Hyderabad (Staat)

Hyderabad (Staat)
FIAV Flagge des Staates Hyderabad
Hyderabad bis 1956

Der indische Fürstenstaat Hyderabad (auch Haidarabad), mit der gleichnamigen Hauptstadt, existierte zwischen 1724 und 1948/56. Er lag auf der Hochebene des Dekkan etwa zwischen 15° 10' und 20°40' N, 74°40' und 81° 35' O. 1941 hatte Hyderabad (The Nizams’s Domions) eine Fläche von 214187 km² und 16,6 Millionen Einwohner. An Bodenschätzen wurde Kohle, Kalk und etwas Gold gewonnen. Der östliche Teil liegt im Einfluss beider Monsune, so dass die Trockenzeit nur von Dezember bis Mai dauert, der westliche Teil mit durchschnittlich weniger als 750 mm Regen macht die Landwirtschaft marginal und ist, bei dem durch die ENSO-Oszillation verursachten Ausbleiben der Regenfälle, häufig von Hungerkatastrophen (180, 1813, 1819, 1846, 1854, 1862, 1877, 1896/7, 1900/01, 1911) betroffen. Besonders arm ist das zur Kolonialzeit stark bewaldete Gebiet von Telangana. Die Bevölkerungszahl betrug (ohne Berar): 13,375 Mio. (1911), davon 6,8 Millionen ausgebeutete Bauern oder Landarbeiter. Die 11 % Muslime, Nachfahren der Eroberer, bildeten eine abgeschottete Oberklasse.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte, Staat und Verwaltung

Verzeichnis der Herrschenden siehe Hauptartikel: Liste der Amtsinhaber von Hyderabad

Hyderabad entstand, als der Mogulgouverneur Asaf Jah I. († 1748), der den Titel Nizām al-Mulk (= Ordnung des Reiches) trug, Vizekönig von sechs Dekkan-Provinzen wurde und nach dem Misserfolg seiner Steuer- und Machtpolitik in Delhi abdanken musste. Nizam al-Mulk machte sich 1724 mit Hilfe der Marathen in Hyderabad selbständig, wurde vom bedrängten Mogulherrscher anerkannt und stellte so weiterhin einen wichtigen Faktor der indischen Politik dar.

Die ersten beiden Nizam herrschten in traditionell feudaler Weise. Erstmals 1766 verbündete man sich mit den Briten, 1788 wurden die Circars abgetreten. Bis zum Abschluss mehrerer Verträge 1800–1804[1] war auch der französische Einfluss am Hof stark. Man zwang dem Herrscher jedoch 1808 den britenfreundlichen Raja Chandulal als Diwan auf, der Herrscher wurde mit einer Bestandsgarantie für seinen Staat belohnt. Aber noch Asaf Jah III. (r. 1803-29) widersetzte sich den englischen Versuchen ihn als zweitklassigen Verbündeten zu behandeln. Jedoch wurde das Land 1809 endgültig Protektorat. Wie in allen Fürstenstaaten hatte der britische Resident als „Berater” ein Mitspracherecht, das immer mehr ausgebaut wurde. 1822 verzichteten die Briten auf die Zahlung von Tributen (chaneb), den Anspruch darauf hatten sie vom Peshwa 1818 erworben.

Wappen von Hyderabad (1893)

Mit der 1853 erfolgten Abtretung[2] der Gebiete von Osmanabad (Naldraj), Raichur Doab und Berar, das 1903 endgültig Teil der Central Provinces wurde, um angebliche Zahlungsrückstände für das Hyderabad Contingent auszugleichen, geriet man vollkommen in die Hand der ostindischen Kompanie. Die ebenfalls verpfändeten Juwelen des Nizam wurden nach England verbracht. Der Nizam gab die Ansprüche auf Berar nie auf und erhielt ab 1933 wieder einen Teil der Steuern und einige Mitspracherechte.[3] Eine Rückgabe des Gebiets, das 1903 in die Central Provinces eingegliedert wurde, verhinderte die mächtigen Manchester Chamber of Commerce, die die Region zur Baumwoll-Monokultur nutzen wollte. 1860 wurde der von den Briten konfiszierte Fürstenstaat Sholapur (bei Osmanabad) teilweise, sowie die Distrikte Raichur Doab und Dharaseo an den Nizam zurückgegeben. Hungersnöte suchten das Land 1862 und 1866 heim. Eine Staatspost wurde 1862 eingerichtet, sie erzielte 1911 Einnahmen von über 400000 HR. Den Verkehr mit dem restlichen Indien besorgten 1901 38 GoI-Postämter, die entsprechende Marken verwendeten.[4]

