- Marienkirche (Neubrandenburg)
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Die St. Marienkirche war die Hauptpfarrkirche der Stadt Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern und wurde 2001 zur Konzertkirche Neubrandenburg profaniert. Sie ist nicht nur ein herausragender Konzertsaal von internationalem Rang, sondern auch ein imposantes Zeugnis des norddeutschen Backsteinbaus. Insbesondere ihr Ostgiebel gilt in seiner Formvollendung als ein erster architektonisch-gestalterischer Höhepunkt der Backsteingotik und wirkte beispielgebend.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Mit dem Bau der St. Marienkirche wurde bald nach der Stadtgründung 1248 begonnen. Diesem ersten, wahrscheinlich als Holzkirche auf Feldsteinfundament errichteten Gebäude folgte um 1270 eine aus Granitquadern gemauerte Pfarrkirche. Die vier Joche des Chores der heutigen Kirche wurden Ende des 13. Jahrhunderts fertiggestellt. Ihr Hauptaltar wurde 1298 durch den Bischof von Havelberg geweiht. Das Kirchenschiff wurde zum Anfang, der Kirchturm im Laufe des 14. Jahrhunderts errichtet.
1523 wurde in Neubrandenburg der erste lutherische Prediger erwähnt, gut zwei Jahrzehnte später (1549) wechselte Mecklenburg im Zuge der Reformation vollständig zur evangelisch-lutherischen Konfession. Seither war die St. Marienkirche eine lutherische Kirche mit bis zu fünf Pfarrstellen, von denen aber meist nur zwei bis drei besetzt waren. Bis 1765 war Neubrandenburg zugleich Sitz des Superintendenten des Kirchenkreises Stargard. Der erste Superintendent war Erasmus Alberus, der 1552 durch Herzog Johann Albrecht I. zum Prediger berufen wurde. Er starb bereits 1553 und wurde vor dem Altar der Marienkirche begraben.[1]
1591 stürzte die Turmspitze bei einem Sturm herunter. Im Jahr 1614 wurde die Marienkirche Opfer eines Stadtbrandes. Im Dreißigjährigen Krieg richteten kaiserliche Truppen bei der Besetzung der Stadt 1631 in der Kirche ein fürchterliches Blutbad an. Erneut wurde der Turm 1655 beschädigt, diesmal durch Blitzschlag, wobei neben dem Geläut auch die Kirchturmuhr zerstört wurde. Verheerend wirkte sich der Stadtbrand von 1676 aus. Der ins Mittelschiff gestürzte Turm beschädigte das Gewölbe so stark, das es vollständig abgetragen werden musste. Die verarmte Stadt konnte sich nur eine behelfsmäßige Reparatur leisten und ließ das Gewölbe durch einen Bretterboden ersetzen. Gottesdienste waren erst ab 1694 wieder möglich.
Ihr heutiges Äußeres erhielt die Kirche im Zuge mehrjähriger Bauarbeiten ab 1832 unter Leitung von Friedrich Wilhelm Buttel. Die Einweihung erfolgte am 12. August 1841. Großherzog Georg dankte Buttel in einem Schreiben für diesen Bau "als eure bedeutendste Leistung, welche euch wahrhaft zur Ehre gereicht."[2]
Beim Brand der Neubrandenburger Innenstadt am 29. April 1945 brannte auch die Kirche bis auf die vier Außenwände und die Turmmauern vollständig aus. Der Anfangs geplante Wiederaufbau als Gotteshaus überstieg die Möglichkeiten der Gemeinde deutlich. Auch der Versuch, im Ostteil einen Einbau zu errichten, der als Gemeindehaus dienen sollte, wurde nicht realisiert.
Architektonische Beschreibung
Die Marienkirche war bis dahin eine neunjochige und dreischiffige Hallenkirche. Sie verfügte über ein rechtwinkliges Kreuzgewölbe und einen geraden Chorabschluss. Der frühere Gewölbescheitel im Mittelschiff befand sich in 18,5 Meter Höhe. Das Innere des Kirchenschiffes ist 22,4 Meter lang und 53,6 Meter breit. Die Stärke der Westwand liegt bei 4,7 Metern.
Das vorgeblendete, freistehende Maßwerk des zwischen 1292 und 1297 errichteten Ostgiebels ist eine filigrane Zusammenstellung von Wimpergen und Fialen und das Älteste der norddeutschen Backsteingotik. Der unbekannte Baumeister setzte erstmals eine Maßwerkarchitektur in Backstein um, die sich von hier im norddeutschen Raum verbreitete.
