Riemannscher Krümmungstensor

Riemannscher Krümmungstensor

Der riemannsche Krümmungstensor (kürzer auch Riemanntensor, riemannsche Krümmung oder Krümmungstensor) beschreibt die Krümmung von Räumen beliebiger Dimension, genauer gesagt riemannscher oder pseudo-riemannscher Mannigfaltigkeiten. Er wurde nach dem Mathematiker Bernhard Riemann benannt und ist eines der wichtigsten Hilfsmittel der riemannschen Geometrie. Eine andere wichtige Anwendung findet er im Zusammenhang mit der Krümmung der Raumzeit in der allgemeinen Relativitätstheorie.

Der riemannsche Krümmungstensor ist eine vierfach indizierte Größe. Man kann seine Koeffizienten z. B. in der Form R^m_{ikp} angeben. In diesem Artikel wird die einsteinsche Summenkonvention verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Motivation

Diffeomorphismen sind die strukturerhaltenden Abbildungen zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten und entsprechend sind (glatte) Isometrien die strukturerhaltenden Abbildungen zwischen riemannschen Mannigfaltigkeiten. Da differenzierbare Mannigfaltigkeiten per Definition lokal diffeomorph zum euklidischen Raum sind, kam die Frage auf, ob riemannsche Mannigfaltigkeiten auch lokal isometrisch zum \R^n sind. Dies ist nicht der Fall. Daher wurde der riemannsche Krümmungstensor eingeführt, welcher, einfach ausgedrückt, angibt, wie lokal ähnlich eine riemannsche Mannigfaltigkeit dem \R^n ist. Um die Definition des riemannschen Krümmungstensor besser zu verstehen, wird folgende Überlegung im \R^2 vorangestellt.

Sei Z \in \Gamma(T\R^2) ein Vektorfeld. Im euklidischen \R^2 gilt für die Einheitsvektorfelder \partial_1,\, \partial_2 entlang der Koordinatenachsen die Gleichheit

\nabla_{\partial_1} \nabla_{\partial_2} Z =  \nabla_{\partial_2} \nabla_{\partial_1} Z,

welche der Satz von Schwarz sichert. Für allgemeine Vektorfelder X,\ Y gilt dies auch im \R^2 schon nicht mehr. Habe Z in Koordinaten die Darstellung \textstyle Z = Z^i \partial_i, so gilt

\nabla_X \nabla_Y Z = \nabla_X Y Z^i \partial _i = X Y Z^i \partial _i.

Der Ausdruck YZi bezeichnet die Richtungsableitung von Zi in Richtung Y. Untersucht man nun weiter die Nichtkommutativität von \nabla_X \nabla_Y so erhält man im euklidischen Raum

\nabla_X \nabla_Y Z - \nabla_Y \nabla_X Z = (X Y Z^i - Y X Z^i)\partial_i = \nabla_{[X,Y]} Z.

Auf allgemeinen Mannigfaltigkeiten ist dies falsch. Aus diesem Grund wird die folgende Definition gemacht.

Definition

Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit mit dem Zusammenhang \nabla. Dann ist der riemannsche Krümmungstensor eine Abbildung

\Gamma^\infty(M,TM) \times \Gamma^\infty(M,TM) \times \Gamma^\infty(M,TM) \to \Gamma^\infty(M,TM),

welche durch

R(X,Y) Z = \nabla_X \nabla_Y Z - \nabla_Y \nabla_X Z - \nabla_{[X,Y]} Z

definiert ist. Mit \Gamma^\infty(M) ist der Raum der glatten Vektorfelder und mit [.,.] die Lie-Klammer gemeint.

