Martin Majoor

Martin Majoor

Martin Majoor (* 14. Oktober 1960 in Baarn, Niederlande) ist ein niederländischer Schriftentwerfer und Typograf.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Martin Majoor beschäftigt sich bereit seit Mitte der 80er Jahre mit Schriftgestaltung. Während dem Studium an den Hochschulen für Künste in Arnheim (1980-1985), arbeitete Majoor bei URW in Hamburg, wo er eingeführt wurde in das erste digitalen Schriftsystems IKARUS. Serré aus 1984 war seine erste digitalisierte Schrift. 1986 begann er seine berufliche Laufbahn als typografischer Gestalter in der Abteilung Forschung und Entwicklung bei Océ in den Niederlanden. Hier beschäftigte er sich mit Bildschirm-Typografie und der Entwicklung digitaler Schriften für Laserdrucker.

1988 nahm er die Stelle eines Grafikdesigners am Muziekcentrum Vredenburg in Utrecht an. Das Grafikbüro der Konzerthalle verwendete als eines der ersten in den Niederlanden einen Computer für die Herstellung ihrer Drucksachen. Weil die 16 Schriften, die es damals fürs Desktop Publishing gab, weder Mediävalziffern noch Kapitälchen oder Ligaturen enthielten, entschloss sich Majoor dazu, selbst eine Schrift zu entwerfen. Tatsächlich war seine Scala dann eine der ersten Mac-Schriften mit all diesen Eigenschaften. Im Jahr 1991 kam FF Scala als erste Textschrift der neu gegründeten FontFont-Bibliothek auf den Markt, herausgegeben von FSI FontShop International. Zwei Jahre später wurde Scala mit einer serifenlosen Version ergänzt, die Scala Sans.

1994 bekam Martin Majoor das Angebot, zusammen mit Jan Kees Schelvis das neue Telefonbuch der niederländische PTT (jetzt KPN) zu gestalten. Er entwarf nicht nur die Typografie der Innenseiten, sondern entwickelte hierfür eine neue serifenlose Schrift. Er entschloss sich für zwei Versionen des Telefonts, Telefont List für die klein gesetzten Namen im Hauptteil des Nachschlagewerks und die Telefon Text für den Informationsteil im vorderen Bereich, natürlich wieder mit Kapitälchen und Mediävalziffern.

FF Scala Jewel, ein Satz vier dekorativer Varianten, entstand 1996. Majoor bewertet diese Kuriosität als Reaktion auf den umfangreichen Telefonbuch-Job und die damit verbundene, sachliche Arbeit. Zwei Jahre später wurde die Scala-Familie mit 13 neuen Versionen ausgebaut, darunter Light, Black und Condensed.

Die FF Seria-Familie – ein große Schriftfamilie mit serif und serifenlose Versionen – wurde im Jahren 1996-2000 entworfen. Er bekam dafür zwei internationale Preise, einen der International Typographic Awards 2001 in London, den anderen von ATypI Type Design Competition Bukva:raz! in Moscow.

Die FF Nexus kam Oktober 2004 bei FontShop International als erster OpenType-Font auf den Markt. Es ist eine Schriftsippe mit serif, serifenlose und slabserif Versionen, alle miteinander verbunden. Es gibt auch zwei elegante Swash-Versionen und ein Schreibmaschinenvariante. 2006 bekam er in London für Nexus die Creative Review Type Design Award in der Kategorie "Text Families".

Martin Majoor lehrte von 1990 bis 1996 an den Hochschulen für Künste in Arnheim und Breda. Heute unterrichtet er Schriftentwurf in Warschau. Er gab Vorlesungen in Antwerpen, Paris, San Francisco, Barcelona, Berlin, Warschau und Stockholm. Seine Arbeiten waren auf Ausstellungen in New York, Frankfurt, Köln und Paris zu sehen. Einige seiner Bücher wurden für ihre exzellente Typografie ausgezeichnet. Seit 1997 arbeitet Majoor als Buchgestalter und Schriftentwerfer in Arnheim und Warschau.

Schriften von Martin Majoor

  • FF Scala
  • Telefont
  • FF Seria
  • FF Nexus
  • FF Sada (in Zusammenarbeit mit Pascal Zoghbi)

FF Scala

Schriftbeispiel der FF Scala
Schriftbeispiel der FF Scala Sans

Martin Majoor begann 1987 mit dem Design der Scala. Er arbeitete zu dieser Zeit als Grafikdesigner für das Musikzentrum Vredenburg in Utrecht, welches eines der ersten Büros war, das mit Desktop-Publishing-Systemen arbeitete. Keine der ihm dort zur Verfügung stehenden 16 vorhandenen PostScript-Schriften beinhaltete Mediävalziffern, Kapitälchen oder Ligaturen, die er jedoch für seine Arbeit benötigte. Er entschloss sich, eine eigene Schrift für seinen Arbeitgeber zu gestalten, die seinen Ansprüchen genügte.[1]

