- Magnuseffekt
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Der Magnus-Effekt, benannt nach seinem Entdecker Heinrich Gustav Magnus (1802-1870), ist ein Phänomen der Strömungsmechanik, nämlich die Querkraftwirkung (Kraft), die ein rotierender runder Körper (Zylinder oder Kugel) in einer Strömung erfährt.
Inhaltsverzeichnis
Prinzip
In Lehrbüchern wird der Magnus-Effekt unterschiedlich erklärt. Eine häufige Darstellungsweise bedient sich der Bernoulli-Gleichung und führt zu einer leicht verständlichen Erklärung, birgt jedoch einige systematische Ungenauigkeiten. Eine andere Darstellungsweise bedient sich einer qualitativen Beschreibung von Strömungsabrissen.
Eine rotierende Walze erzeugt aufgrund von Reibungseffekten eine Rotation des sie umgebenden Fluids um sich herum. Wird die Walze zusätzlich angeströmt, überlagern sich die Geschwindigkeiten des Fluids. Das Resultat ist, dass das Fluid die rotierende Walze auf einer Seite schneller umströmt als auf der anderen (im Ruhesystem der Walze). Auf der Seite der Walze, auf der die Reibungseffekte größer sind, fließt das Fluid scheinbar schneller. Dies resultiert in einem „Ausweichen“ der Walze – die Walze wird nach unten gedrückt (siehe nebenstehende Abbildung).
Nach der Bernoulli-Gleichung entsteht durch unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten auf zwei Seiten eines Körpers eine Druckdifferenz, welche eine resultierende Kraft erzeugt. Es kommt somit bei rotierenden Walzen, welche angeströmt werden bzw. sich in stiller Flüssigkeit senkrecht zu ihrer Achse bewegen, zu Kräften. [1]
Ein fliegender Ball führe nun eine lineare Bewegung innerhalb eines Fluids (der Luft) aus und rotiere dabei. Seine Flugbahn wird nun zu der Seite hin abgelenkt, auf der der Körper sich mit der Strömung (also entgegen der Flugrichtung) dreht: Auf dieser Seite umströmt die Luftschicht den Ball schneller, es entsteht also ein Unterdruck. Die Drehung gegen die Luftströmung auf der anderen Seite bewirkt, dass die Luft abgebremst wird, hier entsteht ein Überdruck. Der Druckunterschied an der Oberfläche des Balls ist Ursache der Querkraft.
Das Bild oben zeigt den Ballflug- und rotation in laminarer Strömung und vernachlässigt Wirbelbildung. Kommt sie mit ins Spiel, treten Wirbelschleppen auf, die sich aufgrund der Drehung asymmetrisch ablösen. Die Strömung folgt der Kontur des Körpers auch hinter der „dicksten“ Stelle (Coanda-Effekt), bis sie abreißt (Strömungsabriss), also die Kontur verlässt und ein Gebiet mit sehr bald turbulenter, mehr oder weniger chaotischer Strömung hinterlässt (siehe auch Grenzschichttheorie). Dieses Abreißen verzögert sich auf der Seite, auf der sich der Körper mit der Strömung (gegen die Flugrichtung) dreht. Das entstehende Gebiet mit turbulenter Strömung ist auf dieser Seite kleiner als bei einem nicht rotierenden Körper. Das Gegenteil ist der Fall auf der Seite, auf der sich der Körper entgegen der Strömung (also in Flugrichtung) dreht: Die Strömung reißt früher ab, und das Gebiet mit der turbulenten Schleppe wird größer. Ein rotierender Körper hinterlässt also eine asymmetrische, turbulente Schleppe, und die nicht-turbulente Strömung außenherum wird etwas zur Seite abgelenkt. Als Reaktion (3. Newtonsches Gesetz) erfährt der Körper eine ablenkende Kraft in die Gegenrichtung.
Im Berliner Magnushaus kann der Effekt interaktiv erprobt werden und eine Tafel erläutert den Vorgang:
Praktische Beispiele
Die folgenden Beispiele von abgelenkten Flugkörpern werden häufig mit dem Magnus-Effekt in Verbindung gebracht. In allen Fällen treten jedoch verschiedene Effekte gleichzeitig auf, sodass es als unklar anzunehmen ist, inwieweit der Magnus-Effekt eine Rolle spielt.