In lokalen Koordinaten kann man den Krümmungstensor mit Hilfe der Christoffelsymbole darstellen:

 R^m_{ikp} = \partial_k \Gamma^m_{ip} - \partial_p \Gamma^m_{ki} + \Gamma^a_{ip} \Gamma^m_{ak} - \Gamma^a_{ik} \Gamma^m_{ap}

Anmerkung

Manche Autoren, wie zum Beispiel do Carmo[1] oder Gallot, Hulin, Lafontaine[2], definieren den Riemannschen Krümmungstensor mit umgekehrtem Vorzeichen. In diesem Fall dreht sich auch das Vorzeichen bei der Definition der Schnittkrümmung und der Ricci-Krümmung, so dass bei allen Autoren die Vorzeichen von Schnittkrümmung, Ricci-Krümmung und Skalarkrümmung übereinstimmen.

Eigenschaften

Tensorfeld

Der Krümmungstensor ist ein (1,3)-Tensorfeld.

  • Er ist also insbesondere in jeder Variablen linear.
  • Der Wert von R(X,Y)Z am Punkt p der Mannigfaltigkeit hängt nur von den Werten der Vektorfelder X, Y und Z am Punkt p ab (und nicht etwa von den Werten in einer Umgebung von p.)

Symmetrien des Krümmungstensors

Auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M mit beliebigem Zusammenhang ist der Kümmungstensor schiefsymmetrisch in den ersten zwei Einträgen, das heißt, es gilt

  • R(X,Y)Z = − R(Y,X)Z.

Für riemannsche Mannigfaltigkeiten (M,g) mit dem Levi-Civita-Zusammenhang gilt außerdem

  • g(R(X,Y)Z,T) = − g(R(X,Y)T,Z) und
  • g(R(X,Y)Z,T) = g(R(Z,T)X,Y) („Blockvertauschung“).

Bianchi-Identitäten

Ist (M,g) eine riemannsche Mannigfaltigkeit mit dem Levi-Civita-Zusammenhang \nabla, dann gelten die erste Bianchi-Identität

  • R(X,Y)Z + R(Y,Z)X + R(Z,X)Y = 0

und die zweite Bianchi-Identität

  • \nabla_W g(R(X,Y)Z,V) + \nabla_Z g(R(X,Y)V,W) + \nabla_V g(R(X,Y)W,Z) = 0.

Die erste Bianchi-Identität wird auch algebraische Bianchi-Identität und die zweite auch differentielle Bianchi-Identität genannt. Benannt sind diese Identitäten nach dem Mathematiker Luigi Bianchi.

Flache Mannigfaltigkeit

Definition

Eine riemannsche Mannigfaltigkeit (M,g) heißt flach falls sie lokal isometrisch zum euklidischen Raum ist. Das heißt für jeden Punkt p \in M gibt es eine Umgebung U und eine Abbildung \phi : U \to V \subset \R^n, welche isometrisch, also für welche g(X,Y) = \phi^* \overline{g}(X,Y) = \overline{g}(\phi_* X , \phi_*Y) gilt, ist. Hier bezeichnet \overline{g} das euklidische Skalarprodukt und ϕ * den Pushforward von ϕ.

Verbindung zum Krümmungstensor

Eine riemannsche Mannigfaltigkeit mit Levi-Civita-Zusammenhang \nabla ist genau dann flach, wenn der riemannsche Krümmungstensor identisch null ist. Daher ist die abwickelbare Fläche das zweidimensionale Analogon zur flachen Mannigfaltigkeit.

Abgeleitete Größen aus dem Krümmungstensor

Schnittkrümmung

Hauptartikel: Schnittkrümmung

Eine der wichtigsten Krümmungsgrößen in der riemannschen Geometrie ist die Schnittkrümmung. Sie verallgemeinert die Gaußsche Krümmung von regulären Flächen. Dabei wird jeder Ebene σ im Tangentialraum an einem Punkt einer riemannschen Mannigfaltigkeit M eine Krümmung zugeordnet. Diese ist die Gaußkrümmung einer Fläche in M, die σ als Tangentialebene hat und innerhalb der Mannigfaltigkeit nicht gekrümmt ist, sozusagen ein „Schnitt“ durch die Mannigfaltigkeit in Richtung der Ebene σ. Die Definition erfolgt allerdings nicht mit Hilfe dieser Fläche, sondern mit Hilfe des riemannschen Krümmungstensors und von zwei Vektoren, die die Ebene σ aufspannen.