Brief der Hyderabad-Post (1888) – Adresse in Urdu

Als Diwan Salar Jang 1866 darlegen konnte, dass Hyderabad unter den Bedingungen des Vertrages[5] von 1799, Ansprüche auf einen wesentlichen Teil Mysores mit Steuereinnahmen von 4,15 Mio. hätte, sofern die Briten es annektierten, zog der Secretary of State Lord Cranborne es vor, den Adoptivsohn von Krishnaraja Wodeyar, Chama Rajendra Wodeyar als Maharaja wieder einzusetzen, wobei es half, dass der Knabe als Minderjähriger noch bis 1881 unter britischer Kontrolle stand und auch danach ihre Marionette blieb.

Nachdem der Aufbau einer geordneten Verwaltung ab 1859 Fortschritte machte, wurden 1868 vier Fachminister (Sadr-id-Maham) – für Justiz, Finanzen, Polizei und Verschiedenes – dem Diwan zur Seite gestellt. Man versuchte nicht allzu sehr unter die Kontrolle der Briten zu kommen, durch kreative Buchführung rechnete man seine Verpflichtungen klein, verbotenerweise wurden Waffen hergestellt, beide Sachverhalte kamen bis 1876 auf. Kommunale Selbstverwaltung, durch ständische Councils und Local Boards gab es in den einigen Städten seit den 1880ern. Insofern wirtschaftliche Entwicklung stattfand, war sie auf die Hauptstadt und den umliegenden Bezirk (Atraf-i-Balda) beschränkt. Diese Gebiete war als Sarf-i-kas-Land das Privateigentum des Nizam. Baumwollverarbeitung konzentrierte sich auf die Region Marathwara. Der einzige weitere größere Industriebetrieb, der vor dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, war eine Zuckerfabrik.

Das Persische als Amtssprache wurde bei Hofe 1884 und in der Verwaltung 1886 durch Urdu (10% Sprecher) ersetzt, ein Großteil der hinduistischen Bevölkerung sprach jedoch Mahrati (1/4) oder Telugu (1/2). Ein Hyderabad Civil Service,[6] nach Vorbild des ICS wurde 1888 geschaffen. Die muslimische Oberschicht (mulki) dominierte die Verwaltung, Schlüsselpositionen waren mit Briten besetzt.

Nach dem Tode von Salar Jung I. nahm der direkte britische Einfluss zu, zahlreiche höhere Beamte waren deputierte Engländer. Eine erste Abwendung von der absolutistischen Regierungsform kam am 20. Februar 1893 mit der Verkündung des Qanoon-cha-Mubarak, wodurch dem Diwan (Titel: Madar-ul-Moham) einige stellvertretende Minister (Moin-ul-Maham) beigegeben und ein Legislative Council geschaffen wurde. Die zunächst sechs Mitglieder des letzteren waren sämtlich Ernannte aus dem Kreise der höheren Beamten. Bereits 1894 wurde das Council – mit ausschließlich beratender Funktion – auf 15 Personen erweitert, davon 9 Beamte, je zwei jagir, vakil und Ernannte von außerhalb. 1900 kamen noch zwei Mitglieder, darunter ein Mitglied aus der Finanzwelt, hinzu. Die Mitgliedschaft wurde in den nächsten Jahren mehrfach erweitert, so dass 1913 23 Personen ernannt wurden.

Der Staat war von den verheerenden Hungersnöten 1898 und 1900–1902 (offiziell 1½ Mio. Verhungerte[7]) mit den folgenden Epidemien stark betroffen.

Der letzte Nizam Osmani Ali Khan (reg. 1911–1948, †1967), stand demokratischen Ideen ablehnend gegenüber. 1914 übernahm er selbst das Amt des Premiers. Er unterstützte die britische Politik rückhaltlos auch in Fragen des Khilafat[8] und der Montagu-Chelmsford-Reform. Das Kabinett wurde durch ein Executive Council mit einem Präsidenten ersetzt, die Reformen nach Rücktritt von Ali Imam[9] nicht fortgeführt. Sämtliche Verordnungen (gasti) unterlagen weiterhin der Zustimmung des Herrschers, so auch No. 52 von 1921, wodurch jegliche politische Aktivität untersagt wurde. Die Political Reforms Association (1923–1931) mußte außerhalb des Landes arbeiten. Rede- und Pressefreiheit bestanden nicht. Der Nizam hielt es für unter seiner Würde mit den weniger bedeutenden Fürsten auf derselben Ebene in der Chamber of Princes mitzuwirken.

