des Levi-Civita-Zusammenhangs ist äquivalent zum Paralleltransport im Sinne von Levi-Civita und daher ein Mittel, um Tangentialräume in verschiedenen Punkten miteinander in Beziehung zu setzen, woher auch die Bezeichnung Zusammenhang rührt. Da die (semi-)riemannsche Geometrie ein wesentliches Werkzeug zur Formulierung der allgemeinen Relativitätstheorie ist, wird der Levi-Civita-Zusammenhang auch hier benutzt. Eine weitere Anwendung findet der Levi-Civita-Zusammenhang bei der Konstruktion des Dirac-Operators einer Spin-Mannigfaltigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Definition des Levi-Civita-Zusammenhangs
Es sei (M,g) eine (semi-) riemannsche Mannigfaltigkeit. Dann existiert genau ein Zusammenhang auf dem Tangentialbündel TM von M mit den folgenden Eigenschaften:
- ist torsionsfrei, d.h. es gilt
für alle Vektorfelder X, Y. Dabei bezeichnet [X,Y] die Lie-Klammer der Vektorfelder X und Y. - ist ein metrischer Zusammenhang, d.h. es gilt
für alle Vektorfelder X, Y und Z.
Dieser Zusammenhang heißt Levi-Civita-Zusammenhang oder auch der riemannsche Zusammenhang von (M,g). Es ist benannt nach Tullio Levi-Civita.
Eigenschaften
Hauptsatz der riemannschen Geometrie
Aus obiger Definition wird nicht klar, ob ein solcher Levi-Civita-Zusammenhang überhaupt existiert. Dies muss also erst bewiesen werden. Die Aussage, dass ein solcher Zusammenhang existiert und auch eindeutig ist, wird in der Literatur häufig Hauptsatz der riemannschen Geometrie genannt. Der Levi-Civita-Zusammenhang ist nämlich ein wesentliches Hilfsmittel zum Aufbau der riemannschen Krümmungstheorie. Denn der Krümmungstensor wird mit Hilfe eines Zusammenhangs definiert, daher bietet es sich an in der riemannschen Geometrie den eindeutig ausgezeichneten Levi-Civita-Zusammenhang für die Definition des riemannschen Krümmungstensors zu verwenden.
Koszul-Formel
Der Levi-Civita-Zusammenhang ist eindeutig beschrieben durch die Koszul-Formel (benannt nach Jean-Louis Koszul)
Diese gibt eine implizite, globale Beschreibung von , die sich vor allem für einen abstrakten Existenzbeweis von eignet. Man kann zur Konstruktion von aber auch von einer lokalen Beschreibung ausgehen.
Christoffelsymbole
Eine lokale Beschreibung von erhält man wie folgt. Allgemein wird ein Zusammenhang auf einem Vektorbündel lokal durch seine Zusammenhangskoeffizienten beschrieben. Die Zusammenhangskoeffizienten des Levi-Civita-Zusammenhangs sind die klassischen Christoffelsymbole zweiter Art . Dies bedeutet im Einzelnen, dass bezüglich einer Karte (U,h) von M
mit
gilt. Hierbei ist (gkl) die inverse Matrix des riemannschen Fundamentaltensors (gkl) und die Koordinatenbasis der Karte (U,h).
Man nennt die kovariante Ableitung von Y entlang X, da die klassische kovariante Ableitung aus dem Tensorkalkül von Gregorio Ricci-Curbastro und Tullio Levi-Civita verallgemeinert.
Beziehungen zur Richtungsableitung
Es seien (M,g) eine (semi-)riemannsche Mannigfaltigkeit und der Levi-Civita-Zusammenhang von (M,g). Außerdem seien X, Y Vektorfelder auf M. Dann lässt sich wie folgt als Verallgemeinerung des Begriffs der Richtungsableitung für Vektorfelder des auffassen.
- Es sei ein Punkt. Dann hängt nur vom Tangentialvektor X(p) und dem Vektorfeld Y ab. Wählt man eine glatte Kurve mit α(0) = 0 und α'(0) = X(p) und bezeichnet mit Pα den Paralleltransport entlang α im Sinne von Levi-Civita, so gilt
- Das heißt, ergibt sich wie die klassische Richtungsableitung als Grenzwert eines Differenzenquotienten, wobei das „Verpflanzungsgesetz“ (Hermann Weyl) von Tα(0)M nach Tα(t)M durch die Parallelverschiebung im Sinne Levi-Civitas gegeben ist. Im Spezialfall, in dem (M,g) der mit der Standardmetrik ist, stimmt dieser Begriff einer Parallelitätsverschiebung mit der herkömmlichen Parallelverschiebung im überein, sodass in diesem Fall die gewöhnliche Richtungsableitung eines Vektorfeldes entlang eines Vektorfeldes mit der neu definierten kovarianten Ableitung übereinstimmt.