Gegeben seien eine riemannsche Mannigfaltigkeit M mit riemannscher Metrik g, ein Punkt p in M und ein zweidimensionaler Unterraum (Ebene) \sigma \subset T_p M des Tangentialraums TpM von M im Punkt p. Seien v und w zwei Tangentialvektoren, die diese Ebene aufspannen. Mit

|v \wedge w| = \sqrt{g(v,v)g(w,w)-g(v,w)^2}

wird der Flächeninhalt des von v und w aufgespannten Parallelogramms bezeichnet. Dann hängt die Größe

K(v,w) = \frac{g(R(v,w)w,v)}{|v \wedge w|^2} = \frac{g(R(v,w)w,v)}{g(v,v)g(w,w)-g(v,w)^2}

nur von der Ebene σ ab, aber nicht von der Wahl der sie aufspannenden Vektoren v und w. Man schreibt deshalb für K(v,w) auch K(σ) und nennt dies die Schnittkrümmung von σ.

Ist M zweidimensional, dann gibt es in jedem Punkt p von M nur einen solchen zweidimensionalen Unterraum des Tangentialraums, nämlich den Tangentialraum selbst, und K(σ) ist dann gerade die Gaußkrümmung von M im Punkt p

Ricci-Tensor

In den Einsteingleichungen wird der so genannte Ricci-Tensor (nach Gregorio Ricci-Curbastro) Rμν verwendet. Er ergibt sich aus dem Krümmungstensor durch Tensorverjüngung:

R_{\mu \nu} = \pm R^{\lambda}_{\mu \lambda \nu}

Gemäß der einsteinschen Summenkonvention wird über gleich vorkommende Indizes summiert, von denen der eine oben und der andere unten steht. Zur Bildung des Ricci-Tensors wird also über den Index λ summiert. Das Vorzeichen wird dabei per Konvention festgelegt und ist prinzipiell frei wählbar.

Die Bezeichnung der Indizes ist willkürlich, es ist egal ob man einen Index mit i, j oder m bezeichnet. Es kommt nur auf seine Position an.

Krümmungsskalar

Um den Krümmungsskalar (auch Ricci-Skalar oder Skalarkrümmung, früher auch Laue-Skalar) herzuleiten, wird zunächst der Ausdruck R^\lambda_\kappa aus dem Ricci-Tensor hergeleitet:

 \ R^\lambda_\kappa=g^{\mu \lambda}R_{\mu \kappa}.

Der Krümmungsskalar ergibt sich folgendermaßen: R = R^\lambda_\lambda , d. h. es wird über den Index λ summiert. Dabei ist gλκ der kontravariante metrische Tensor.

Der Krümmungsskalar kann auch direkt aus dem Ricci-Tensor Rμρ gewonnen werden:

 \ R = g^{\mu \rho} R_{\mu \rho}

Dabei wird über die Indizes μ und ρ summiert.

Einzelnachweise

  1. Manfredo Perdigão do Carmo: Riemannian Geometry. 1992, S. 89
  2. Sylvestre Gallot, Dominique Hulin, Jacques Lafontaine: Riemannian Geometry. 2. Aufl. 1990, S. 107

Literatur

  • Manfredo Perdigão do Carmo: Riemannian Geometry, Birkhäuser, Boston 1992, ISBN 0-8176-3490-8
  • Sylvestre Gallot, Dominique Hulin, Jacques Lafontaine: Riemannian Geometry. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1990, ISBN 3-540-52401-0
  • John M. Lee: Riemannian Manifolds. An Introduction to Curvature. Springer, New York 1997, ISBN 0387983228.

Weblinks


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