Politische Parteien wurden erstmals 1927–1938 gegründet. Bedeutend waren die Nizam’s Subject League, die muslimische Ittehad-ul-Musalmeen (anti-britisch, gegen repräsentative Demokratie), sowie der Hyderabad State-Ableger des INC, der seine säkulare konstitutionelle Monarchie forderte. Eine erste Satyagraha für wirkliche Religionsfreiheit fand Ende 1938 statt. Eine kommunistische Partei, in späteren Zeiten unter der ländlichen Bevölkerung im besonders rückständigen Telanagana erfolgreich, gründete sich 1940 als Nachfolgeorganisation der Andhra Mahasabha (gegr. 1930). In der verarmten Region begann dann Vinoba Bhave seine Bhoodan-Bewegung.

Bemühungen um die Ausweitung demokratischer Rechte durch ein modifiziertes Council blieben, auch unter dem ansonsten fortschrittlichen Premier Sir Akbar Hydari (1935–1941), erfolglos. Der Bericht[10] des Aiyanagar Committee 1938 schlug vor, künftig 37 Mitglieder zu ernennen und 33 für fünf Jahre wählen zu lassen. Die Sitzverteilung sollte ständisch organisiert sein, eine der zu wählenden eine Frau. Ein erneuter Vorstoß 1946 sah ein Council, welches immer noch nur beratende Funktion hätte haben sollen, 76 nach ständischen und kommunalistischen (je 50 % Hindus und Moslem!) Prinzipien Gewählte unter den 132 Mitgliedern vor. Als Zensus war eine Steuerzahlung von 100 HRs. vorgesehen, wodurch etwa 15.0000 der Bevölkerung von ca. 16,3 Mio. stimmberechtigt gewesen wäre.

Hyderabad (1909)

Nachdem Großbritannien 1947 auf seine Rechte als Paramount Power verzichtete und Indien in die Unabhängigkeit entließ, wollte der Nizam Hyderabad als unabhängigen Staat erhalten, war aber zu einer Kooperation mit Indien bereit und schloß am 29. November ein Stillhalteabkommen mit Indien für ein Jahr und erklärte sich zur Zusammenarbeit auf den Gebieten Äußeres, Verteidigung und Kommunikation bereit. Aber im September besetzte Indien in einer „Polizeiaktion“ das Land, das am 25. Januar 1950 der Indischen Union beitreten musste. Erst 1952 kam es bei der ersten Wahl innerhalb der Indischen Union zur Einführung der repräsentativen Demokratie. Hyderabad blieb aber bis zum 31. Oktober 1956 ein eigener Bundesstaat mit dem Nizam als Rajpramukh an der Spitze. Dann wurde es im Zuge der administrativen Neugliederung Indiens entlang der Sprachgrenzen auf die Staaten Karnataka, Maharashtra und Andhra Pradesh aufgeteilt. Die gleichnamige Stadt Hyderabad wurde Hauptstadt des letzteren.

Administrative Gliederung

Das Staatsgebiet wurde nach britischem Muster 1856 in vier Divisions (Aurangabad, Medak, Gulbarga, Warangal; 1905 umorganisiert) sowie 17 Distrikte unter jeweils einem Kommissar (Subahdar) eingeteilt. Die Distrikte waren weiter in Talukas und Thasils untergliedert. Einzelne Dörfer hatten einen Patel als Vorsteher.

Bevölkerung und Steuern (in Tausend), wobei letztere trotz der dezimierten Bevölkerung 1891–1901 stiegen:[7]

Aurangabad Division (49200 km²)

1881 1891 1901
2610
18,1 HRs.
2909
23,2 HRs.
2363 (-18,8 %)
38,7 HRs. (+66%)

Bidar Division (58223 km²; 4 Distrikte); ab 1905 Medak (Gulshanabad) Division (45109 km², 4 Distrikte)

1881 1891 1901
2455
? HRs.
2812
? HRs.
Bidar: 2363 (−3 %), 57 HR.
Medak: 2440, 56 HRs.

Warangal Division (54374 km², 3 Distrikte, 1905 mit Bidar)

1881 1891 1901
2109
14 HRs.
2572
22,8 HRs.
mit Bidar 2688, 47,8 HRs.

