Mathilde von Tuscien

Mathilde von Tuscien
Mathilde von Tuszien (rechts), mit Abt Hugo von Cluny und Kaiser Heinrich IV,
aus Cod. Vat. lat. 4922 (1115).

Mathilde von Tuszien (auch Tuscien oder Toskana), auch Matilda oder Mathilde von Canossa genannt, (* wohl 1046; † 24. Juli 1115 in Bondeno di Roncore) war Markgräfin auf der Burg Canossa im Emilia-Romagna Apennin, 18 Kilometer südlich von Reggio nell'Emilia. Hier trat im Februar 1077 König Heinrich IV. Papst Gregor VII. entgegen, um die Lösung vom Kirchenbann zu erreichen.

Leben

Ihr Vater war Markgraf und Herzog Bonifaz von der Toskana (Bonifatius von Canossa), Fürst von Reggio, Modena, Mantua, Brescia, und Ferrara, also eines großen Gebietes zu beiden Seiten des Apennin, dessen Schwerpunkt in der Toskana lag. Ihre Mutter war Beatrix von Lothringen, eine Tochter des Herzogs Friedrich II. von Lothringen und der Mathilde von Schwaben. Sie war das jüngste Kind. Ihr Vater wurde 1052 ermordet, ihre älteren Geschwister starben kurz darauf. Mathilde erbte die Länder ihres Vaters, stand aber wegen ihrer Minderjährigkeit unter der Regentschaft ihrer Mutter Beatrix.

Im Frühjahr 1054 heiratete Beatrix ihren Cousin Gottfried den Bärtigen, der Herzog von Niederlothringen war, bis er gegen Kaiser Heinrich III. († 1056) rebellierte und abgesetzt wurde – eine Ehe, die im Investiturstreit wesentlich wurde, da Beatrix und Gottfried sich in dem Streit auf die päpstliche Seite stellten: Gottfrieds Bruder Friedrich wurde als Stephan IX. Papst (1057–1058), die folgenden Päpste Nikolaus II. (1058–1061) und Alexander II. (1061–1073) stammten aus der Toskana.

Nach Gottfrieds Absetzung wurden Beatrix und ihre Tochter 1055/56 als Geiseln nach Deutschland gebracht, da der Kaiser seiner nicht habhaft werden konnte. Nach der Aussöhnung 1056 konnte Gottfried wieder über die Besitzungen seiner Stieftochter Mathilde verfügen, übernahm dann selbst nicht nur die Regentschaft in den Gebieten seiner Stieftochter, sondern nahm auch die Titel an und behielt sie bis zu seinem Tod im Dezember 1069. Jetzt endlich konnte Mathilde in eigener Verantwortung die Nachfolge ihres Vaters antreten, regierte aber dennoch gemeinsam mit ihrer Mutter als Mitregentin, bis diese 1076 starb.

Etwa um die Zeit, als ihr Stiefvater starb, zwischen November 1069 und April 1070, wurde Mathilde mit dessen Sohn Gottfried IV., genannt der Bucklige († 1076), verheiratet, der nach dem Tod seines Vaters die Regierung in Lothringen antrat. Bereits kurze Zeit nach der Eheschließung, Ende 1071, verließ Mathilde ihren Mann und lebte von ihm getrennt auf ihren Gütern in Italien. Nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Mutter regierte sie ihre weitläufigen Besitzungen in der Toskana und der Po-Ebene allein, wobei sich an der Treue dem Papst gegenüber (seit 1073 war dies Gregor VII. (1073–1085)), die ihre Mutter und ihr Stiefvater gezeigt hatten, nichts änderte.

