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Maratha, das Reich der Marathen, (marathi मराठा साम्राज्य Marāṭhā Sāmrājya Maratha Samrajya) war ein Staat in Zentralindien (1674–1818), der im 18. Jahrhundert beinahe einen Großmachtstatus erreicht hätte. Von ihm ging gleichzeitig mit dem Verfall des Mogulreiches eine Erneuerung des hinduistischen Einflusses in Indien aus.
Inhaltsverzeichnis
Ursprünge unter Shivaji
Die Marathen waren ursprünglich ein Klanbündnis im heutigen indischen Bundesstaat Maharashtra, das im Bergland einige Festungen besaß. Ihre Sprache war die Marathi-Sprache, die sich schon im 13. Jahrhundert in der Literatur niederschlug. Seit jener Zeit schufen eigene literarische und religiöse Traditionen, repräsentiert von Persönlichkeiten wie Tukaram (17. Jahrhundert), ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter diesen Stämmen.
Unter ihrem Anführer Shivaji (reg. ca. 1657–80) stiegen die Marathen zu Rivalen der Dekkan-Sultanate Bijapur und Golkonda auf. Shivaji proklamierte sich 1674 nach altem vedischen Ritual zum König, hatte aber dem Expansionsdrang des Mogulreiches unter Aurangzeb (reg. 1658–1707) wenig entgegenzusetzen. Trotzdem gilt er als einer der größten indischen Helden. Die Steuern betrugen bis zur Hälfte der Ernte, aber es gab eine staatliche Förderung der Landwirtschaft. Für 1670 wird erstmals der Chauth, der von den Marathen eingetriebene Tribut, erwähnt.
Shivajis Sohn Sambhaji verbündete sich mit dem gegen seinen Vater rebellierenden Prinzen Akbar, dem vierten Sohn Aurangzebs, aber das Bündnis der beiden blieb fruchtlos (1681). Aurangzebs Armee eroberte 1686/87 Bijapur und Golkonda und wandte sich dann gegen die Marathen. 1689 wurde Sambhaji auf einem Vergnügungsausflug gefangen, gefoltert und hingerichtet. Auf Sambhaji folgte sein Bruder Rajaram (–1700), der den Kleinkrieg fortsetzte.
Die Peshwas und der Weg zur Großmacht
Als Sambhajis Sohn Shahu 1707 aus der Mogulhaft entlassen wurde, kam es zu einer Spaltung der Marathen zwischen ihm und den Söhnen Rajarams bzw. dessen Witwe Tara Bai.
Shahus Premierminister, der Peshwa Baji Rao I., der 1720–40 für seinen milden König regierte, führte die Marathenmacht trotzdem zu ihrem Zenit. Die Zeit war gekennzeichnet durch niedrige Steuern und religiöse Toleranz. Auf der Gegenseite stand in Delhi der Mogulpolitiker Nizam-ul-Mulk, der sich aber bei Hofe letztlich nicht durchsetzen konnte. Die Marathen bekamen Geldzahlungen und politische Zugeständnisse, z. B. bekam Balaji Vishwanath 1719 in Delhi den Chauth für den Dekkan zugesprochen. 1734 standen sie vor Agra, und 1737 wurde Delhi nur durch einen Glücksfall gerettet.
Nach der Abdankung Nizam-ul-Mulks 1724 (er schuf sich einen quasi-selbständigen Staat in Hyderabad) und der Plünderung Delhis durch den persischen Eroberer Nadir Schah 1739 war das Mogulreich nur noch ein ausgehöhlter Baum, dessen Äste abfielen und von den Marathen eingesammelt wurden.
Statt eines zentralistischen Marathen-Staates bildete sich jetzt allmählich eine Konföderation von Kleinkönigen heraus, zusammengehalten durch die Autorität des Premierministers, des Peshwa. Vier Klans ragten dabei heraus: die Gaekwad in Baroda (Region Gujarat), die Sindia in Gwalior, die Holkar in Indore (Region Malwa) und die Bhonsle in Nagpur (Region Berar). Der König war nur noch ein nominelles Oberhaupt und der Premierminister (Peshwa) hatte damit zu tun, ihren Ehrgeiz auszubalancieren. Dabei kam den Peshwas zugute, dass nur sie und ihresgleichen (die Brahmanenkaste) durch die komplizierte Steuererhebung und Reichtumsverteilung innerhalb der Marathenkonföderation über das notwendige Herrschaftswissen verfügten.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Marathen die indische Klassenstruktur mitunter missachteten: So war der erste Peshwa einst ein Dorfbuchhalter gewesen, und die Vorfahren der Holkars waren Ziegenhirten.
Die Marathen trieben einen Tribut namens Chauth (1/4 der Staatseinnahmen) und einen Zuschlag zu den lokalen Steuern (Sardeshmukhi) ein und überließen alles andere den lokalen Machthabern, den Nawabs, Emiren und Rajas. Sie lehnten es auch ab, in einem eroberten Gebiet neue Eigentümer zu ernennen, wenn die geringste Aussicht bestand, dass die alten zurückkommen könnten. In nicht unterworfenen oder direkt „verwalteten“ Gebieten wie z. B. in Bengalen des Nawabs und dem vom Asaf Jah I. verwalteten Hyderabad traten sie nur als Plünderer auf, die wegen ihrer Grausamkeit gefürchtet waren. Ein Raubzug Raghuji Bhonsles in Bengalen 1742 mag da als Beispiel dienen, er führte überdies zum Konflikt zwischen dem Peshwa und Raghuji Bhonsle.