Gulbarga Division (42789 km² 1905, mit Bidar-Distrikt)

1881 1891 1901
1947
HRs.
2431
HRs.
2462 (+1%)
61,7 HRs.

Atraf-i-balda-Bezirk (8769 km²), Hauptstadt (67 km²) und Umland, Privateigentum des Nizam.

1881 1891 1901
356
9,4 HRs.
390
11,3 HRs.
420 (+8%)
11,3 HRs.

Staatsfinanzen

10 Hyderabad-Rupees (1940)

Zunächst waren, wie überall in den muslimisch-despotisch regierten Ländern des Osten, die Staatsfinanzen gleichbedeutend mit den Bedürfnissen des Hofes und der Truppen. Nominell war der Staat Eigentümer allen Landes. Posten und Ländereien wurden verpachtet oder als Lehen (jagir, paigah, inam usw.) vergeben. Die Gelder wurden vom Diwan ausgewählten Bankiers (sahukar) übertragen, die auch die Münzherstellung kontrollierten.[11] Die inhärente Korruption des Systems mit seinen zahlreichen Mittelmännern brachte den Staat an den Rande des Bankrotts. Erst mit dem Amtsantritt von Diwan Salar Jung I. wurde ab 1853 mit fiskalischer Buchführung begonnen. 4000 Staatdiener wurden, ebenso wie korrupte Talukdars, entlassen. Steuern waren nun in Geld zu zahlen, was wiederum etliche Bauern in Hungerjahren in zusätzliche Schwierigkeiten brachte. Das Atiyat-Department wurde mit der Klärung von Fragen des Landbesitzes und damit zusammenhängenden Rechten beauftragt, ein Grundbuchamt (Department of Record of Rights) wurde jedoch erst 1937 eingerichtet.

Auch behielt man das Münzregal – als einziger Fürstenstaat – mit eigener Währung, der Hyderabad-Rupie, die etwa im Verhältnis 7 für 6 britisch-indische Rupien getauscht wurde, bis 1953. Der Münzgewinn erreichte 1911 30.0000 HR. Ein Eichamt wurde 1914 geschaffen.

Wie in ganz Indien war die Besteuerung von Land die wichtigste Einnahmequelle. Knapp 60 % des Landes lagen unter diwani, deren Steuer durch Pächter (talukdar) eingetrieben wurde. Ein Drittel des Landes war als Lehen vergeben, wobei davon ein Drittel direkt dem Nizam als größtem Jagirdar gehörten (sarf-i-kas, Einnahmen 1911: ca. 10 Mio.). Weitere wichtige Einnahmequellen waren Zölle auf Einfuhren aus Britisch-Indien (1911: 7,5 Mio.; Satz 5 %), Akzisen auf Opium (1911: 70.0000 HR[12]) Salz und Alkohol (1903: 4,35; 1911: 8,2 Mio.) und Stempelgebühren (1911: <1 Mio.). Eine weitere Million stammte aus Gebühren für Waldnutzung, Minen und Kozessionsabgaben. Die Zinsen aus dem angelegten Budgetüberschuss bertrugen 1911 2,8 Mio. jedoch waren noch 2,2 Mio. für Altschulden aufzuwenden.

Osmani Ali Khan war der reichste Mann der Welt, die Bauern seines Reiches die Ärmsten. Wer in sein Angesicht trat hatte ein seinem Vermögen entsprechendes Geschenk, das Nazarana abzuliefern.[13] Seine Apanage betrug schon vor dem Ersten Weltkrieg 5 Millionen.

Für die dauernde „Verpachtung,” des von ihnen seit 50 Jahren verwalteten, Berar ab November 1902 zahlten die Briten 2½ Mio., die jedoch bis 1932 mit ihren Ansprüchen verrechnet wurden, erst dann flossen sie in die Staatskasse.