Eine ihrer wichtigsten Burgen, der Stammsitz ihrer Vorfahren, war Canossa. Dorthin zog Heinrich IV. von Speyer mit seiner Gemahlin Bertha von Turin als Büßer, wo er auf den Papst traf. Vom 25. bis zum 27. Januar 1077 harrte er vor den Toren der Burg barfuß im Schnee aus. Am 28. Januar hob Gregor VII., hauptsächlich auf Vermittlung der Mathilde von Tuszien, den Kirchenbann auf. Die Absetzung allerdings nahm der Papst nicht zurück, und so wurde am 15. März Rudolf von Schwaben von den deutschen Fürsten zum Gegenkönig gewählt. Der Gang nach Canossa wurde ein wichtiger Meilenstein im Investiturstreit.

Um 1090 heiratete sie – auf Wunsch des Papstes Urban II. (1087–1099) – über 40jährig den 16jährigen Welf V. aus dem Geschlecht der Welfen, den ältesten Sohn des geächteten Herzogs Welf IV. von Bayern, um diese Familie noch enger an die päpstliche Sache zu fesseln. Indessen lebte sie auch von Welf meist, zuletzt ganz, getrennt – eine Scheinehe, die dadurch belastet wurde, dass Mathilde bereits 1079 den Papst als ihren Erben eingesetzt hatte, und der erwartete Machtzuwachs in Italien für den Bayern dadurch in weite Ferne rückte.

Die Heirat zwischen Mathilde und Welf V. veranlasste den Sohn Heinrichs IV., den späteren König und Kaiser Heinrich V., nach Italien zurückzukehren. Mathilde musste in die Berge fliehen, Heinrich konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Als sich Welf V. 1095 von Mathilde trennte, wurde der Weg frei zur Versöhnung zwischen Welf IV. und Heinrich IV., der die Rückgabe Bayerns an Welf IV. folgte.

Den ihr allgemein gegebenen Namen der „großen Gräfin“ verdankt sie ebenso ihrer Macht wie ihren glänzenden Geistesgaben und ihrer hohen Bildung. Sie besaß die Toskana, Mantua, Parma, Reggio, Piacenza, Ferrara, Modena, einen Teil von Umbrien, das Herzogtum Spoleto, den Kirchenstaat von Viterbo bis Orvieto und einen Teil der Mark Ancona, welche Besitzungen teils Allodien, teils Reichslehen waren. Ihre Regierung war gerecht und mild, ihr Hof glänzend. Sie setzte alle ihre Kräfte daran, um die hierarchischen Herrschaftspläne von Papst Gregor VII. verwirklichen zu helfen. Bereits 1077 gewährte sie dem Papst auf ihrem Schloss Canossa eine Zuflucht, stand ihm 1081 gegen den Kaiser bei und unterstützte ihn mit Geld, als er in Rom eingeschlossen war.

1094/94 schenkte sie den Ort Deidesheim in der Pfalz dem Kloster Sankt-Blasien im Schwarzwald, 1096 stiftete sie das Kloster Pierremont bei Metz. Für ihren übrigen allodialen Besitz hatte sie schon 1079 für Fall ihres kinderlosen Ablebens den Papst zum Erben ernannt; 1099 adoptierte sie Graf Guido Guerra aus Tuscien als Markgraf von Tuscien, erneuerte dann 1102 die Begünstigung der Kirche, und setzte schließlich 1111 Kaiser Heinrich V. zum Erben ein (im gleichen Jahr wurde sie zur Vertreterin des Kaisers in Ligurien ernannt), was zu langen Streitigkeiten Veranlassung gab. Der Kaiser beanspruchte ihre Güter (Mathildische Erbschaft) als heimgefallene Reichslehen, Papst Paschalis II. jedoch als ihm durch Testament zugefallen und Welf nahm sie als Gatte der Verstorbenen in Anspruch. Man verglich sich endlich dahin, dass der Kaiser den größeren Teil der Mathildischen Güter an die Kirche abtrat.

Mathilde starb in Bondeno di Roncore und wurde in dem von ihr reich beschenktem Kloster San Benedetto di Polirono in San Benedetto Po beerdigt. Im Jahre 1615, also genau 500 Jahre nach ihrem Tode, wurden ihre Gebeine auf Anordnung des Papstes Urban VII. in den Petersdom übertragen.

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