- Menschlichkeit
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Menschlichkeit oder Humanität (lat.: humanitas) hat drei Bedeutungen: Zum einen die neutral-sachliche Sichtweise, die alles, was Menschen zugehörig oder eigen ist, beinhaltet. Zum anderen wird der Begriff häufig subjektiv-wertend benutzt, um diverse Wertvorstellungen des Humanismus zu umschreiben. Zum dritten ist es eine innere Sichtweise, die die dem Menschen innewohnende Fähigkeit beschreibt, mit allen Menschen dieser Erde in Freundschaft zusammen zu leben ausgestattet mit natürlicher Nächstenliebe und dem Bedürfnis gemeinsam ein glückliches Leben zu leben.
Inhaltsverzeichnis
Neutrale Sichtweise
Menschlichkeit im objektiven, wertfreien Sinn umfasst alles menschliche, also sämtliche – „gute“ sowie „böse“ - menschliche Taten, Sichtweisen, Eigenschaften. Beispielsweise kann ein Haar eines Menschen vom Haar eines Tieres unterschieden werden.
Wertende Sichtweise
Theorie einer „humanistischen Menschlichkeit“
Die vielen Philosophen des Humanismus grenzten aus dem allumfassenden und wertfreien Begriff Menschlichkeit anhand verschiedener moralischer Kriterien eine gewisse Teilmenge des menschlichen Verhaltens heraus. Sie nannten ihre selektierte Teilmenge - verwirrenderweise - ebenfalls „Menschlichkeit“.
Die innere Sichtweise: Ich bin ein einzelnes Individuum, eines von 7 Milliarden Menschen, die diese Erde bevölkern, – ich bin also der 1/ 7 000 000 000 ste Teil von Allen – und alle Menschen haben den gleichen Wunsch, nämlich glücklich und zufrieden leben zu wollen. Warum aber gibt es Kriege, Wut und Hass, warum gibt es überhaupt ein Gegeneinander? Ist denn mein Wunsch wichtiger oder wertvoller oder höherwertiger oder bin ich bedeutender oder mehr Wert als ein einzigens dieser vielen Milliarden Menschen und "berechtigt" es mich, Dich zu bekämpfen? Warum tue ich Dir (mir) das an? Die Antworten darauf sind vielfältig aber nur wenige treffen den Kern. Wenn wir aber unsere Intelligenz einsetzen, kann ich mich von meinen Behinderungen, Vorstellungen, meinem sogenannten Wissen befreien. www.menschlich-leben.com
Diskussion: Das Konstrukt dieser „wünschenswerten“ Menschlichkeit wurde kontrovers diskutiert, es ging um Themen wie „was den Menschen ausmache“ oder wie der Mensch sein solle. Das Ziel war friedvoller, gütiger, kultivierter Umgang. So sprach beispielsweise Johann Gottfried Herder davon, dass Menschlichkeit nur teilweise angeboren sei und nach der Geburt erst ausgebildet werden müsse: Die Bildung zu ihr sei „ein Werk, das unablässig fortgesetzt werden muß, oder wir sinken […] zur rohen Tierheit, zur Brutalität zurück.“
Den Rang seiner Menschlichkeit könne ein Mensch - der Theorie nach - durch seine jeweiligen Taten verkleinern- oder vergrößern. Die humanistische Theorie zum Begriff Menschlichkeit umfasste „gute“ Ziele wie Taten der Güte, der Menschenliebe, der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit und des Mitgefühls. Zum Vergleich: „Sich zu irren“ ist kein wünschenswertes Ziel der humanistischen Menschlichkeit.
Theorie einer angeblichen „Unmenschlichkeit“
Die wertende Theorie der Humanisten definierte also einerseits ein „wünschenswertes Verhalten“, andererseits ergab sich daraus ihr theoretisches Gegenstück: das „unerwünschte Verhalten“, die von Humanisten so genannte „Unmenschlichkeit“ (lat. Inhumanitas). Beispielsweise stellte M.T. Cicero die Frage „Was macht einen Menschen zum Menschen?“ und antwortete sich “Der rücksichtslose Mensch, der sich für andere Menschen nicht interessiert“, sei „nicht human“, d.h. „unmenschlich“. Diese Zweiteilung in „Menschlichkeit und Unmenschlichkeit“ generierte ihre analogen Begriffe wie „Mensch und Unmensch“, ebenso Anhaltspunkte, durch welche „guten oder bösen“ Taten man „Menschlichkeit oder Unmenschlichkeit“ erreichen könne, zudem die Frage „wer wann einen Mensch zum Unmenschen erklären darf“.