Jahr Einnahmen Grundsteuern Ausgaben Anmerkungen
1853 0,800 ? ? erstes Jahr mit Buchführung
1883 31,1 ? ?
1900 43,2 ? 42,7 folgende Dekade Finanzminister: G. Casson Walker
1910 52,2 26,6 39,4 Kosten des Militärs: > 5 Mio.
1920 64,8 27,2 64,0 Grundsteuer für 1922
1930 76,2 30,0 82,9
1940 108,9 33,0 103,8
1947 209,9 34,1 347,2

Hinweis: Alle Zahlen in Mio. Rupien. Einnahmen ohne Kron- und Jagir-Ländereien und Berar. Finanzjahre am 1. April beginnend. Zu beachten ist, dass die Rupie zwischen Ende der 1870-96 gegenüber Gold stark an Wert verlor, sowie kriegsbedingt 1916-21/2 und ab 1942 starke Inflation herrschte.[14]

Polizei und Justiz

Unter Salar Jung wurde die Polizei mit einem Superintendenten organisiert, an der Spitze (Mohatamims) und Inspektoren (Amin), die mit ihren Polizisten einzelne Distrikte – jedoch nicht die Lehen, also 40 % des Landes – kontrollierten. Die Stadt Hyderabad unterstand einem eigenen Kommissar (Kotwal), der 1911 440 Offiziere und 3072 Mann unter sich hatte. Für den Rest des Landes stand nochmal etwa die doppelte Zahl von Polizisten zur Verfügung. Folter war bis 1865 üblich. Die Dorfvorsteher konnten geringe Geldstrafen oder Haft von 1–2 Tagen gegenüber der Unterschicht verhängen. Für den Polizeiapparat wurden 1911 3,3 Mio. ausgegeben. Dazu kamen weitere 1,4 Mio. für Justiz und Gerichte, wobei die Gefängnisse durch die dort betriebene Zwangsarbeit vielfach Profit abwarfen. Es bestanden 17 derartige Anstalten, davon 5 größere (Central Jail), dazu je eine Besserungsanstalt für Knaben und Gefängnis für lepröse Verbrecher. Die einzige Irrenanstalt des Landes, 1911 mit 284 Insassen, war im Hyderabad Central Jail.

Bis in die Zeit von Salar Jung I. war die herrschende, landbesitzende Oberschicht, von den arabischen Eroberern abstammend, vor gerichtlicher Verfolgung dadurch geschützt, dass sie nur vor spezielle Gerichte, die von ihresgleichen besetzt waren gestellt werden konnten. Die Jagirs behielten ihre Gerichtshoheit in Lehen bis weit ins 20. Jahrhundert. Privater Waffenbesitz war vor dem ersten Weltkrieg nicht beschränkt, bis zur Jahrhundertwende galt es für Europäer als unsicher sich ohne Leibwächter in der Hauptstadt zu bewegen. Erst zwischen 1899 und 1905 wurden Finanzverwaltung, Post, Glücksspiel, Gerichtsverfassung, Fährverkehr, Maße und Gewichte etc. auf gesetzliche Grundlagen gestellt.

Im Rahmen der Justizreformen ab 1870 unter Salar Jung wurde ein High Court, mit einem Vorsitzenden, der später ex officico Mitglied des Legislative Councils wurde, und vier, später fünf, Beisitzern, der über alle zivil- und strafrechtlichen Fragen entscheiden durfte. Für Zivilsachen nach hinduistischem Recht wurde 1860 ein entsprechendes Gericht geschaffen. Der Rohilla Court griff nach 1856 gegen Kinderhandel und Räuberbanden (dacoits) hart durch. Dem High Court wurde später noch ein Mufti beigegeben. In der Hauptstadt gab es separate Untergerichte für Straf- und Zivilsachen. Der Darul Kaza Court entschied Fragen des muslimischen Personenstandrechts. Die Verwaltungsbeamten auf Bezirksebene erhielten Rechte als Gerichtsherrn, sie unterstanden den Weisungen und der Kontrolle des Chief Justice. Untergerichte für zivilrechtliche Fragen konnten mit Munsifs besetzt werden. Innerhalb ihrer Lehen fungierten auch die Grundherrn als Richter, sie urteilten, je nach ihrer Bedeutung, entsprechend einem englischen Magistrate 2. oder 3. Klasse. Der Court des exterritorialen Residenten urteilte über britische Untertanen (1911: ca. 17.000). Sämtliche lebenslänglichen Strafen und Todesurteile - durch Köpfen vollstreckt - mußten vom Nizam bestätigt werden. Frauen wurden prinzipiell nicht zu Tode verurteilt.

Bildungs- und Gesundheitswesen

Das Bildungswesen war, selbst für einen indischen Fürstenstaat, miserabel. Die Ausgaben für das staatliche Schulwesen lagen 1911 (76000 Schüler, davon 6000 Mädchen bei 3,6 Mio. Einw. <10 Jahre) bei einem Drittel der Ausgaben für die Polizei. Etwa derselbe Betrag wurde in das Gesundheitswesen gesteckt. Die nach 1857 sehr aktiven Missionen englischer protestantischer Sekten konzentrierten ihre Arbeit hauptsächlich auf die unteren Kasten, für die einige Schulen und Kliniken eingerichtet wurden.

