- Medizingerät
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Medizinprodukt bezeichnet einen Gegenstand, der zu medizinischen Zwecken für Menschen verwendet wird, wobei die Wirkung im Unterschied zu Arzneimitteln primär physikalisch erfolgt.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzliche Definition
EU-Definition
Medizinprodukte im Sinne der Richtlinie 93/42/EWG sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe oder anderen Gegenstände, einschließlich der für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung beim Menschen für folgende Zwecke bestimmt sind:
- Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten;
- Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen;
- Untersuchung, Ersatz oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs;
- Empfängnisregelung
und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.
Zubehör zu einem Medizinprodukt ist ein: Gegenstand, der selbst kein Produkt ist, sondern nach seiner vom Hersteller speziell festgelegten Zweckbestimmung zusammen mit einem Produkt zu verwenden ist, damit dieses entsprechend der vom Hersteller des Produkts festgelegten Zweckbestimmung des Produkts angewendet werden kann.
Ein Aktives Medizinprodukt ist ein Medizinprodukt, dessen Betrieb von einer Stromquelle oder einer anderen Energiequelle (mit Ausnahme der direkt vom menschlichen Körper oder durch die Schwerkraft erzeugten Energie) abhängig ist. Ein Produkt, das zur Übertragung von Energie, Stoffen oder Parametern zwischen einem aktiven Medizinprodukt und dem Patienten eingesetzt wird, ohne dass dabei eine wesentliche Veränderung von Energie, Stoffen oder Parametern eintritt, wird nicht als aktives Medizinprodukt angesehen.
Eine Sonderanfertigung ist jedes Produkt, das nach schriftlicher Verordnung eines Arztes nach spezifischen Auslegungsmerkmalen eigens angefertigt wird und zur ausschließlichen Anwendung bei einem namentlich genannten Patienten bestimmt ist. Serienmäßig hergestellte Produkte, die angepasst werden müssen, um den spezifischen Anforderungen des Arztes oder eines anderen berufsmäßigen Anwenders zu entsprechen, gelten nicht als Sonderanfertigungen.
Medizinprodukte aus In-Haus-Herstellung sind Medizinprodukte einschließlich Zubehör, die in einer Gesundheitseinrichtung hergestellt werden, um in der Betriebsstätte oder in Räumen in unmittelbarer Nähe der Betriebsstätte angewendet zu werden, ohne dass sie in Verkehr gebracht werden (Übertragung auf einen anderen Rechtskörper gilt als Inverkehrbringen) oder die Voraussetzungen einer Sonderanfertigung erfüllen. Medizinprodukte aus In-Haus-Herstellung müssen den Grundlegenden Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 93/42/EWG entsprechen und der Hersteller muss vor Inbetriebnahme bzw. Anwendung an Patienten ein Konformitätsbewertungsverfahren nach der Richtlinie 93/42/EWG bzw. dem MPG durchführen (lediglich die CE-Kennzeichnung und die Einbindung einer Benannten Stelle sind nicht erforderlich). Die In-Haus-Herstellung gibt es nur im deutschen Medizinproduktegesetz. Sie ist nicht in der Richtlinie 93/42/EWG verankert.
Medizinprodukte unterscheiden sich von Arzneimitteln (Richtlinie 65/65/EWG) dadurch, dass ihre bestimmungsgemäße Hauptwirkung überwiegend auf physikalischem Weg erreicht wird (siehe auch Produktabgrenzung).
Aktive implantierbare medizinische Geräte (z.B. Herzschrittmacher) werden durch die EU-Richtlinie 90/385/EWG, In-vitro-Diagnostika durch die IVD-Richtlinie 98/79/EG geregelt. Sie sind ebenfalls Medizinprodukte, aber nicht im Sinne der Richtlinie (93/42/EWG); sie werden in Deutschland und Österreich ebenfalls durch das jeweilige nationale Medizinproduktegesetz geregelt.
keine Medizinprodukte sind
- Feste nicht wiederverwendbare Einheiten mit einem Arzneimittel (Arzneimittelkit)
- Kosmetische Mittel (Richtlinie 76/768/EWG)
- Persönliche Schutzausrüstung (Richtlinie 89/686/EWG)
- Menschliches Blut, Blutprodukte, Plasma oder Blutzellen menschlichen Ursprungs (ausgenommen Blutderivate)
- Transplantate, Gewebe, Zellen menschlichen Ursprungs oder Produkte dieses Inhalts oder dieses Ursprungs
- Transplantate, Gewebe, Zellen tierischen Ursprungs, (ausgenommen Produkte aus abgetötetem tierischen Gewebe)
- Nationale Ausnahmen
- Alles, was eigentlich ein Medizinprodukt wäre (z.B. chirurgische Geräte), aber zur Anwendung bei Tieren bestimmt ist (gelten nicht als Medizinprodukt, sondern als Tierarzneimittel)
Nationale Ausnahmen
Jede nationale Gesetzgebung hat das Recht, z.B. aus Sicherheitsgründen, bestimmte Medizinprodukte zu Arzneimitteln zu erklären (siehe auch Produktabgrenzung). Nicht möglich ist es dagegen, nur ein bestimmtes Medizinprodukt national anders als nach den EU-Richtlinien zu behandeln.