Zur Zeit des Nationalsozialismus führten die Nazis den Begriff „Herrenmenschen“ ein, auch benutzte der Volksmund Ausdrücke wie „Untermenschen“, „Übermenschen“ (so bei sportlichen Leistungen) oder „Gutmenschen“. Im Vergleich zum Begriff „Untermensch“ ist der humanistische Begriff „Unmensch“ derber, da er einen Menschen nicht nur unterordnen möchte, sondern ihm sein „Menschsein“ gänzlich abzusprechen versucht.
Zum Humanismus und dessen „Mensch und Unmensch“-Sichtweise äußerte sich DDR-Armeegeneral Erich Mielke, ehemaliger Minister für Staatssicherheit, folgendermaßen:
„Wir sind nicht davor gefeit, dass wir einmal einen Schuft unter uns haben. Wenn ich das schon jetzt wüsste, würde er ab morgen nicht mehr leben. Kurzer Prozess. Weil ich ein Humanist bin. Deshalb habe ich solche Auffassung. Lieber Millionen Menschen vorm Tode retten, als wie einen Banditen leben lassen, der uns dann die Toten bringt, damit ich mal richtig erkläre, warum man so hart sein muss. Das ganze Geschwafel von wegen nicht Hinrichtung und nicht Todesurteil - alles Käse, Genossen. Hinrichten, wenn notwendig auch ohne Gerichtsurteil.“
– Erich Mielke[1]
Helmuth Plessner kritisierte das Wertekonstrukt des Humanismus folgenderweise: Es habe die „überhebliche Auffassung“, andere Kulturen zu missionieren und „Menschlichkeit erst beibringen“ zu wollen.
Umsetzung humanitärer Grundsätze
Der Gedanke der Humanität umfasst die prinzipielle Gleichheit aller Menschen jeder Herkunft und jeden Geschlechtes, die allgemeine Menschenwürde und den Pazifismus (die Ablehnung des Angriffskrieges). Im weiteren Sinn beinhaltet Humanität auch religiöse und politische Toleranz und Achtung vor dem Mitmenschen und seinen Überzeugungen, im weiteren Sinn dann übertragen auch auf die menschliche Achtung vor Tieren und den menschenwürdigen, achtsamen und schützenden Umgang mit der Natur im allgemeinen.
Humanität ist die Grundlage der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts als Rechtsgrundsatz auf Ebene der Staaten, wie auch der Realisierung des Rechts innerhalb eines Staates. Im Zusammenhang mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist er von zentraler Bedeutung. In den Verfassungen der demokratischen Staaten ist die Humanität in den Gesetzen fest verankert (siehe etwa Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Österreichische Verfassung, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Verfassung des Fürstentums Liechtenstein).
Humanität und das Konzept der Solidarität führt zum Begriff der Hilfsbereitschaft und deren Umsetzung als Hilfe: Beispiele sind das Engagement in sozialen Einrichtungen wie der Caritas oder der Diakonie, zum Engagement in einer Hilfsorganisation für die Einhaltung der Menschenrechte, der Nachbarschaftshilfe, oder dem intrastaatlichen Prinzip der Hilfsbereitschaft und Nachbarschaftshilfe als Humanitäre Hilfe. Hier äußert sich der Wille zur Menschlichkeit durch konkrete Hilfeleistungen wie Hilfsgüter, medizinische Hilfe..
Im Gegensatz dazu ist zum Beispiel die unterlassene Hilfeleistung ein Verstoß gegen die Menschlichkeit. Die Strafgesetzbücher definieren die unterlassene Hilfeleistung als Straftatbestand. Damit drückt es die allgemein gültige Überzeugung einer Pflicht zur Menschlichkeit aus.
Geschichtliche Entwicklung
Für Cicero war es ein Begriff für die ganzheitliche Bildung des Menschen. In diesem Sinne wurden in der Renaissance die studia humanitatis betrieben. Daher wird auch vom Renaissance-Humanismus gesprochen. Besonders in der Zeit der Aufklärung und der deutschen Klassik (Johann Gottfried Herder, Friedrich Schiller) und nach dem Zweiten Weltkrieg lebte der Gedanke der Humanität neu auf.
Siehe auch
- Geistesadel
- Humanisierung der Arbeitswelt
- Humanitäre Katastrophe, der Begriff humanitär als „ein ganzes Volk in Elend stürzend“
- Kinderfreundlichkeit
Literatur
- Rob Riemen: Adel des Geistes – Ein vergessenes Ideal, Siedler, München 2008, ISBN 978-3-88680-948-6
Weblinks
- Evolutionäre und kulturelle Wurzeln der Humanität
- www.menschlich-leben.com
Einzelnachweise
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