Das Schulwesen blieb auch im 20. Jahrhundert vernachlässigt, wodurch das Entstehen einer Mittelschicht verzögert wurde. Die Zahl der Personen die Lesen und Schreiben konnten lag 1900 (81.000 Schüler, 2,8 Mio. Einw. <10 J.) bei 1,3 %, etwa einem Fünftel des restlichen Indien. Diese Quote steigerte sich bis 1950 auf gut 5 %,[15] jedoch waren diese Kenntnisse auf in städtischen Gebieten lebende Männer beschränkt; Muslime waren unter den Schülern vierfach überrepräsentiert. Der Anteil von Angehörigen der unteren Kasten, auf dem Lande und von Frauen, die irgendeine Art von Schulbildung genossen blieb nur geringfügig über Null. 1901 besuchten 13000 Schüler 21 Sekundarschulen, diese Zahl stieg 1911 auf 16000, 31 der 58 Mittelschulen waren staatlich. Außer den staatlichen Schulen bestanden einige „Bazar-“ und Missionsschulen, sowie Medressen (seit 1890 eine für hauptstädtische Mädchen), die aber nicht über unterstes Grundschulniveau hinausgingen. Die muslimische Oberklasse ließ ihre Kinder durch Privatlehrer unterrichten, für Mädchen gab es im 20. Jahrhundert auch die Mamhubia Girls’ School. In den Provinzen gab es nur in den größeren Städten einige wenige Schulen der Sekundarstufe.

Kleine Fachschulen für Bauwesen und Medizin wurden in den 1870ern eingerichtet. Die Aliza-Medresse wurde nach Reorganisation zum Nizam College,[16] das seit 1913 auch als Beamtenfachschule fungierte. Die einzige andere höhere Schule, die von Chādargāt, wurde 1880 zum College, beide verbunden mit der Universität Madras[17] aufgewertet. Es gab eine Lehranstalt (Dar-ul-uloom) zur Ausbildung islamischer Theologen. Die 1917/18 gegründete Osmania Universität war die erste Hochschule im Lande.

Vor dem ersten Weltkrieg bestanden 92 regierungseigene Polikliniken, nur das Victoria Zanana (Frauenklinik) und das Afzalganj Hospital, der Hauptstadt verdienten den Namen Krankenhaus, wenn auch die Zustände dort als miserabel beschrieben werden. Auf lokaler Ebene wurden oft Kliniken eingerichtet, die indigene (yunani) oder „ägyptische“ (misri) Heilweisen anboten.[18]

Im Lande waren Cholera, Malaria und Pest endemisch, ein größerer Ausbruch der letzteren erfolgte noch 1931, obwohl die Epidemien 1902/3 und 1912 (offiziell > 27.000 Tote unter 31.000 Fällen) schlimmer waren.

Infrastruktur

Die Nizam's Guaranteed State Railway[19] verband zwischen Wadi und Bezwada (heute Vijayawada) die Hauptstrecken Britisch-Indiens und gewann frühzeitig direkten Anschluß an Bombay und Madras. Der Staat bürgte für eventuell auftretende Verluste, das Unternehmen erwies sich aber als profitabel. Die Aufnahme der nötigen Anleihen, besonders der von 1876 sorgten für Unmut. Man betrieb zwischen der Hauptstadt und Manmad eine Strecke in Meterspur. Diese Hyderabad-Godavari-Bahn wurde Oktober 1900 eröffnet, der dadurch leichtere Abtransport vom Baumwolle führte zur Ausweitung des Anbaus und infolge zur Verteuerung von Getreide und Hülsenfrüchten. Weitere kleinere Stichbahnen entstanden im 20. Jahrhundert.

Der Straßenbau wurde vernachlässigt, 1911 gab es für jeweils 41 km² des Landes 1 km Straße, in der Regel unbefestigt gerade breit genug für Ochsengespanne. Die Stadtverwaltungen (municipality) und Local Boards erhielten nur minimale Zuschüsse zum Ausbau von Kanalisationen, Straßen usw. Auf dem Land wurde, wenn überhaupt, der (Wiederauf)bau von Reservoiren (tank) nur durch den Famine Relief bezuschusst (erstmals 1876/77). Dabei wurde in Hungerjahren dem verbleibenden Rest der arbeitsfähigen Bevölkerung „gratis” eine Essensration, die der Hälfte dessen was einem Zuchthäusler zustand, gegeben. Dafür war schwerste körperliche Arbeit zu leisten.[20] Für das nun bewässerte Land war dann eine mehrfach höhere Steuer fällig.