Er benannte die Schrift nach dem berühmten Opernhaus Teatro alla Scala in Mailand. Drei Gründe waren hierfür ausschlaggebend: das zu dieser Zeit bei Opernaufführungen sehr aktive Konzerthaus seines Arbeitgebers, die historischen Wurzeln des berühmten Vorbilds, die wie die seiner Schrift ins 18. Jahrhundert reichen, sowie die weitere Bedeutung des Wortes Scala (Spektrum). Damit wollte Majoor auf den Umfang der Schriftsippe hinweisen, die sowohl eine Antiqua- als auch eine serifenlose Version umfasst, jeweils in Schriftschnitten von Light bis Black und sich sowohl für förmliche als auch für dekorative typografische Gestaltungsaufgaben eignet.[2]

Die FF Scala ist eine serifenbetonte Renaissance-Antiqua, die 1990 als erste Textschrift des gerade neu gegründeten FontFont-Labels veröffentlicht wurde und seitdem weiter ausgebaut wurde, zuletzt im Rahmen der OpenType-Konvertierung. Wie viele zeitgenössische holländische Antiquas ist sie kein Revival einer einzelnen historischen Schrift, sondern zeigt Einflüsse verschiedener Vorbilder. Martin Majoor ließ sich beim Design von humanistischen Schriftarten wie der Bembo und von Schriften des französischen Typografen Pierre Simon Fournier des mittleren 18. Jahrhunderts beeinflussen. Im Gegensatz zu diesen Vorbildern bemühte er sich jedoch um einen schwächeren Kontrast und stärkere Serifen, da die meisten PostScript-Fonts seiner Ansicht zu dünn waren. Die Wurzeln der Kursiven der FF Scala sind noch älteren Ursprungs, sie sind inspiriert von Arbeiten des italienischen Schriftgestalters Ludovico Vicentino degli Arrighi (1475–1527).[3]

Die FF Scala Sans ist eine humanistische (dynamische) serifenlose Linear-Antiqua mit Renaissance-Charakter, die 1993 als Pendant zur Serifenversion veröffentlicht wurde. Bei der Gestaltung wurden die Endstriche der FF Scala abgetrennt und ihr Kontrast angepasst. Sie basiert weiterhin auf der gleichen Grundform, so dass beide Familien gut kombiniert eingesetzt werden können. Das machte die Schriftsippe bei Grafikdesignern und Schriftsetzern sehr beliebt und sorgte für eine weite Verbreitung, gab es doch wenige digital verfügbare Familien, die derart gut ausgebaut und für den digitalen Schriftsatz optimiert waren. Auch die FF Scala Sans besitzt echte Kapitälchen, verschiedene Ziffernformen und zahlreiche Ligaturen.

1997 wurde zudem eine dekorative Sonderform von Großbuchstaben veröffentlicht, die FF Scala Jewels. Sie ist beeinflusst von holländischen dekorativen Versalien aus dem Barock.

FF Seria

“FF Seria ist die zweite große Schriftfamilie des Entwerfers Martin Majoor, der 1991 seine FF Scala herausbrachte. Diese konzipierte Majoor als ‘typografisches Arbeitstier’, mit einer stämmigen Grundform, perfekt für alle Anforderungen des Mengensatzes gerüstet. Wegen ihrer untersetzten Geometrie, vor allem den geringen Unter- und Oberlängen, eignet sich Scala weniger für Texte, die gestalterische Anmut verlangen, zum Beispiel Poetisches, Urkunden und alle gehobene Drucksachen.

Majoor erwägte zunächst, für diese Ansprüche eine spezielle Version der Scala abzuleiten, erkannte aber schnell, dass nur ein Neuentwurf zu einer brauchbaren Werkschrift führen kann. Die ersten Skizzen für Seria fertigte er im Sommer 1996 an, im Zug von Berlin nach Warschau. Es war der 25. Juli 1996, wie ein Vermerk in der rechten unteren Ecke jener Serviette verrät, die Majoor in Ermangelung an Zeichenpapier zweckentfremdete.

Typisch für FF Seria sind die extrem große Ober- und Unterlängen, was automatisch eine kleine Mittellänge nach sich zieht. Sie folgt hierin der Tradition zweier wenig verbreiteter Vorbilder, nämlich der Centaur von Bruce Rogers oder der Trinité von Bram de Does.

Die aufrechte Kursive, die im Font »Italic« heisst, ist wahrscheinlich die ausgefallenste Eigenschaft der FF Seria. Vor allem bei serifenlose Schrift ist eine gerade stehende Kursive einzigartig.

