Machnowschtschina

Machnowschtschina
Flagge des 2. Infanterieregiments der Machnowschtschina

Die Machnowschtschina oder Machno-Bewegung (russisch Махновщина; wiss. Transliteration Machnovščina) war eine anarchistische Bauern- und Partisanenbewegung, die zwischen 1917 und 1922 während des russischen Bürgerkrieges in der Ukraine aktiv war. Mit dem Ziel der Selbstbestimmung der Bauern und Arbeiter versuchte sie in großen Teilen des Landes anarchistische Gesellschaftsstrukturen zu verwirklichen.

Benannt ist die Machnowschtschina nach ihrem Initiator und Anführer, dem von den Ideen Michail Bakunins und Peter Kropotkins beeinflussten Aktivisten Nestor Machno.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Machnowschtschina

Nestor Machno, der Begründer der Machnowschtschina

Die Ukraine war nach dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk 1918 in Folge der kommunistischen russischen Oktoberrevolution an Deutschland und Österreich gefallen. Sie war der Preis, den die Bolschewiki unter Lenin und Trotzki für die Beendigung des Ersten Weltkrieges in Russland zunächst bezahlen mussten.

Nach seiner Befreiung aus der Haft in Russland war Nestor Machno 1917 in die Ukraine zurückgekehrt, wo er mit der Agitation unter den Bauern und Arbeitern begann, deren gewerkschaftliche Organisierung aufzubauen. Er gründete eine schnell anwachsende Partisanenarmee aus freiwilligen Kämpfern.

Die Machnowschtschina vertrieb den von den Mittelmächten eingesetzten Hetman Pawlo Skoropadskyj, machte die bürgerlich-liberale Regierung unter Symon Petljura bedeutungslos, enteignete die Großgrundbesitzer und Industriellen und organisierte die befreiten Gebiete, den so genannten "Freien Rayon" nach anarchistischem Muster in einem Netzwerk selbstverwalteter Kommunen, in denen ein Rätesystem aufgebaut wurde.

Die Kommunen und die verschiedenen Räte waren neben der Versorgung und Verteilung der Güter unter der Bevölkerung auch zuständig für alle anderen Politikbereiche wie etwa Transport, Industrie, Kriegführung oder Kultur. Unter anderem gehörte dazu auch der Aufbau von Schulen, eine Alphabetisierungskampagne und politische Aufklärung der Bauern und Partisanen.

Für den gesamten freien Rajon abgestimmt wurden die Entscheidungen in einem Rayonkongress, einer Vollversammlung der Rätedelegierten, von dem in der Ukraine während der Zeit unter der Machnowschtschina allerdings nur drei durchgeführt wurden.

Viele Maßnahmen wurden in Folge der militärischen Bedrohung im russischen Bürgerkrieg verzögert und behindert - zuerst durch die Weiße Armee von zarentreuen Militärverbänden und schließlich auch durch die Rote Armee der Bolschewiki.

In der Zeit ihrer größten Ausdehnung im Dezember 1919 gehörten der Machnowschtschina 83.000 Infanteristen und 20.135 Kavalleristen auf einem Gebiet von etwa 10.000 km² mit 7 Millionen Einwohnern an.[1]

Während der ersten Phase des russischen Bürgerkriegs war die Machnowschtschina zunächst mit der Roten Armee unter Trotzki verbündet. In einem aufreibenden und oft sehr grausamen Guerillakrieg bekämpften die Machnowzi, wie die Anhänger der Machnowschtschina genannt wurden, die gegen Zentralrussland vordringenden Weißen Armeen unter den Generälen Anton Iwanowitsch Denikin und Pjotr Nikolajewitsch Wrangel.

Zerschlagung der Bewegung durch die Bolschewiki

Nachdem die Bolschewiki mit Unterstützung der Machnowschtschina den Kampf gegen die alten Mächte - die deutsch-österreichischen Besatzer und die Weißen Militärs - gewonnen und ihre Macht in Russland stabilisiert hatten, wandten sie sich gegen die Machnowschtschina, so wie sie zuvor in Russland anarchistische Kräfte niedergeschlagen hatten.

Letztlich unterlagen die anarchistischen Partisanen der Machnowschtschina gegen die Rote Armee. Die letzten Gruppen der Machnowschtschina wurden bis zum Sommer 1922 besiegt und aufgerieben. Die Ukraine wurde als ukrainische Sowjetrepublik in die junge UdSSR einverleibt. Die Kommunistische Partei etablierte sich auch in der Ukraine zur beherrschenden Staatspartei bis zum Niedergang der UdSSR um 1991.

Machno selbst konnte sich mit einigen Kämpfern am 28. August 1921 verwundet nach Rumänien absetzen. Er verbrachte sein weiteres Leben im Exil. Er starb, unbeachtet von der Öffentlichkeit, 1934 in einem Pariser Armenhospital.

Als wichtigste Zeitschrift der Machnowschtschina, herausgegeben in Charkow, gilt Put k swobode (Weg zur Freiheit).

Literatur

  • Peter Arschinoff: Geschichte der Machno-Bewegung (1918–1921). Unrast Verlag, Münster 1998, ISBN 3-928300-68-7 (Reprint der Ausgabe von 1923)
  • Ettore Cinella: Machno in der ukrainischen Revolution von 1917 bis 1921. In: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit. Band 17/2003. Germinal Verlag, Fernwald (Annerod), ISBN 3-88663-417-5, S. 311ff.
  • Dittmar Dahlmann: Land und Freiheit. Machnovščina und Zapatismo als Beispiele agrarrevolutionärer Bewegungen. Steiner, Stuttgart u. a. 1986, ISBN 3-515-04083-8, (Studien zur modernen Geschichte 35), (Zugleich: Düsseldorf, Univ., Diss., 1983).
  • Arthur Müller-Lehning: Anarchismus und Marxismus in der russischen Revolution. Karin Kramer Verlag, Berlin 1971, ISBN 3-87956-008-0.
  • Rudolf Rocker: Der Bankerott des russischen Staats-Kommunismus. Verlag Der Syndikalist, Fritz Kater, Berlin 1921, (Wieder abgedruckt in: Rudolf Rocker & Emma Goldman: Der Bolschewismus. Verstaatlichung der Revolution. Underground Press, Berlin 1968).
  • Friedrich Schrader: Eine Flüchtlingsreise durch die Ukraine. Tagebuchblätter von meiner Flucht aus Konstantinopel. Mohr, Tübingen 1919, (Augenzeugenbericht eines sozialdemokratischen deutschen Journalisten, der - auf der Flucht von Konstantinopel nach Berlin - die Ukraine im Bürgerkrieg erlebte).
  • Horst Stowasser: Die Machnotschina. An-Archia-Verlag, Wetzlar 1979, ISBN 3-922256-04-X
  • Volin: Die unbekannte Revolution. Band 3. Verlag Assoziation, Hamburg 1977, ISBN 3-88032-011-X.
  • Alexander Berkman: Der bolschewistische Mythos - Tagebuch aus der russischen Revolution 1920-1922, EA New York, Boni and Liveright, 1925, AV Verlag, ISBN 3-936049-21-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Belash, Victor / Belash, Aleksandr: Dorogi Nestora Machno. Istoricheskoe Povestvovanie. RVTS 1993, S. 333ff.

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