Ein erstes Kraftwerk wurde für die neue Münzanstalt 1903 gebaut, damit konnten auch die Paläste und bald darauf die Straßen der Hauptstadt elektrisch beleuchtet werden. Die Kohlenminen von Singareni, bei Yellandu, errichteten ihr eigenes Kraftwerk.

Telephon wurde erstmals 1884 eingerichtet, 1901 gab es in der Hauptstadt 154 Privatanschlüsse und 71 in Ämtern.

Militär

Shums-ul-Umra, der Oberbefehlshaber mit Sohn und Enkel in Hof seiner Residenz, 1862

Die Armee des Staates, um 1800 eine der schlagkräftigsten Indiens, bestand 1893 aus 6228 Berittenen, 24068 Mann Infanterie und 35 Geschützen, dazu kam noch die Palastwache, gestellt von einer bestimmten Klasse von Vasallen, den Paigah,[21] die aus drei Familien stammten und Lehen von 11.700 km² mit 1901 774.000 Seelen[7] hielten. Die Zahl wurde bis 1910 auf 46 Offiziere und 3053 Mann verringert, die Vasallen unterhielten jedoch noch 13000 irreguläre Truppen. Ernennungen von regulären Offizieren waren dem Nizam zur Bestätigung vorzulegen. Eine spezielle Leibgarde bildeten die African Cavallery Guards, die seit 1858 aus den Nachfahren von ehemaligen Negersklaven gezüchtet wurde. Der Waffenkauf durch die Fürsten war seit 1858 von britischer Genehmigung abhängig. Dadurch gelangten nur wenige der im späten 19. Jahrhundert aufkommenden modernen Waffen ins Lande, die Kampfkraft der Truppen sank rapide. Die Aufwendungen sanken von durchschnittlich 700.000 in den 1880ern auf 637.000 HR. 1904. Im Ersten Weltkrieg diente ein großer Teil in der Expeditionary Force, die hauptsächlich in Mesopotamien eingesetzt wurde.

Berittene des Hyderabad Contingent, 1862

Eine der Verpflichtungen, die der Nizam in den Verträgen von 1800, 1804 und 1808 übernommen hatte, war die Stellung bezw. Bezahlung der Hyderabad Subsiary Force bezw. dem Hyderabad Contingent für die Briten. (Angebliche) Zahlungsrückstände nutzten die Kolonialherren sich 1853 zur Sicherung ihrer Ansprüche das Gebiet von Berar anzueignen.[22] Das Kontingent von 7500 Mann (4 Kavallerie-Regimenter, 9 Bataillone Infanterie) wurde im Rahmen der Umorganisation 1902 in das indische Heer integriert.

Das Angebot des Fürsten, als die Angst vor einer russischen Invasion Britisch-Indiens ihren Höhepunkt erreichte, persönlich an der Verteidigung der Grenze im Nord-Westen teilzunehmen und 60.0000 £ zu tragen, gab 1886 den Anstoß zur Schaffung der Imperial Service Troops, zu denen auch andere Fürsten Kontingente abstellten. 1913 stellte Hyderabad 8 Offiziere und 688 Mann.

Sechs Meilen von Hyderabad befand sich auf 50 km² Secunderabad Cantonement, wo in Friedenszeiten etwa 7000 Mann des britisch-indischen Heeres stationiert waren.

Siehe auch

Literatur

Bibliografie: Omar Khalidi: Haydarabad State under the Nizams, 1724–1948. Wichita, Kan. 1985; Sert.: Haydarabad Historical Society: Monograph series, 2; ISBN 0-930811-00-3