Umbau zur Konzertkirche
Nachdem Anfang der 1970er Jahre aufkommende Abrisspläne für die Kirchenruine verworfen waren, erwarb die Stadt Neubrandenburg 1975 die Liegenschaft und begann mit dem Wiederaufbau und Ausbau der Ruine als Konzerthalle und Kunstgalerie. Nach der Wiedervereinigung 1989/90 geriet der Wiederaufbau zunächst ins Stocken. Die bis dahin verfolgte Gestaltungskonzeption des Neubrandenburger Architekten Josef Walter wurde vom Bauministerium des Landes verworfen. Nach mehreren Architekturwettbewerben entschieden sich ein Preisgericht und dann die Neubrandenburger Stadtvertreter 1996 für einen deutlich kostengünstigeren Entwurf des finnischen Architekten Pekka Salminen. 2001 waren die Bauarbeiten abgeschlossen, am 13. Juli 2001 ging die neue Spielstätte mit einem feierlichen Eröffnungskonzert der Neubrandenburger Philharmonie in Funktion. Der neue Zuschauersaal umfasst 850 Plätze und verfügt über hervorragende akustische Verhältnisse. Der Wiederaufbau der Kirche hatte 31 Millionen DM gekostet, von denen die Stadt mehr als 20 Millionen DM selbst aufbrachte.
Mit der Wiedereröffnung erfolgte dann die Umbenennung zur „Konzertkirche Neubrandenburg“, die seitdem als einer der aufregendsten Konzertsäle in ganz Deutschland gilt. Sie ist die Stammspielstätte der Neubrandenburger Philharmonie, die hier jede Saison an die dreißig Konzerte gibt. Außerdem ist die Konzertkirche ein fester Spielort der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Viele international renommierte Künstler und Orchester waren hier bereits zu Gast, wie etwa Kent Nagano, Hélène Grimaud oder Alfred Brendel. Seit einigen Jahren findet hier im Sommer das „NB JOT“ statt, ein Jugendorchesterfestival, zu dem junge Musiker aus ganz Europa in Neubrandenburg zu Gast sind. Im Jahr 2011 war die Konzertkirche einer der zentralen Veranstaltungsorte des Bundeswettbewerbes „Jugend musiziert“ in Neubrandenburg und Neustrelitz. Außerdem wurden 2011 mit einem großen Festkonzert das zehnjährige Jubiläum der Neueröffnung der Konzertkirche und das 60-jährige Bestehen der Neubrandenburger Philharmonie gefeiert.
Weitere Projekte
In den Jahren seit der Wiedereröffnung wurden weitere Projekte für die Konzertkirche geplant und realisiert. So ist im Kirchturm seit 2003 eine Ausstellung des Neubrandenburger Regionalmuseums zur Geschichte der Backsteingotik in Neubrandenburg und Umgebung zu sehen. Im Jahr 2007 konnten fünf neue Kirchenglocken aus Bronze eingeweiht werden, die die alten verschlissenen Stahlglocken aus Kriegszeiten ersetzten. Für die Finanzierung dieses Projekts kamen innerhalb von zwei Jahren im Rahmen der Spendenaktion „Fünf Glocken für Neubrandenburg“ fast 220.000 Euro von Bürgern und Unternehmen der Stadt zusammen. Im Rahmen dieser Bauarbeiten wurde auch die Außenbalustrade des Turms für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit 2009 zeigt eine multimediale 360°-Projektion im Turm-Octagon oberhalb der Glockenstube das historische Stadtbild von Neubrandenburg um 1900, anhand dessen die Sehenswürdigkeiten und historischen Gebäude der Stadt erläutert werden. Seit mehreren Jahren laufen außerdem Spendenaktionen zur Finanzierung des Einbaus einer großen Orgel im Konzertsaal.
Eine Besichtigung des Konzertsaals, der Ausstellungen und des neuen Glockenstuhls sowie ein Aufstieg bis zur Außenbalustrade des Kirchturms mit einem Ausblick auf ganz Neubrandenburg ist an veranstaltungs- und probenfreien Tagen möglich.
Literatur
- Jacob Friedrich Roloff: Erinnerungen an Friedrich Wilhelm Buttel. Commissionsverlag Gustav Lange, Berlin 1870
- Volker Schmidt: Neubrandenburg. Ein historischer Führer. Hinstorff, Rostock 1997, ISBN 3-356-00726-2, S. 85–87.
Anmerkungen
- ↑ Volker Schmidt: Neubrandenburg. Ein historischer Führer. S. 21
- ↑ Roloff: Erinnerungen an F. W. Buttel. Seite 14
Weblinks
Commons: Marienkirche (Neubrandenburg) – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Literatur über Marienkirche (Neubrandenburg) in der Landesbibliographie MV
- Homepage der Konzertkirche, Veranstaltungstermine, Führungen etc.
- Homepage der Neubrandenburger Philharmonie, Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz
- Fotogalerie Marienkirche
53.55555555555613.260277777778Koordinaten: 53° 33′ 20″ N, 13° 15′ 37″ OKategorien:- Kirchengebäude in Neubrandenburg
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