- Fußballspieler verleihen dem Ball einen Drall, damit er in einem Bogen ins Tor fliegt. Je schneller er dreht, umso größer ist die Bahnablenkung (Bananenflanke).
- Tischtennisspieler und Tennisspieler nutzen den Effekt, z.B. beim Topspin und Slice.
- Spin bowling im Cricket
- Golfbälle besitzen viele kleine Vertiefungen auf der Oberfläche, sogenannte Dimples. Sie verbessern als Turbulatoren das Anhaften der am Ball anliegenden und durch seine Rotation mitgeführten Grenzschicht. Dadurch verstärkt sich die Wirbelbildung und die damit einhergehende Ablenkung des Balls durch den Magnus-Effekt. Da der Golfball durch die Keilform des Golfschlägers rückwärts rotiert, wird er durch den Magnus-Effekt angehoben; er fliegt nicht nur wie eine Kanonenkugel, sondern erfährt einen Auftrieb. Zusätzliche Links- oder Rechts-Ablenkungen sind möglich und werden von Spielern, die diese Technik beherrschen, auch eingesetzt. Außerdem wird durch die überkritische, turbulente Umströmung der Luftwiderstand verringert, was wiederum zu größeren Flugweiten führt.
Geschichte
Magnus erbrachte 1852 den Nachweis des Phänomens rein experimentell und erkannte damit die Ursache für die Bahnabweichung rotierender Geschosse. Angeregt durch die Flugbahnabweichung von Tennisbällen gelang erst 1877 Lord Rayleigh die theoretische Begründung des Effekts.
In den zwanziger und dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts versuchte Anton Flettner, den Magnus-Effekt zum Antrieb von Schiffen auszunutzen. Anstelle von Segelmasten besaßen die Schiffe große rotierende Zylinder (Flettner-Rotoren). Trotz der maschinell angetriebenen Zylinder handelte es sich jedoch um Segelschiffe, die auf herrschenden Wind aus günstiger Richtung angewiesen waren. In einer Zeit jedoch, in der man weltweit für die Handelsschifffahrt die Versorgung mit Energie aufbaute, hatten Segelschiffe keine Marktchancen mehr. Der französische Ozeanograph Jacques-Yves Cousteau griff die Idee des Magnuseffektes in den 1980er-Jahren noch einmal auf und ließ die Alcyone planen und bauen. Das Schiff ging 1985 auf Jungfernfahrt und ist immer noch für die Cousteau Society unterwegs.
2006 wurde in Flensburg der Katamaran Uni-Kat Flensburg mit einem Flettner-Rotor fertiggestellt. Gleichzeitig wurde in Kiel bei der Lindenau-Werft das E-Ship 1, ein Frachter, der nach dem gleichen Prinzip betrieben werden soll, in Planung genommen. Das Schiff ist am 2. August 2008 vom Stapel gelaufen.
Siehe auch
Bemerkungen
- ↑ Theoretische Bemerkung: Es wurden hier an rotierenden Walzen Reibungseffekte betrachtet, die Geschwindigkeitsunterschiede in dem umgebenden Fluid erzeugen. Zur Verknüpfung der Geschwindigkeitsunterschiede im Fluid mit dem entstehenden Druckunterschied, welcher die resultierende Kraft erzeugt, wurde bei obiger Herleitung das Bernoulli-Gesetz verwendet. Das Bernoulli-Gesetz jedoch gilt definitionsgemäß nur für reibungsfreie Fluide, in denen die Geschwindigkeitsunterschiede durch unsymmetrisch geformte Körper entstehen. Hier liegt eine theoretische Ungenauigkeit im Modell vor, welche jedoch vernachlässigt werden kann, da die Effekte der Geschwindigkeitsunterschiede, ungeachtet deren Ursprungs (ob durch Form oder Reibung entstanden), prinzipiell identisch sind (wiederum unter Vernachlässigung von Strömungsabrissen).
Weblinks
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