In den meisten Ländern gelten Mundpflegemittel (Zahnpaste, Zahnbürste & Co) als Kosmetika, obgleich sie der Definition der Medizinprodukte entsprechen.
Deutsche Ausnahmen
Kontrastmittel gelten nach deutschem Arzneimittelgesetz (AMG) als Arzneimittel.
Österreichische Ausnahmen
Natürliche mineralische Vorkommen gelten in Österreich nicht als Medizinprodukte.
Ausnahmen in Irland
Kontrazeptiva gelten in Irland aus moralischen Gründen nicht als Medizinprodukte
Ausnahmen in Schweden
Mundpflegemittel gelten in Schweden als Arzneimittel.
Einteilung
Man unterscheidet bei Medizinprodukten grundsätzlich zwischen aktiven und nicht aktiven Medizinprodukten, wobei man unter aktiven Medizinprodukten energetisch betriebene Geräte, wie Defibrillatoren, Beatmungsgeräte oder EKG-Schreiber versteht, und nicht aktive Medizinprodukte zum Beispiel Instrumente, Optiken, Nahtmaterialien oder Verbandsstoffe sind.
Zudem gibt es eine Einteilung in vier Klassen: I, IIa, IIb und III (je nach Risiko bei der Anwendung). Darüber hinaus gibt es noch die Unterklassen Is (sterile Klasse I Produkte) und Im (Klasse I Produkte mit Messfunktion).
Eine Hilfe zum Umgang mit dem komplexen Regelwerk bieten die (nicht verbindlichen) Guidelines der EU, welche in Form der MEDDEV-Guidelines in Englisch vorliegen. (z.B. 2.4 Klassifizierung von Medizinprodukten Part1 und Part2)
Risikoklassifizierung
Die Medizinprodukteklasse laut Medizinproduktegesetz orientiert sich am durch die Anwendung des Produktes entstehenden Risiko und wird während des Zulassungsprozesses festgelegt. Diese Klassifizierung hat im weiteren Verlauf wesentlichen Einfluss auf den Zertifizierungsprozess (in der Sprache des Gesetzgebers: "Art der Konformitätserklärung").
Kriterien und Unterscheidungsmerkmale für die Einteilung in 4 Risikoklassen sind:
- Dauer der Anwendung (bis 60 Minuten, bis 30 Tage, länger als 30 Tage)
- Grad der Invasivität (invasiv, chirurgisch invasiv, implantierbar)
- Wiederverwendbares chirurgisches Instrument
- Aktives Medizinprodukt (Aktives therapeutisches Medizinprodukt / Aktives diagnostisches Medizinprodukt)
- Anwendung am zentralen Kreislaufsystem
- Anwendung am zentralen Nervensystem
- Verwendung von biologischem Material aus Tieren oder Menschen
Die Klassen sind EU-weit durch den Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG festgelegt:
- Klasse I
- Keine methodische Risiken
- geringer Invasivitätsgrad
- kein oder unkritischer Hautkontakt
- vorübergehende Anwendung ≤ 60 Minuten
- Klasse IIa
- Anwendungsrisiko
- mäßiger Invasivitätsgrad
- kurzzeitige Anwendungen im Körper (im Auge, intestinal, in chirurgisch geschaffenen Körperöffnungen)
- kurzzeitig ≤ 30 Tage, ununterbrochen oder wiederholter Einsatz des gleichen Produktes
- Klasse IIb
- Erhöhtes methodisches Risiko
- systemische Wirkungen
- Langzeitanwendungen
- nicht invasive Empfängnisverhütung
- langzeitig ≥ 30 Tage, sonst wie bei kurzzeitig
- Klasse III entspricht hohem Gefahrenpotential
- Besonders hohes methodisches Risiko
- zur langfristigen Medikamentenabgabe
- Inhaltsstoff tierischen Ursprungs und im Körper
- unmittelbare Anwendung an Herz, zentralem Kreislaufsystem oder zentralem Nervensystem
- invasive Empfängnisverhütung und natürlich invasive Empfängnisverhütung
Für die Bewertung von Risiken gilt bei Einhalten der harmonisierten Norm ISO 14971:2007 die Konformitätsvermutung. Wird diese Norm nicht eingehalten, ist die Gleichwertigkeit der gewählten Lösung mit der harmonisierten Norm nachzuweisen.
Die Regeln zur Klassifizierung sind detailliert im Anhang IX der EU-Richtlinie 93/42/EWG festgelegt. Die Anwendung der Klassifizierungsregeln richtet sich nach der Zweckbestimmung der Produkte (und liegt daher in der Verantwortung des Herstellers).