Eine Eigenschaft, die einen Schriftentwurf wirklich zweckmäßig macht, ist die Kompatibilität zweier aufeinander abgestimmter Zeichensätze innerhalb einer Familie: eine mit und eine ohne Serifen. Vor allem bei der Buchgestaltung gelingt es häufig, beide Varianten auf eine intelligente und überraschende Art zu kombinieren. So lag es nahe, für Seria von Anfang einen Doppelentwurf zu planen.

Die Serifenlose wird dabei von der Form der Serifenschrift abgeleitet; den umgekehrten Weg hält Martin Majoor für nicht praktikabel. Diese Reihenfolge zieht automatisch einen anderen Charakter nach sich, als man es von berühmten serifenlosen Schriften wie der Syntax oder Gill gewohnt ist. Da sie nicht auf dem vorgegebenen Antiqua-Modell basieren, profitieren sie nicht von deren humanistischen Charakter. Dies macht sich vor allem bei den hybriden Kursiven bemerkbar, die teilweise der Charakter geneigter »Roman« aufweisen.

Die 1999 erschienene FF Scala Sans war eine der ersten serifenlosen Schriften, die nach humanistischen Prinzipien konstruiert wurde; auch die Sans Italic war glasklar abgeleitet von der kursiven Handschrift. Die Grundschrift enthält zudem Mediävalziffern, was damals noch ungewöhnlich war. FF Seria Sans ist, genau wie FF Scala Sans, konsequent von der Serifen-Version abgeleitet. Dies sieht man vor allem auch der kursiven Version an, die – statt nur schräg gestellt – eindeutig handgeschriebene Züge aufweist, so dass man mit Recht von einer “echten Kursiven« sprechen kann.

Seria und Seria Sans wurden als ernsthafte Textschriften entworfen, das heißt: sie überzeugen mit ausgeklügelten typografischen Eigenschaften. Es gibt Kapitälchen, drei Arten von Ziffern (Mediävalziffern, Tabellenziffern oder »lining figures« und Mediävalziffern mit unterschiedliche Zeichenbreiten). Auch gibt es verschiedene f-Ligaturen.

FF Nexus

Das gleiche Prinzip, das schon FF Scala und FF Seria zu Grunde liegt, lasse sich auch bei FF Nexus (2004) beobachten: “Die Serifen- und die serifenlose Version einer Schrift sollten sich die Hand reichen, sie sollten miteinander harmonieren und kooperieren.” Der Name der neuen Schrift ist Programm: Nexus ist der lateinische Ausdruck für “Zusammenhang, Verbindung, Verknöpfung.” Und tatsächlich hat Majoor sein Prinzip weiterentwickelt. Im Gegensatz zu Scala und Seria umfasst die Nexus-Schriftfamilie nicht nur eine Serifen- und eine serifenlose Version, sondern auch zwei weitere: FF Nexus Mix und FF Nexus Typewriter. Die Nexus-Schriftfamilie eigne sich daher besonders gut zur Darstellung des gleichen Textes in unterschiedlichen Sprachen.

Auszeichnungen

  • 1994 - Ermutigungspreis Grafische Gestaltung 1994. Amsterdam Kunst Fonds für die Scala Familie.
  • 1995 - Preis Beste Bücher 1995 für “Adieu æsthetica & mooie pagina’s!” über Jan van Krimpen.
  • 2001 - Preis International Typographic Awards in London für die Seria Familie.
  • 2001 - Preis ATypI Type Design Competition Bukva:raz! in Moscow für die Seria Familie.
  • 2006 - Preis Creative Review Type Design Award für die Nexus Familie im kategorie Text Families.

Siehe auch

Literatur

  • Lupton, Ellen. Graphic Design and Typography in the Netherlands: A View of Recent Work. Princeton Architectural Press: 1992. ISBN 1-878271-62-8.
  • Friedl, Frederich, Nicholas Ott und Bernard Stein. Typography: An Encyclopedic Survey of Type Design and Techniques Through History. Black Dog & Leventhal: 1998. ISBN 1-57912-023-7.
  • Bringhurst, Robert. The Elements of Typographic Style. Hartley & Marks: 1992. ISBN 0-88179-033-8.
  • Middendorp, Jan: Dutch Type, 010 Publishers: 2004, ISBN 978-90-6450-460-0
  • Lupton, Ellen. Thinking with Type: A critical guide for designers, writers, editors, & students. Princeton Architectural Press: 2004. ISBN 1-56898-448-0.
  • Spiekermann, Erik; Middendorp, Jan: Made with FontFont, Book Industry Services (BIS): 2006, ISBN 978-9063691295
  • Thi Truong, Mai-Linh; Siebert, Jürgen; Spiekermann, Erik: FontBook – Digital Typeface Compendium, FSI FontShop International: 2006, ISBN 978-3-930023-04-2

Referenzen

  1. Types And Characters - MartinMajoor (englisch; PDF-Datei; 2,4 MB)
  2. Schriftart Scala
  3. Typotheque: My Type Design Philosophy by Martin Majoor

Weblinks



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