Auf Baji Rao I. folgte als Premier sein Sohn Balaji Rao 1740–61. König Shahu starb 1749 und die Premierminister (Peshwa) wurden zur faktischen Autorität der Marathenfürsten, der (adoptierte) Thronerbe Ramaraja wurde nach einem Sieg über die Opposition von Rajarams Witwe Tara Bai und Damaji Gaikwar eingesperrt.
Premier Balaji Rao beschränkte sich auf die Verwaltung, während sein Bruder Ragunath das Heer im Norden befehligte und mehrfach die Afghanen zurückschlug. Schließlich führte ein anderer Verwandter ein großes Marathen-Heer in die Dritte Schlacht von Panipat 1761 gegen Ahmad Shah Durrani. Es ging um das gerade erst besetzte Delhi. Die Afghanen setzten sich aber mit einer beweglicheren Taktik, leichteren Kanonen und sicheren Versorgungslinien durch. Balaji Rao war geschockt und starb wenig später.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts betrieb die Marathen-Flotte unter Kanhoji Angre (1667–1729) und seinem Sohn Tulaji umfassende Piraterie, im Wesentlichen auf eigene Rechnung, aber auch See- und Handelskrieg gegen die Englische Ostindien-Kompanie. Mehrere Strafexpeditionen der europäischen Kolonialmächte scheiterten; erst 1756 gelang den Briten ein entscheidender Seesieg, und Tulaji Angre floh zum Peshwa.
Stagnation und Untergang
Der nächste Peshwa, Madhav Rao I. (1761–72), konnte seine Gegner noch zurückhalten und Delhi samt Großmogul Shah Alam ins Reich eingliedern. Aber nach seinem Tod verbündete sich sein Onkel Ragunath mit der britischen Ostindien-Kompanie gegen den legitimen nächsten Peshwa und dessen Anhänger. Ragunath spaltete damit die Marathen und gab dem Briten Warren Hastings Handlungsfreiheit. Es kam zum ersten Krieg zwischen der Ostindien-Kompanie und Marathen (letztere sogar im Bündnis mit ihren Gegenspielern in Mysore und Hyderabad), in dem die Marathen unter General Mahadji Sindia nach einem Sieg 1779 doch noch bei Sipri 1781 geschlagen und zum Frieden von Salbai 1782 gezwungen wurden.
Zu der Zeit wankte die Zentralgewalt: Unterkönige und Generäle wie Mahadji Sindia waren die Herren in ihren Provinzen und gaben dem Peshwa 1785 sogar Befehle. Aber Mahadji Sindia († 1795) gelang es nicht, den Großmogul Shah Alam 1788 gegen plündernde Afghanen zu schützen, die Shah Alam gefangennahmen und blendeten. Mahadji Sindia ließ seine Armee von einem französischen Offizier namens Perron nach europäischen Muster ausbilden und erlitt trotzdem eine Niederlage gegen die Rajputen. Seine Geldnot und sein Konflikt mit der Holkar-Familie (Königin Ahalya Bai, † 1795) kam hinzu. Nach seinem Tod und dem Tod des Ministers Nana Fadnavis 1800 zerbrach der Staat endgültig.
Der Peshwa Baji Rao II. (1796–1818), Ragunaths Sohn, begab sich nach einer Niederlage gegen seinen Rivalen Jaswant Rao Holkar 1802 unter britischen Schutz. Das duldeten die Unterkönige nicht, vor allem Daulat Rao Sindia und Raghuji Bhonsle. So kam es anschließend zum Krieg zwischen Marathen und Briten, der aufgrund der Uneinigkeit der Marathen und ihres unzureichenden Versuchs der Kopie europäischer Kriegsführung zugunsten letzterer ausging. Die Briten unter Arthur Wellesley siegten über Sindia und Bhonsle bei Assaye und besetzten 1803 Delhi. Zwar fügte Jaswant Rao Holkar den Briten im August 1804 schwere Verluste zu, verlor aber im November bei Farrukhabad. Die Sindia, Bhonsle und Holkar mussten sich so nacheinander den Briten beugen und bekamen Sonderverträge.
Im Dritten Marathenkrieg 1817/18 brachte die Ostindien-Kompanie die Marathen endgültig um ihre Unabhängigkeit. Generalgouverneur Francis Rawdon Hastings bot dafür 120.000 Soldaten auf. Der Peshwa Baji Rao II. verlor zwei Schlachten, wurde gefangengenommen und schließlich mit einer Rente von 80.000 Pfund in Pension geschickt. Damit blieben nur noch Kleinkönige mit dem Status von Fürstenstaaten Britisch-Indiens bis 1947/48 übrig.
Die Regenten
Chhatrapatis
- Shivaji 1674–80
- Sambhaji 1680–89
- Rajaram 1689–1700
- Shivaji II. 1700–14
- Sambhaji II. 1714–31
- Shahu 1707–49
Peshwas
- Balaji Vishwanath 1713–20
- Baji Rao I. 1720–40
- Balaji Baji Rao 1740–61
- Madhav Rao I. Ballal 1761–72
- Narayan Rao 1772–73
- Ragunath 1773–74 (Prätendent)
- Madhav Rao II. Narayan 1774–95
- Baji Rao II. 1796–1818
Siehe auch
Literatur
- Stewart Gordon: The New Cambridge History of India. The Marathas 1600-1818. New York, 1993, ISBN 0-521-26883-4
Weblinks
Kategorie:- Historischer Staat (Indien)
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