- Es sei ein Punkt. Dann existiert eine Karte (U,h) um p, sodass der metrische Fundamentaltensor (gij) im Punkt p bzgl. (U,h) durch (gij(p)) = (δij) gegeben ist (Normalkoordinaten). Bezüglich einer solchen Karte gilt im Punkt p
- wenn Xi und Yj die lokalen Koordinaten von X und Y bezüglich (U,h) sind. D.h. bezüglich normaler Koordinaten lautet die lokale Definition von genau so wie im „flachen Fall“ des mit der Standardmetrik.
Der Levi-Civita-Zusammenhang besitzt eine besonders einfache Beschreibung in dem Fall, in dem (M,g) eine riemannsche Mannigfaltigkeit ist, die dadurch entsteht, dass man die Standardmetrik des auf eine Untermannigfaltigkeit M des einschränkt. In diesem Fall ist der Levi-Civita-Zusammenhang von (M,g) wie folgt gegeben. Es gilt
Dabei sind X, Y Vektorfelder auf M, , Fortsetzungen dieser Vektorfelder zu Vektorfelder auf ganz , die Richtungsableitung von entlang des Vektorfeldes und die orthogonale Projektion von auf den Tangentialraum TpM mit Fußpunkt p.
Richtungsableitung entlang Kurven
Der Levi-Civita-Zusammenhang erlaubt es den Begriff der Beschleunigung einer glatten Kurve, die in einer riemannschen Mannigfaltigkeit verläuft zu definieren. Dies führt zu einer Beschreibung der Geodäten der zugrundeliegenden riemannschen Mannigfaltigkeit als den beschleunigungsfreien Kurven. Zunächst definiert der Levi-Civita-Zusammenhang (so wie jeder Zusammenhang auf einem Vektorbündel) eine Richtungsableitung für Vektorfelder die entlang einer Kurve erklärt sind. Diese Richtungsableitung misst die Änderungsrate des Vektorfeldes in Richtung der Kurve. Es sind unterschiedliche Bezeichnungen für diese Ableitung in Gebrauch. Wir nennen die gebräuchlichsten im Anschluss zur Definition.
Es sei eine glatte Kurve in der riemannschen Mannigfaltigkeit (M,g) und X ein Vektorfeld entlang α. Die Richtungsableitung von X entlang α im Punkt ist
Weitere gängige Bezeichnungen für diese Größe sind
Insbesondere ist α', das Geschwindigkeitsfeld von α, selbst ein Vektorfeld entlang der Kurve α. Die Beschleunigung von α ist das Vektorfeld entlang α. Die Kurve α ist genau dann eine Geodäte der riemannschen Mannigfaltigkeit (M,g), wenn ihre Beschleunigung verschwindet. Von einem physikalischen Standpunkt aus lassen sich also Geodäten kinematisch als die Kurven deuten, denen ein Partikel in der riemannschen Mannigfaltigkeit folgen würde, wenn er keiner Krafteinwirkung ausgesetzt ist.
Paralleltransport
Im Allgemeinen definiert ein Paralleltransport entlang einer Kurve bezüglich eines Zusammenhangs auf einem Vektorbündel einen Isomorphismus zwischen den Tangentialräumen, deren Fußpunkte auf der Kurve liegen. Ist der Zusammenhang der Levi-Civita-Zusammenhang einer riemannschen Mannigfaltigkeit, so sind die Isomorphismen orthogonal, also längen- und winkeltreu. Der vom Levi-Civita-Zusammenhang einer riemannschen Mannigfaltigkeit induzierte Paralleltransport stimmt mit dem von Levi-Civita 1918 erstmals definierten Paralleltransport überein (vgl. Paralleltransport im Sinne von Levi-Civita). Dieser wurde in einem Spezialfall von Ferdinand Minding antizipiert.
Literatur
- Isaac Chavel: Riemannian Geometry. A Modern Introduction. 2. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2006, ISBN 0521619548.
- John M. Lee: Riemannian Manifolds. An Introduction to Curvature. Springer, New York 1997, ISBN 0387983228.
- Barrett O'Neill: Semi-Riemannian Geometry. With Applications to Relativity. Academic Press, New York 1983, ISBN 0125267401.
- Michael Spivak: A Comprehensive Introduction to Differential Geometry (Band 2). Publish or Perish Press, Berkeley 1999, ISBN 0-914098-71-3.
- Rainer Oloff: Geometrie der Raumzeit. Eine mathematische Einführung in die Relativitätstheorie. 3. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2004, ISBN 3528269170.
- Hermann Weyl: Raum, Zeit, Materie. Springer, 1923.
Weblinks
- ist torsionsfrei, d.h. es gilt
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