Lohnabstandsgebot

Lohnabstandsgebot

Mit dem Lohnabstandsgebot bezeichnet man die Forderung, dass Einkommen, die als Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld gewährt werden, deutlich unter den Einkommen liegen sollen, die in den unteren Lohngruppen am Arbeitsmarkt erzielt werden können.

Situation in Deutschland

Bei der Bestimmung des Abstands wird in Deutschland von einer Alleinernährerfamilie mit drei Kindern ausgegangen. In § 28 Abs. 4 SGB XII heißt es hierzu:

„Die Regelsatzbemessung gewährleistet, dass bei Haushaltsgemeinschaften von Ehepaaren mit drei Kindern die Regelsätze zusammen mit Durchschnittsbeträgen der Leistungen nach den §§ 29 und 31 [d.i. für Kosten von Unterkunft und Heizung sowie für einmalige Bedarfe] und unter Berücksichtigung eines durchschnittlich abzusetzenden Betrages nach § 82 Abs. 3 unter den erzielten monatlichen durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelten unterer Lohn- und Gehaltsgruppen einschließlich anteiliger einmaliger Zahlungen zuzüglich Kindergeld und Wohngeld in einer entsprechenden Haushaltsgemeinschaft mit einer alleinverdienenden vollzeitbeschäftigten Person bleiben.“

Mit dem Lohnabstandsgebot solle der strukturellen Gefahr vorgebeugt werden, dass der aus Steuermitteln finanzierte Regelbedarf der Sozialhilfe zu einem höheren verfügbaren Einkommen führt als der Einsatz der eigenen Arbeitskraft bei Vollzeittätigkeit. Gleichzeitig führe es zu tendenziellen Lohnuntergrenzen, auch wenn es in Deutschland keinen allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohn gibt.

Das Lohnabstandsgebot wird in Deutschland durch eine Deckelung des Grundsicherungsbetrages (ALG II) eingehalten.[1] Alternativ könnte das Gebot durch einen gesetzlichen Mindestlohn über der Armutsgrenze erfüllt werden.[1]

Beim Bezug auf eine Alleinernährerfamilie bleibt unberücksichtigt, dass es speziell im unteren Einkommensbereich kaum möglich ist, eine Mehrkindfamilie durch ein einziges Erwerbseinkommen zu ernähren.[2] Sabine Berghahn stellte in diesem Zusammenhang fest: „Würde man […] zugestehen, dass in Familien mit mehreren Kindern gerade im unteren Bereich beide Erwachsenen bzw. beide Elternteile sich um Erwerbsarbeit bemühen sollten, um den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen, müssten alle Referenz- und Bedarfswerte der Sozialhilfe – und folglich auch des ALG II – entsprechend angehoben werden.“[1]

Als mögliche Alternative zum Lohnabstand gelten Kombilöhne, die im fraglichen Einkommensbereich gering entlohnte Arbeit und Sozialleistungen kombinieren. Beispielsweise indem Sozialhilfe- bzw. ALG-II-Empfänger hinzuverdienen dürfen, ohne den Verdienst vollständig mit der Sozialhilfe bzw. dem Arbeitslosengeld II verrechnen zu müssen, oder indem Beziehern niedriger Arbeitseinkommen Zuschüsse gezahlt werden.

Andererseits gibt es per se keinen festgelegten Einkommensbereich, sondern die Einkommen werden von Arbeitgebern offeriert. Gerade im Niedriglohnbereich handelt es sich oft um Tätigkeiten, die eben durch solche Arbeitnehmer verrichtet werden, die zu diesem Niedriglohn gerade noch arbeiten wollen bzw. solche, die von den ARGEn unter Androhung von Sanktionen dazu verpflichtet werden. Ein Arbeitgeber muss dann so effizient arbeiten, dass er sich am Markt mit diesen Lohnkosten, die theoretisch bei Sozialhilfe plus Abstand (Abstands-Lohn aus dem Abstandsgebot) liegen, auf dem Markt durchsetzen kann.

Das Lohnabstandsgebot findet im Verfassungsrecht keine Grundlage. Der Staat ist verpflichtet, dem Betroffenen das soziokulturelle Existenzminimum zu gewähren.[3] Wenn die niedrigsten tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte dieses unterschreiten, so besteht der insoweit auszugleichende Bedarf in der Differenz des Existenzminimums zum Einkommen, das der Hilfebedürftige erzielt. Insoweit ist es problematisch, wenn der Regelsatz das Existenzminimum unterschreitet.

Einzelnachweise

  1. a b c Sabine Berghahn: Die „Bedarfsgemeinschaft“ gemäß SGB II: Überwindung oder Verfestigung des männlichen Ernährermodells? In: Jürgen Klute, Sandra Kotlenga (Hrsg.): Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nach Hartz. Fünf Jahre Hartzreformen: Bestandsaufnahme – Analysen – Perspektiven, Universitätsdrucke, Universitätsverlag Göttingen, 2008, ISBN 978-3-940344-33-5. S. 152
  2. Sabine Berghahn: Die „Bedarfsgemeinschaft“ gemäß SGB II: Überwindung oder Verfestigung des männlichen Ernährermodells? In: Jürgen Klute, Sandra Kotlenga (Hrsg.): Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nach Hartz. Fünf Jahre Hartzreformen: Bestandsaufnahme – Analysen – Perspektiven, Universitätsdrucke, Universitätsverlag Göttingen, 2008, ISBN 978-3-940344-33-5. S. 151
  3. Bundesverfassungsgericht, Urteil, 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09.

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