  • U. Aitchison; A collection of treaties, engagements, and sunnuds relating to India and neighbouring countries. Calcutta 1876, Band V
  • H. G. Briggs: The Nizam. London 1861 (2 Bde.), Delhi 1985
  • K.Chandraiah: Hyderabad – 400 Glorious Years. Hyderabad ²1998, openlibrary.org
  • Hastings Fraser: Our faithful ally, the Nizam. London 1865, Delhi 1985
  • Imperial Gazetteer of India, Provincial Series, Hyderabad State. 1909
  • S. Kesava Iyengar: Economic Investigations in Hyderabad State (1930–31). Hyderabad 1931 (Gov. Central Press), 5 Bde.
  • S. Kesava Iyengar: Rural Economic Enquieries in Hyderabad State (1949–51). Hyderabad 1951 (Gov. Central Press)
  • John Law: Modern Hyderabad (Deccan). Calcutta 1914
  • B. K. Narayana: Agricultural Development in Hyderabad State, 1900–1956. Secunderabad 1960
  • Muhammad A. Nayeem: History of postal administration in Hyderabad. Hyderabad 1970
  • Muhammad A. Nayeem: Nizam-British relations in postal communication and administration. Bombay 1969
  • Muhammad A. Nayeem: The splendour of Hyderabad: last phase of an oriental culture (1591–1948 A.D.). Bombay 1987
  • Margrit Pernau-Reifeld: Verfassung und politische Kultur im Wandel: der indische Fürstenstaat Hyderabad 1911–48. Stuttgart 1992, ISBN 3-515-06231-9 (engl. Delhi 2000)
  • L. B. Phatak: Religious Disabilities of Hindus in Hyderabad State. Secunderabad 1931
  • Prasad Rajendra: The Asif Jahs of Hyderabad: Their Rise and Decline. New Delhi 1984
  • D. R. Rao (Hrsg.): Misrule of the Nizam. Madras 1926
  • Khaja Abdul Gafoor Syed: Tribes, Tribal Warfare in Hyderabad. Hyderabad 1953 (Gov. Press)
  • Y. Yaikuntham (Hrsg.): People’s Movement in the Princely States. Delhi 2004, ISBN 81-7304-528-3 [Papiere eines Seminars 1994]
  • Zubeda Yazdani: The Seventh Nizam: the Fallen Empire. Cambridge 1985

Weblinks

 Commons: Hyderabad State – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Aitchison (1876), S. 188–201
  2. Aitchison (1876), S. 212–21
  3. Karen Leonard: Reassessing Indirect Rule in Hyderabad: Rule, Ruler, or Sons-in-Law of the State? Modern Asian Studies, Vol. 37, No. 2 (May, 2003), S. 363–79
  4. Andreas Birken: Philatelic Atlas of British India, CD-ROM, Hamburg 2004
  5. Aitchison (1876), S. 178–187
  6. Hyderabad Civil Service in der englischsprachigen Wikipedia
  7. a b c Imperial Gazetteer of India, Provincial Series, Hyderabad State; 1909
  8. vgl.: Pernau-Reifeld, Margrit; Reaping the Whirlwind: Nizam and the Khilafat Movement; Economic and Political Weekly, Vol. 34, No. 38 (Sep. 18-24, 1999), S. 2745–2751
  9. Bevor er Präsident wurde war er Mitglied des Executive Council von Bihar und Orissa gewesen. Protokollarisch stand er über sämtlichen Adligen und Sadar-ul-Mahams. Yaikuntham (2004), S. 51
  10. vgl.: Report of the Reforms Committee; Hyderabad 1938 (Gov. Printer)
  11. Karen Leonard: Banking Firms in Nineteenth-Century Hyderabad Politics; Modern Asian Studies, Vol. 15, No. 2 (1981), S. 177–201
  12. vgl. Opium in Hyderabad State. In: British Medical Journal Jan. 27, 1894.
  13. Titelgeschichte Time Feb. 22, 1937
  14. Yaikuntham (2004) S. 27 und relevante Bände Gazetteer sowie Volkszählungsdaten.
  15. Die Statistik wird noch dadurch verzerrt, dass im Lande ansässige Weiße, die alle zur Schule gingen, mitgezählt wurden.
  16. vgl. Nizam College in der englischsprachigen Wikipedia
  17. In Indien handelt es sich bei einem "College" um eine universitätsvorbereitende Bildungsanstalt der Sekundarstufe, die oft mit einer bestimmten Universität verbunden ist. Selbst dort war der Ausbildungsstandard miserabel. Die Aufnahmeprüfungen der Uni bestanden 1901: 18 von 112 (16 %), 1911: 2 von 26 (7 %) Kandidaten. Law (1914), S 114
  18. Law (1914), 104ff.
  19. vgl. Nizam's Guaranteed State Railway in der englischsprachigen Wikipedia
  20. Mike Davis: Late Victorian Holocausts;
  21. Golden Book of India, 1893
  22. Reginald Burton: A History of the Hyderabad Contingent; Calcutta 1905

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