Beispiele
Einige konkrete Beispiele für Medizinprodukte sind:
Klasse I Klasse IIa Klasse IIb Klasse III - ärztliche Instrumente
- Gehhilfen
- Rollstühle
- Spitalbetten
- Stützstrümpfe
- Verbandmittel
- wiederverwendbare chirurgische Instrumente
- Dentalmaterialien
- Desinfektionsmittel (für Instrumente und Geräte)
- diagnostische Ultraschallgeräte
- Einmalspritzen
- Hörgeräte
- Kontaktlinsen
- Reinigungsdesinfektionsautomaten
- Trachealtuben
- Zahnkronen
- Anästhesiegeräte
- Beatmungsgeräte
- Bestrahlungsgeräte
- Blutbeutel
- Defibrillatoren
- Dialysegeräte
- Kondome
- Kontaktlinsenreiniger
- Dentalimplantate
- PACS
- Herzkatheter
- künstliche Gelenke
- Stents
- resorbierbares chirurgisches Nahtmaterial
- Intrauterinpessar (Spirale)
- Brustimplantat
Es ist jedoch zu beachten, dass weder durch die EU-Richtlinien noch durch die nationale Gesetzgebung eine derartige Klassifizierung von Medizinprodukten vorgenommen wird, da jeweils im Einzelfall, bezugnehmend auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch (“intended use”), die Klassifizierung durchzuführen ist.
Gesetzliche Regelungen
Umsetzung in nationale Gesetze
In jedem Land der Europäischen Union und assoziierten Ländern wurde die EU-Richtlinie per nationaler Gesetze umgesetzt:
Qualitative Regelungen zu Medizinprodukten trifft das Medizinprodukterecht. In Deutschland und Österreich ist die EU-Richtlinie durch das nationale Medizinproduktegesetz (MPG) umgesetzt, in der Schweiz sind Medizinprodukte durch das Heilmittelgesetz (welches sich stark an die EU-Richtlinien anlehnt) geregelt.
Konformitätsbewertungsverfahren
Für den Erhalt einer Zulassung eines neuen Medizinproduktes für das erstmalige Inverkehrbringen (Import, Vertrieb etc.) sind umfangreiche Prüfungen durchzuführen:
Gemäß § 6 Abs. 1 MPG dürfen Medizinprodukte, mit Ausnahme von Sonderanfertigungen, Medizinprodukte aus In-Haus-Herstellung, Medizinprodukte gemäß § 11 Abs. 1 (Sondervorschriften im Interesse des Gesundheitsschutzes) sowie Medizinprodukte, die zur klinischen Prüfung oder In-vitro-Diagnostika, die für Leistungsbewertungszwecke bestimmt sind, in Deutschland nur in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn diese mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind. (Die Paragraphen beziehen sich auf das deutsche MPG)
Mit einer CE-Kennzeichnung dürfen Medizinprodukte nur versehen werden, wenn die Grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG, die unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind, erfüllt sind und ein für das jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren (nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 37 Abs. 1 MPG) durchgeführt worden ist (§ 6 Abs. 2 MPG).
Die grundlegenden Anforderungen sind für aktive implantierbare Medizinprodukte die Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie 90/385/EWG, für In-vitro-Diagnostika die Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie 98/79/EG und für sonstige Medizinprodukte die Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie 93/42/EWG.
Bei Produkten der Klasse I muss der Hersteller in eigener Verantwortung das Konformitätsbewertungsverfahren durchführen und für jedes Produkt eine technische Dokumentation mitsamt Risikomanagement Akte erstellen und für die Überprüfung durch Behörden bereithalten. Nach dem Bericht der EU Kommission vom 2. Juli 2003 werden durch die nationalen Behörden verstärkt Hersteller inspiziert, die nicht durch eine Benannte Stelle überwacht werden.
Die Zertifizierung durch eine staatlich benannte Stelle muss bei Produkten der Klassen IIa, IIb und III sowie Is und Im (Produkte der Klasse I, die im sterilen Zustand in den Verkehr gebracht werden oder eine Messfunktion haben) zusätzlich zur Bewertung durch den Hersteller durchgeführt werden. Die CE-Kennzeichnung wird dann durch eine vierstellige Nummer ergänzt. Die Verantwortung für das Produkt verbleibt beim Hersteller.
Hersteller im Sinne des Medizinproduktegesetzes ist derjenige, der das Produkt innerhalb des EWR in Verkehr bringt, unabhängig davon, wer das Produkt produziert.
Siehe auch
- Medizintechnik
- ISO 13485
Weblinks
Europäische Union:
Deutschland:
- BVMed - Bundesverband Medizintechnologie e.V. - Medizintechnik
- Konformitätsbewertungsverfahren nach §6 MPV(sonstige Medizinprodukte) - pdf
- Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten ZLG
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM
- Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
Österreich:
- Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES
- Österr. Bundesinstitut für Gesundheit - Medizinprodukteregister ÖBIG
Schweiz:
- Schweizerisches Heilmittelinstitut Swissmedic
- Produktrückrufe und Korrekturmaßnahmen betreffend Medizinprodukte
Literatur
- Gärtner, Armin: Band 1 Medizinproduktegesetzgebung und Regelwerk, Reihe Medizinproduktesicherheit TÜV Media GmbH 2008, ISBN 978-3-8249-1146-2
- Gärtner, Armin: Band 2 Elektrische Sicherheit in der Medizintechnik, Reihe Medizinproduktesicherheit TÜV Media GmbH 2008, ISBN 978-3-8249-1164-6
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